Modellstädte auf der Kippe? Bayerns Gesundheitsminister ist skeptisch

27.3.2021, 15:39 Uhr
In Tübingen ist deutlich mehr möglich als im Freistaat. 

© Sebastian Gollnow, dpa In Tübingen ist deutlich mehr möglich als im Freistaat. 

Kaum wurde die Idee verkündet, schon wird sie wieder relativiert: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) dämpfte am Wochenende Erwartungen, in Modellprojekten nach dem Vorbild Tübingens oder Rostocks einen generellen Ausweg aus dem Dauer-Lockdown zu suchen. "Ich warne vor überhöhten Erwartungen", so Holetschek. Diese Erwartungen hatte nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geweckt. "Keinem OB und keinem Landrat ist verwehrt, das zu tun, was in Tübingen und Rostock gemacht wird", hatte Merkel im Bundestag erklärt. Dem Präsidenten des bayerischen Landkreistags Christian Bernreiter (CSU) wurde mulmig.

Die Äußerungen der Kanzlerin erweckten womöglich den Eindruck, jeder Landrat könne eine eigene Öffnungsstrategie verfolgen, erklärte der Deggendorfer Landrat: "Dieser Eindruck wäre falsch. Entscheidend seien allein die Inzidenzwerte. Die Landratsämter handelten als "weisungsgebundene untere staatliche Verwaltungsbehörde" und seien an die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Freistaats gebunden", so Bernreiter. Grundsätzlich könnten Städte und Landkreise nicht in Eigenregie öffnen und schließen wie sie wollten, stellte Minister Holetschek klar. Abweichungen von der Verordnung mit dem langen Namen müssten vom Gesundheitsministerium gebilligt werden. Es ist nicht bekannt, dass ein solcher Antrag in der Vergangenheit Erfolg gehabt hätte.

73 Bewerbungen

Auch dem Gesundheitsminister wird das Drängen zahlreichen bayerischer Kommunen unheimlich, es als "Modellstadt" den Tübingern und Rostockern gleich tun zu können und Öffnungen nach zahlreichen Schnelltests zu erlauben. Mittlerweile hätten sich 73 Kommunen beworben, berichtete Holetschek am Wochenende. In nur acht soll erprobt werden, ob eine kontrollierte Öffnung bestimmter Lebensbereiche unter Pandemie-Bedingungen möglich ist. Während die Infektionszahlen pro 100.000 Einwohner und Woche (Inzidenzen) in Tübingen jedoch bei 65 und in Rostock bei unter 35 liegen, sollen in Bayern Pilotstädte mit Inzidenzen zwischen 100 und 150 ausgewählt werden.

Gesundheitsminister Holetschek hält es offenbar noch gar nicht für ausgemacht, dass die Modellversuche im Freistaat überhaupt starten. "Mit großer Sorge" betrachte er die derzeit schnell steigenden Inzidenzen, teilte der Minister mit: "Modellprojekte sollen Raum für Neues, aber bei zu hohen Zahlen keine zusätzliche Gefahr schaffen".

Die Gegenposition vertritt die FDP. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsabgeordneten Karsten Klein forderte die bayerische Staatsregierung auf, mehr als nur acht Modellregionen zuzulassen. Die Flut an Bewerbungen zeige, dass die Kommunen bereit seien, Verantwortung zu übernehmen. "Man muss sie nur lassen", erklärte Klein.


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