Antrittsbesuch in Washington
Ein zahmer Trump schmeichelt Merz im Oval Office
05.06.2025, 10:55 Uhr
US-Präsident Donald Trump hat Bundeskanzler Friedrich Merz bei dessen Antrittsbesuch im Weißen Haus überraschend freundschaftlich empfangen. Er bezeichnete den CDU-Politiker bei einer Pressebegegnung in seinem Büro, dem Oval Office, als „respektierten“ und „guten Mann“ und versprach: „Wir werden eine großartige Beziehung zu Ihrem Land haben“.
Es gab sogar Lob für die von Trump früher scharf kritisierten deutschen Anstrengungen im Verteidigungsbereich. Und die Vorwürfe von hochrangigen Vertretern der US-Regierung, Deutschland schränke die Meinungsfreiheit ein und grenze Parteien wie die AfD aus, kam nicht zur Sprache. Merz war darauf vorbereitet, sie zurückzuweisen.
Ein besonderes Gastgeschenk
Die meisten Fragen im Oval Office gingen an Trump, Merz saß die meiste Zeit entspannt daneben und vermied es, dem US-Präsidenten in die Parade zu fahren. „Wir haben so viele Gemeinsamkeiten in unserer Geschichte. Wir haben den Amerikanern viel zu verdanken, das werden wir nie vergessen“, sagte er und ging auch auf dessen deutsche Herkunft ein.
Dazu brachte er auch ein Gastgeschenk mit, goldgerahmt und ziemlich groß: die Kopie einer historischen Geburtsurkunde von Trumps Großvater Friedrich, der 1869 in Kallstadt in der Pfalz auf die Welt kam und später in die USA auswanderte. Merz präsentierte das Mitbringsel gleich zu Beginn. „Das ist wunderschön“, entgegnete Trump. „Wir werden das aufhängen.“
Ein milde gestimmter Gastgeber
Trump gab sich bei der Begegnung betont freundlich, machte Merz Komplimente für sein gutes Englisch und klammerte mögliche strittige Themen weitgehend aus. Bei den wichtigen Themen des Treffens - etwa Ukraine und Verteidigungsausgaben - schlug er versöhnliche Töne an.
Der Kanzler habe „eine tolle Wahl“ gewonnen, sagte der Republikaner. Merz sei „schwierig“, scherzte Trump, aber er sei ein großartiger Vertreter Deutschlands. Der sonst angriffslustige US-Präsident, der sich oft mit Provokationen oder abfälligen Kommentaren über sein Gegenüber hervortut, präsentierte sich besonders zahm.
Trump mit „niemandem befreundet“ - außer Merz
Mit Blick auf Kremlchef Wladimir Putin sagte er an einer Stelle: „Ich bin mit niemandem befreundet.“ Dann wandte er sich mit einer Geste an Merz und fügte hinzu: „Wir sind befreundet.“
Für den CDU-Politiker war der Besuch bei Trump zum Start seiner Kanzlerschaft auch eine Bewährungsprobe. Der US-Präsident hat anderen Gästen bei Begegnungen im Oval Office in den vergangenen Monaten heftig zugesetzt. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde das Aufeinandertreffen dort Ende Februar zu einer tiefen Demütigung vor der Weltöffentlichkeit, die bis heute nachwirkt. Auch den südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa führte Trump bei einem Treffen in seinem Amtszimmer vor und versuchte, mit einem Video seinem Vorwurf eines „Genozids“ an weißen Bauern Nachdruck zu verleihen.
Merz kam auch deshalb mit bescheidenen Erwartungen: einander erst mal kennenlernen, ein Gespür dafür bekommen, wie das Gegenüber tickt, und im besten Fall einen Draht aufbauen zum mächtigsten Mann der Welt. Bisher waren für Trump der französische Präsident Emmanuel Macron oder die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die Hauptansprechpartner in Europa. Jetzt will Merz in eine Führungsrolle schlüpfen. Seine Telefonnummer soll idealerweise die von Europa werden.
Merz: Trump nimmt Einladung nach Deutschland an
Nach Angaben von Merz will Trump den Besuch erwidern. Der Kanzler hatte ihn bereits in ihrem ersten Telefonat nach Deutschland eingeladen. Der US-Präsident äußerte sich dazu vor den Kameras nicht - aber Merz sagte später in einem ARD-„Brennpunkt“, Trump habe die Einladung angenommen. „Er wird nach Deutschland kommen. Wir gucken jetzt nach einem Termin“, sagte er RTL/ntv.
Mit Blick auf sein Gastgeschenk für Trump erzählte Merz: „Das hat ihn offensichtlich sehr berührt, er ist immer wieder darauf zurückgekommen.“
In Kallstadt in der Pfalz wuchs Trumps Großvater - wie Merz ein Friedrich - auf, bevor er 1885 in die USA ging. Er arbeitete dort unter anderem als Friseur, wurde 1892 amerikanischer Staatsbürger und nannte sich Frederick. Als er nach Kallstadt zurückkehren wollte, verweigerten ihm dies die dortigen Behörden. Er habe sich bei seiner Abreise 1885 nicht ordnungsgemäß abgemeldet, hieß es. Dass es in der Familiengeschichte von Trump, der sich aktuell mit harter Abschiebepolitik und Einreisebeschränkungen hervortut, ein Einreiseverbot nach Deutschland gab, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Kritische Themen ausgeklammert
Bei der Pressebegegnung im Oval Office waren auch Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio an der Seite des Präsidenten - jene Regierungsmitglieder also, die zuletzt Deutschland und anderen europäischen Verbündeten die Beschneidung der Meinungsfreiheit und die Ausgrenzung von Parteien wie der AfD vorgeworfen hatten. Merz hatte vor seinem Besuch in Washington klargemacht, dass er die Kritik aus den USA für „übergriffig“ hält.
Bei dem Treffen im Weißen Haus kam das heikle Thema nicht zur Sprache. Ein Journalist versuchte, danach zu fragen, kam aber nicht durch. Im Oval Office waren etwa 50 Medienvertreter versammelt.
Merz erschien ohne Dolmetscher im Weißen Haus - eine vertrauensbildende Maßnahme. Der Kanzler hatte sich aber vorab von mehreren Staats- und Regierungschefs, die bereits bei Trump waren, Ratschläge geben lassen: etwa von Selenskyj, Ramaphosa, der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, oder dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb.
Was war das Top-Thema des Besuchs?
Die Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine. Merz hat sich dabei unter den Europäern mit an die Spitze gesetzt, zeigte sich zuletzt aber frustriert über mangelnde Fortschritte. Trump sieht Merz bei dem Thema an seiner Seite. Genau wie er würde Merz gerne sehen, dass die Kämpfe aufhörten, sagte der Republikaner. Sie beide seien unglücklich darüber, dass sich dies aktuell nicht abzeichne. Aber an irgendeinem Punkt werde das „Blutvergießen“ ein Ende finden. Die Frage, ob er bereit sei, neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen, ließ er einmal mehr offen.
Trump hat noch nicht offenbart, wie er zu einem entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Kongress steht, wo die Ungeduld ebenfalls wächst. Nach einem erneuten Telefonat mit Putin am Tag vor Merz‘ Besuch jedenfalls erklärte Trump, er sehe keine Chance auf einen sofortigen Frieden. Dafür dass er sich stets mit seinen engen Bünden zum Kremlchef brüstet und lange prahlte, er könne den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden, hat der Republikaner bisher nicht viel ausrichten können.
Was wurde mit Blick auf den Nato-Gipfel besprochen?
Ein anderes wichtiges Thema zwischen Deutschland und den USA sind die Verteidigungsausgaben innerhalb der Nato. Trump hatte Deutschland in seiner ersten Amtszeit heftig für zu geringe Rüstungsinvestitionen kritisiert. Diesmal äußerte er sich wohlwollend. „Ich weiß, dass Sie jetzt mehr Geld für die Verteidigung ausgeben – und zwar ziemlich viel mehr. Das ist eine positive Sache“, sagte Trump.
Ende Juni kommen die Staats- und Regierungschefs der Militärallianz in Den Haag zusammen und werden unter anderem über ihre Verteidigungsausgaben reden. Trump hat von den Bündnispartnern Ausgaben in Höhe von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefordert. Nato-Generalsekretär Mark Rutte kreierte daraufhin eine Kompromissformel: 3,5 Prozent für das Militär und 1,5 Prozent für Infrastruktur wie Straßen oder Häfen, die für Verteidigung relevant sein können.
Merz hat sich diesem Vorschlag angeschlossen und ist Trump damit schon sehr entgegengekommen. Ob dem Republikaner die kreative Rechnung der Partner am Ende genügt, muss sich zeigen. Auch dazu äußerte sich der Präsident bei dem Treffen mit Merz nicht.
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde das Aufeinandertreffen dort Ende Februar zu einer tiefen Demütigung vor der Weltöffentlichkeit, die bis heute nachwirkt. Auch den südafrikanischen Präsident Cyril Ramaphosa führte Trump vor und versuchte, mit einem Video seinen Vorwurf eines „Genozids“ an weißen Bauern Nachdruck zu verleihen.
Wie wird es Merz ergehen? Eines steht fest: Der etwa 17-stündige Antrittsbesuch des Kanzlers in Washington wird den Ton für die deutsch-amerikanischen Beziehungen der kommenden Jahre setzen. Es geht bei der ersten Begegnung nicht um konkrete politische Verständigungen, sondern schlicht um die Frage: Finden die beiden einen Draht zueinander?
Wie läuft das Treffen ab?
Der Besuch geht auf jeden Fall gut los. Trump hat Merz für die Übernachtung das Gästehaus des US-Präsidenten gegenüber vom Weißen Haus zur Verfügung gestellt. Dort haben in den vergangenen 80 Jahren schon der frühere französische Präsident Charles de Gaulle und Queen Elizabeth II. übernachtet. Nicht der schlechteste Ort also, um einen so wichtigen Tag zu beginnen.
Um 11.30 Uhr Ortszeit geht es dann rüber ins Weiße Haus. Bei der Pressebegegnung im Oval Office sind in der Regel auch enge Berater des Präsidenten dabei - etwa Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Mark Rubio, die Deutschland und anderen europäischen Verbündeten die Beschneidung der Meinungsfreiheit und die Ausgrenzung von Parteien wie der AfD vorgeworfen haben.
Dieses Thema dürfte am ehesten Eskalationspotenzial haben. Sollte es aufkommen, dürfte Merz klare Worte finden. Er hat bereits mehrfach öffentlich deutlich gemacht, dass er die Kritik aus den USA für „übergriffig“ hält. Die Teilnahme Rubios an dem Treffen ist von US-bestätigt. Vance wird dem Vernehmen nach diesmal aber möglicherweise fehlen.
Wie lange dauert das Spektakel im Oval Office?
Das ist völlig offen. Bei Selenskyj waren es 50 Minuten, beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron nur 28 Minuten, in die trotzdem 27 Fragen passten. 23 gingen an Trump, nur vier an Macron. Der französische Präsident antwortete auf Englisch und Französisch - und das deutlich länger als Trump. Merz hat sich entschieden, ohne Dolmetscher ins Weiße Haus zu gehen - eine vertrauensbildende Maßnahme.
Wie gut kennen sich die beiden schon?
Sie sind sich erst ein Mal vor vielen Jahren flüchtig in New York begegnet. Seit dem Amtsantritt von Merz vor vier Wochen haben sie mehrfach telefoniert - zu zweit und in größerer Runde zum Ukraine-Krieg. Merz hat inzwischen die Handy-Nummer des US-Präsidenten, tauscht sich mit ihm regelmäßig per SMS aus und spricht ihn mit Vornamen an - so heißt es von deutscher Seite.
Über das erste Telefonat zu zweit sprach Merz vor wenigen Tagen beim WDR-Europaforum überraschend offen. „Wenn man mit ihm alleine spricht, das ist halt Small Talk“, erzählte er da. „Und wichtig ist immer, dass man nicht so lange redet, sondern dass man kurz redet und ihn auch reden lässt.“
Die beiden unterhielten sich demnach unter anderem über den amerikanischen Papst und über die US-Metropole Chicago, für die beide ein Faible haben. Merz kennt die USA ausgezeichnet und sogar mal für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet: die Investmentgesellschaft BlackRock.
Wie hat Merz sich vorbereitet?
Der Kanzler hat sich von mehreren Staats- und Regierungschefs, die bereits bei Trump waren, Ratschläge geben lassen, etwa von Selenskyj, Ramaphosa, der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre und dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb. Zu den Tipps zählte: Es kommt auf die ersten 30 Sekunden an.
Wie hat sich Trump bisher zu Merz geäußert?
Eigentlich gar nicht. Nach der Bundestagswahl in Deutschland feierte Trump zwar den Sieg der „konservativen Partei“, nannte Merz aber nicht beim Namen. Nach dessen Wahl zum Kanzler übermittelte öffentlich lediglich Vance die Glückwünsche seines Chefs, und Rubio gratulierte Merz in einer schriftlichen Stellungnahme nach einem gemeinsamen Telefonat. Von Trump selbst aber kam öffentlich nicht wirklich etwas. Gar nicht vorzukommen, scheint aus deutscher Perspektive aber besser, als ins Visier des Präsidenten zu geraten.
Wieso?
In seiner ersten Amtszeit tat sich Trump mit viel Kritik an Deutschland hervor - unter anderem wegen der Verteidigungsausgaben oder der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Das Verhältnis war frostig. Legendär ist, wie Trump damals bei einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel einem Handschlag auswich. In den ersten Monaten seiner neuen Amtszeit knöpfte sich Trump dagegen andere Länder vor und kritisierte auch Europa insgesamt, verzichtete aber auf ein Deutschland-Bashing wie damals - zumindest bisher.
Wie wird Merz bei Trump auftreten?
Zugewandt, aber selbstbewusst. „Man muss sich auf ihn einstellen und auf ihn einlassen. Und gleichzeitig darf man sich nicht kleiner machen, als wir sind“, sagte er beim WDR-Europaforum. „Wir sind da keine Bittsteller.“
Was ist das Top-Thema des Besuchs?
Die Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine. Merz hat sich dabei unter den Europäern mit an die Spitze gesetzt, zeigte sich zuletzt aber frustriert über mangelnde Fortschritte. In Washington will er bei Trump darum kämpfen, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin über neue Sanktionen zu erhöhen, um diesen zu einer Waffenruhe zu bewegen.
Trump hält sich neue Sanktionen bislang offen und hat auch noch nicht offenbart, wie er zu einem entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Kongress steht, wo die Ungeduld ebenfalls wächst. Nach einem erneuten Telefonat mit Putin am Tag vor Merz‘ Besuch jedenfalls erklärte Trump, er sehe keine Chance auf einen sofortigen Frieden. Dafür dass er sich stets mit seinen engen Bünden zum Kremlchef brüstet und lange prahlte, er könne den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden, hat der Republikaner bisher nicht viel ausrichten können.
Welches Thema steht noch ganz oben auf der Agenda?
Eine Lösung im Zollstreit mit den USA. Darüber verhandelt aber die EU-Kommission mit den USA. Merz wird sich da nicht in die Details einschalten, kann aber als Chef des wirtschaftsstärksten europäischen Landes Vertrauen schaffen. Für die von Trump ursprünglich zum 1. Juni angedrohten Zölle von 50 Prozent gibt es nun eine Frist bis zum 9. Juli. Doch auch in der Zwischenzeit ist Trump jederzeit eine Überraschung und unerwartete Provokation zuzutrauen - wie zuletzt bei der Verdopplung der Zölle auf Aluminium und Stahl, die auch Deutschland trifft.
Was wird mit Blick auf den Nato-Gipfel besprochen?
Ende Juni kommen die Staats- und Regierungschefs der Militärallianz in Den Haag zusammen und werden unter anderem über ihre Verteidigungsausgaben reden. Trump hat von den Bündnispartnern Ausgaben in Höhe von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefordert. Nato-Generalsekretär Mark Rutte kreierte daraufhin eine Kompromissformel: 3,5 Prozent für das Militär und 1,5 Prozent für Infrastruktur wie Straßen oder Häfen, die für Verteidigung relevant sein können.
Merz hat sich diesem Vorschlag angeschlossen und ist Trump damit schon sehr entgegengekommen. Ob dem Republikaner die kreative Rechnung am Ende genügt, muss sich zeigen. Zumindest hat Trump seine Teilnahme am Nato-Gipfel inzwischen zugesagt - zuvor war nicht klar gewesen, ob er aus Unmut fernbleiben könnte. Zu der Eskalation kommt es nun zumindest nicht.
