Kommentar zur Flutkatastrophe

Nach dem Hochwasser: Wir müssen vieles neu denken

19.7.2021, 15:48 Uhr
Katastrophenhelfer beim Einsatz in Rheinland-Pfalz.

© Harald Tittel, dpa Katastrophenhelfer beim Einsatz in Rheinland-Pfalz.

Der viel gescholtene Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier liegt richtig mit seiner Meinung: Wenn die Helferinnen und Helfer in den überfluteten Gemeinden die wichtigste Arbeit getan haben und wenn die obdachlos gewordenen Menschen wieder halbwegs anständig untergebracht sind, dann muss sofort mit der Aufarbeitung der Katastrophe begonnen werden.

Bei Pegel von über acht Metern: Hochwasserlage in Südbayern stabilisiert sich
Haben unsere Frühwarnsysteme funktioniert? Wurden die Menschen schnellstmöglich evakuiert? Wäre eine bessere technische Ausstattungen der Rettungskräfte nötig gewesen? Muss der Katastrophenschutz in gefährdeten Regionen verbessert werden? Das alles sind Fragen, die dringend einer Antwort bedürfen.
Es geht ausdrücklich nicht um Schuldzuweisungen, auch das hat Altmaier betont. Die wären nur dann notwendig, wenn Verantwortliche in größerem Stil grob fahrlässig gehandelt hätten. Das ist nach derzeitigen Kenntnissen eher unwahrscheinlich.

Durch die Bank unterschätzt

Es ist wohl eher so, dass unsere Gesellschaft durch die Bank - Kommunen, Medien, Politik, aber auch Normalbürger - die Wucht solch einer Naturkatastrophe nicht richtig eingeschätzt haben. Schon gar nicht in einem Land wie Nordrhein-Westfalen.
Wir werden in Zukunft mit Extremwetterlagen leben müssen, so wie vermutlich auch mit weltweiten Pandemien, die in unregelmäßigen Abständen ausbrechen. Beides kann man nicht ausschalten, beides wird weiterhin für Todesopfer und enorme wirtschaftliche Schäden sorgen. Doch unsere weit entwickelte Technik kann solch bedrohlichen Ereignissen immerhin die Spitzen nehmen.
Flüsse nicht mehr so einzuquetschen, dass sie selbst mit Starkregen besser fertig werden können. Dichtere Warnsysteme zu etablieren, die die Bürger um zwei, drei lebensrettende Stunden früher erreichen. Menschen in gefährdeten Regionen besser (oder überhaupt erst mal) zu schulen. All das kann bei der nächsten Katastrophe helfen.
Generell unterliegen wir im Vorfeld von Naturkatastrophen immer dem gefährlichen Reflex, aus längeren Ruhephasen zu schließen, da werde schon nichts passieren. Das ist menschlich. Aber wir sollten auch dazulernen. Wenn nicht alles täuscht, dann wird von dem gerade überstanden Hochwasser ein wichtiger Impuls ausgehen.

Bitte keine Parteipolitik

Was niemandem hilft, das ist ein parteipolitisches Ausschlachten der Ereignisse. Wer jetzt wie ein FDP-Politiker den Rücktritt des Innenministers Horst Seehofer verlangt - zwei Monate vor dem Ende der Legislaturperiode -, der trägt damit nichts zur Lösung der Probleme bei. Und auch Karl Lauterbach (SPD), geschätzter Pandemie-Experte, sollte jetzt nicht gleich zum Fachmann für Naturkatastrophen "umschulen", wie man aus ersten Äußerungen seinerseits schließen kann.

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