Nach Beschwerden: Öcalan-Foto aus Ausstellung entfernt

12.12.2019, 06:00 Uhr
Dokumentierte Flüchtlingslager-Wirklichkeit: Für diese Frau und die Bewohner der kurdischen Region Rojava ist Abdullah Öcalan ein Held. Die Türkei und die deutsche Justiz sehen in ihm einen Terroristen. Aber ist das Bild PKK-Werbung?

© Laurence Grangien Dokumentierte Flüchtlingslager-Wirklichkeit: Für diese Frau und die Bewohner der kurdischen Region Rojava ist Abdullah Öcalan ein Held. Die Türkei und die deutsche Justiz sehen in ihm einen Terroristen. Aber ist das Bild PKK-Werbung?

Seit vielen Jahren lebt die französische Fotografin Laurence Grangien in Nürnberg. Immer wieder hat sie Krisengebiete bereist und mit ihrer Kamera das Alltagsleben der Menschen vor Ort dokumentiert. "Ich will Menschen eine Stimme geben, die sonst keine haben", beschreibt die 57-Jährige ihre Arbeit. Nicht um die Parteinahme für irgendeine Seite gehe es ihr, sondern allein "um den Kampf für Menschenrechte".

Kurdin posiert mit Kalaschnikow vor Bildern

Im Frühjahr dieses Jahres, wenige Monate bevor dort die türkische Armee einmarschierte, bereiste Grangien zum zweiten Mal nach 2010 die kurdische Region Rojava in Nordsyrien. In Flüchtlingslagern lebte sie unter den Bewohnern und interessierte sich vor allem für den Alltag der Frauen. "Rojava – Schein und Sein" heißt die Schau von Bildern, die seit vergangenem Donnerstag im Südpunkt zu sehen sind.

Eines der Fotos zeigt eine gut 50-jährige Kurdin, die mit einer Kalaschnikow bewaffnet zwischen zwei Bildern des seit 20 Jahren in der Türkei inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan posiert. Laut Laurence Grangien ist es eine ehemalige Hausfrau, die sich in den Zeiten des kurdischen Kampfs gegen den IS an der Waffe ausbilden ließ und nun ihr Viertel verteidigt.


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Von den Ausstellungsmachern wurde das Bild für Werbeflyer und Ausstellungshinweise in den sozialen Netzwerken ausgewählt. Einen Tag nachdem die Bilderschau mit einer Podiumsdiskussion im Südpunkt eröffnet wurde, gingen beim Leiter des städtischen Amtes für Kultur und Freizeit (KuF), Jürgen Markwirth, Beschwerden aus der örtlichen türkischen Community ein. Unter anderem erkundigte sich der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde der Metropolregion Nürnberg, Bülent Bayraktar, warum ausgerechnet ein Bild des "Anführers einer terroristischen Organisation" als Werbemotiv ausgewählt worden sei.

Der Vorgang landete im Bürgermeisteramt

Das beanstandete Bild wurde aus dem Internet genommen. In der Ausstellung blieb es hängen. Eine Reaktion, mit der Bülent Bayraktar, wie er versichert, einverstanden gewesen sei. Doch die Geschichte endete hier nicht. Der Vorgang war nämlich inzwischen beim Bürgermeisteramt gelandet und von dort an das Rechtsamt sowie an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung weitergeleitet worden.

Einhellige Auskunft der Juristen laut Bürgermeisteramtsleiterin Christine Schüßler: Im Streitfall könnte das Bild "eventuell als Werbung für eine terroristische Vereinigung" ausgelegt werden. Um die für die Ausstellung verantwortlichen Mitarbeiter zu schützen, habe OB Maly deshalb am Montag entschieden, das Bild abhängen zu lassen. "Das bedeutete keine politische Wertung", betont Christine Schüßler, "wir schlagen uns nicht auf die Seite der Türkei."

Türkischer Generalkonsul sprach vor

Dieser Eindruck drängte sich freilich spätestens zu dem Zeitpunkt auf, als bekannt wurde, dass der neue türkische Generalkonsul Serdar Deniz in der Angelegenheit bei OB Maly vorgesprochen hatte. "Dieses Gespräch fand nach der Entscheidung statt, das Bild abzuhängen", sagt Schüßler. "Und es dauerte nicht länger als eine Minute."

Eine Ausstellung, die für Frieden werben wollte, sorgt für Streit. Oder wie es KuF-Chef Markwirth hörbar zerknirscht formuliert: "Die Spaltung von dort strahlt bis hierher aus."

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