"Querdenken"-Bewegung: Sektenbeauftragter warnt vor Verschwörungsgläubigen

11.1.2021, 16:10 Uhr

In Konstanz veranstaltete die Initiative "Querdenken" einen Gottesdienst und eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen. © Felix Kästle, dpa

"Abstandsregeln - ob physisch oder geistig - sind dringend zu empfehlen", sagte Matthias Pöhlmann von der Evangelischen Landeskirche am Montag in München. Er warf der "Querdenken"-Bewegung, die in mehreren Städten in Deutschland immer wieder zu Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Seuche aufruft, den Missbrauch von religiösen Motiven vor.

Martinsumzüge ideologisch instrumentalisiert

So hatten die Organisatoren einer großen Demonstration in München sie kurzerhand als Gottesdienst auszugeben versucht, um eine Begrenzung der Teilnehmerzahlen zu umgehen. Außerdem seien zum Teil auch Martinsumzüge von Kindern ideologisch instrumentalisiert worden.

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Das Demonstrationsrecht sei zwar ein wertvolles Grundrecht und auch die Diskussion über staatlich verordnete Maßnahmen sei wichtig, betonte der bayerische landeskirchliche Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen bei einem Pressegespräch in München. Dennoch müsse immer auf den weltanschaulichen Hintergrund der Akteure geachtet werden.

Zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft

"Unübersehbar ist schon jetzt, dass Verschwörungstheorien zu einer massiven Polarisierung der Gesellschaft beitragen", heißt es in einer am Montag vorgestellten Neuauflage der Broschüre "Evangelische Orientierungen inmitten weltanschaulicher Vielfalt". Die Handreichung will diverse christliche, religiöse und weltanschauliche Bewegungen darstellen und aus evangelisch-christlicher Perspektive bewerten. Dabei solle sie nicht als Schwarze Liste, sondern als Orientierungshilfe verstanden werden, erklärte Pöhlmann.

Er betonte, dass die zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft von Verschwörungsgläubigen nicht unterschätzt werden solle. Viele der Themen, die Initiativen wie "Querdenken" nun besetzten, waren vorher schon da. Doch jetzt würden sie vernetzt: Impfen, Digitalisierung und Überwachung hätten in der Coronamaßnahmen-Kritik einen neuen gemeinsamen symbolischen Raum.



Und so sei auch aus der "kleinen, aber lautstarken Minderheit" laut Pöhlmann mittlerweile ein "nahezu unüberschaubares Geflecht von Initiativen und Vereinigungen" erwachsen, bei denen häufig nicht mehr direkt ersichtlich sei, wer dahinterstecke. Es handle sich um eine sehr heterogene Gemeinschaft unter anderem aus Impfgegnern, Reichsbürgern, Esoterikern und Anhängern der QAnon Bewegung. Außerdem seien ihre Protagonisten zum Teil sehr gut mit Rechtsextremen und anderen radikalen Gruppierungen vernetzt.

Kirche und Gesellschaft müssten darauf reagieren: "Die Antwort der Kirchen und Gemeinden sollte es in dieser Zeit sein, mit Information und Orientierung, mit Aufklärung und Protest, mit Empathie und Zuhören, mit Gebet und Segen ein starkes Zeichen gegen das Klima des Hasses und Misstrauens zu setzen."