Nacht in der Zelle: Nürnberger in Kairo "verschleppt"

28.12.2017, 11:38 Uhr
Nacht in der Zelle: Nürnberger in Kairo

© Foto: privat

Mit einer Hand an einen Schrank gefesselt, keine Liege, keine Verpflegung außer einer Tafel Schokolade – und kein Kontakt zur Außenwelt. So schildert Klaus Fels die Nacht, die er im November in einer Zelle in der ägyptischen Hauptstadt Kairo verbracht habe. Warum er in seinem Hotelzimmer festgenommen und schließlich nach Dubai abgeschoben worden sei, wisse er bis heute nicht.

Der 44-Jährige, der vor 15 Jahren von Berlin aus beruflichen Gründen nach Nürnberg gezogen ist, kann nur mutmaßen. Ist er mit einem gesuchten Verdächtigen verwechselt worden? Oder will die Polizei mit seinen Daten – seine SIM-Karte sei ihm abgenommen worden – schwule Männer in eine Falle locken? Homosexualität ist in Ägypten nicht strafbar, dennoch gehen die Behörden hart vor. Fels macht kein Geheimnis daraus, dass er Dating-Apps für Männer nutzt, über die er auch in Kairo Kontakte geknüpft hat. Aus dem Chatverlauf auf seinem Smartphone rekonstruiert er, dass jemand in seinem Namen einen seiner Bekannten, "Mohamed", auf Englisch zu einem Treffpunkt gelockt habe. Dort sei dieser ebenfalls festgenommen worden.

Was an Fels’ Geschichte dran ist, lässt sich im Detail nur schwer nachvollziehen. Die ägyptischen Behörden hüllen sich in Schweigen, Anfragen der Nürnberger Nachrichten bleiben unbeantwortet. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin heißt es lediglich, man kenne den Fall und sei mit dem Betroffenen in Kontakt gewesen.

Fels sagt, er habe immer wieder verlangt, mit der deutschen Botschaft sprechen zu dürfen. Die sei informiert, hätten ihm die Polizisten geantwortet. Eine Woche später, nach der Rückkehr nach Nürnberg, erhält er vom Auswärtigen Amt eine E-Mail: Die Botschaft in Kairo sei "zu keinem Zeitpunkt von der ägyptischen Polizei über Ihre Inhaftierung und anschließende Rückführung nach Dubai unterrichtet worden".

Nachricht per WhatsApp

Kurz darauf erfährt er, dass die Rufbereitschaft der deutschen Auslandsvertretung "nach Dienstschluss des gestrigen 28. 11. 17 erstmalig vom ägyptischen NSS (National Security Service) per WhatsApp über die Einreiseverweigerung und Ihre Zurückweisung nach Dubai unterrichtet wurde". Kairos Version lautet also offenbar: Klaus Fels ist gar nicht erst nach Ägypten hineingekommen.

Doch dagegen sprechen mehrere Indizien: Fels hatte ein Flugticket von München für den 18. November, am Flughafen in Kairo wurde an diesem Tag das 25-Dollar-Visum in seinem Pass abgestempelt – eine Kopie liegt der Redaktion vor. Der Ausreisestempel trägt das Datum des 20. Novembers. Zudem zeigt Fels eine schriftliche Reservierung für drei Nächte im zentral gelegenen "Pyramisa Suites Hotel and Casino".

Die Umsatzübersicht für seine Prepaid-Kreditkarte weist für den 19. November eine Abhebung in Höhe von 1000 Ägyptischen Pfund aus, umgerechnet 48,31 Euro. Ort der Auszahlung: "Pyramisa Hotel".

Nach einigem Hin und Her hinterfragt auch das deutsche Außenministerium die Angaben der ägyptischen Seite. In einer weiteren E-Mail an Fels schreibt das Amt: "Aufgrund der von Ihnen nun nachgereichten Unterlagen und der sich daraus ergebenden Zweifel an dieser Darstellung" werde man die Botschaft in Kairo veranlassen, "die ägyptischen Behörden um Aufklärung des Sachverhaltes und Stellungnahme zu Ihren Vorwürfen zu bitten". Schließlich sei Ägypten wegen internationaler Abkommen verpflichtet, über die Festnahme eines Deutschen unverzüglich zu unterrichten.

Hotelzimmer gestürmt

Was zwischen Ankunft in Kairo und der erzwungenen Ausreise zwei Tage später genau geschehen ist, bleibt vorerst ungeklärt. Gegen 16 Uhr, sagt Fels, seien am Tag nach der Anreise mehrere junge Männer in sein Zimmer gestürmt, hätten alles durchsucht und ihn über einen Hinterausgang hinausgezerrt. Nach der Nacht in der Zelle und mehreren Befragungen auf Arabisch – was er nicht spreche – habe er am kommenden Morgen das Ticket für seinen Abschiebeflug kaufen müssen. Da seine Kreditkarten nicht akzeptiert worden seien, habe er mit Bargeld, in Euro und Dollar, einen Flug für den Abend des 20. November gebucht: mit Gulf Air nach Bahrain und von dort weiter nach Abu Dhabi. Ausgestellt wurde das Ticket, das der Redaktion vorliegt, von einem Reisebüro in der Nähe des zentralen Tahrir-Platzes.

Später habe er es auf den Zielort Dubai umbuchen müssen. Eine leitende Mitarbeiterin des Reisebüros bestätigt auf Anfrage, dass Fels "aus Kairo abgeschoben" wurde und das Flugticket im Wert von 2500 Ägyptischen Pfund, etwa 118 Euro, vor Ort gekauft hat — dabei sei er von einer Person begleitet worden.

Den Rest des Tages, so Fels, habe er dann am Kairoer Flughafen in einer Abschiebezelle verbracht – mit mehreren "Islamisten", die aber "ganz nett" gewesen seien. Um die Zeit totzuschlagen, habe er ihnen das Spiel "Stadt, Land, Fluss" beigebracht, erzählt Fels. Auch die Beamten dort hätten ihn freundlich behandelt. Er habe sein Handy wieder bekommen und Bekannte vor merkwürdigen Kontaktversuchen in seinem Namen gewarnt.

Schal gestohlen

In Dubai habe er schließlich beim deutschen Generalkonsulat vorgesprochen, wo er ans Auswärtige Amt verwiesen worden sei. Dort hieß es, falls er wegen der gestohlenen Gegenstände – laut Fels neben der SIM-Karte unter anderem auch ein Fanschal des FC Barcelona – gegen die ägyptische Polizei vorgehen wolle, müsse er sich im Land einen Anwalt nehmen. Das Ministerium und die Botschaften seien "nicht befugt", ihn juristisch zu beraten oder in einem Rechtsstreit zu vertreten. Fels sagt, er sei "sehr enttäuscht" von der mangelnden Unterstützung. Was er in Kairo erlebt hat, nennt er eine "Verschleppung". Er ist überzeugt: "Die haben sich einen Schwulen ausgesucht, weil sie wussten: ,Das ist der Schwächste.’"

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