Grenzenlose Redefreiheit

Neuer Twitter-Besitzer: Die radikal libertären Ideen des Elon Musk

Manuel Kugler

Redaktion Politik und Wirtschaft

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1.4.2022, 15:10 Uhr
Wohin Libertarismus führt, lässt sich aber nicht nur virtuell beobachten, sondern ganz real in einem Teil Brandenburgs: Elon Musk.

© a-imago-20220404_134700-1.jpg, NN Wohin Libertarismus führt, lässt sich aber nicht nur virtuell beobachten, sondern ganz real in einem Teil Brandenburgs: Elon Musk.

Der Mann ist ein Rätsel, und wer behauptet, ihn auf gut 3000 Zeichen entschlüsseln zu können (so viele umfasst dieser Kommentar), ist ein Hochstapler. Das gilt erst recht für all diejenigen, die das nun auf 280 Zeichen versuchen (so viele erlaubt Twitter).

Manche Kritik an Musk ist schrecklich selbstgerecht

Entsprechend unterirdisch ist das Niveau mancher Beiträge in der ansonsten an klugen Beiträgen durchaus reichen Kurzmitteilungsplattform. Er hätte den Hunger in der Welt beseitigen können, sich aus einer Laune heraus dann aber entschieden, doch lieber Twitter zu kaufen, heißt es dort über Elon Musk. Was als Aussage immer dann schrecklich selbstgerecht ist, wenn sie von Menschen kommt, die selbst nicht die Hälfte ihres Vermögens der guten Sache spenden. Also fast immer.

Wenn der Versuch, Elon Musk entschlüsseln zu wollen, also scheitern muss, halten wir uns an die Fakten: Musk kauft Twitter, die in politischer Hinsicht wichtigste Plattform für den Austausch von Meinungen. Das verschafft ihm, dem reichsten Mann der Welt, potenziell noch mehr politische Macht. Der verspricht aber, diese Macht nicht auszunutzen, sondern Twitter zu einem Ort absoluter Redefreiheit zu machen. Was es in Musks Verständnis derzeit nicht ist, weil Beiträge gelöscht werden - zum Beispiel, wenn sie nachweislich falsch sind oder Hass gegen Bevölkerungsgruppen säen.

Voltaire für das Jahr 2022

Er hoffe, dass selbst seine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben - so formuliert es Musk selbst, kaum dass die Nachricht von seinem Deal publik wurde: Denn nichts anderes sei Redefreiheit. Ein hehres Verständnis dieses demokratischen Kernwertes, quasi Voltaire für das Jahr 2022 - denn dem wird der Satz zu geschrieben: "Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen."

Ein Ort, an dem Meinungen frei geäußert werden, an dem sich die Kraft des besten Arguments durchsetzt - das klingt großartig. Wenn sich aber Hass und Fake News im Mantel der Meinungsfreiheit tarnen, wird das brandgefährlich für eben jene Demokratie, die diesen Wert erst begründet. Wer mit angesehen hat, wie die sozialen Netzwerke mittels falscher, aber millionenfach geteilter Nachrichten einen Demokratie-Feind an die Macht brachten (Donald Trump), wie sie dabei halfen, einem Genozid (in Myanmar) den Boden zu bereiten, der wird jedenfalls darüber ins Grübeln kommen, ob immer wirklich alles gesagt werden darf. Es gibt Grenzen der Meinungsfreiheit. Sie zu bestimmen, ist ein Aushandlungsprozess, der keine einfachen Antworten kennt.

Musks Idee von radikalen Redefreiheit ist aber genau das: eine einfache Antwort auf eine schwierige Frage. Was zu dem Schlüssel passt, den manche dann doch für das Rätsel Musk gefunden haben wollen: Musk, der Libertäre. Anhänger also einer radikal liberalen Denkrichtung, die sich am schnellsten mit der Aussage eines ihrer Vertreter beschreiben lässt, er habe ja gar nichts gegen den Staat - solange der klein genug sei, um ihn im Fall des Falles in der Badewanne ertränken zu können.

Wohin Libertarismus führt, lässt sich aber nicht nur virtuell beobachten, sondern ganz real in einem Teil Brandenburgs: Für Neubürger wird dort nun der Wasserverbrauch gedeckelt, weil es knapp geworden ist. Einer der Gründe: der enorme Verbrauch des Tesla-Werks. Das freilich wem gehört: Elon Musk.

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