Scholz als Kanzlerkandidaten: Die SPD verordnet sich Ruhe

10.8.2020, 13:03 Uhr
Geht für die SPD ins Rennen: Finanzminister Olaf Scholz.

© Bodo Schackow, dpa Geht für die SPD ins Rennen: Finanzminister Olaf Scholz.

Die Meldung an sich ist nicht überraschend: Dass Olaf Scholz mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit SPD-Kanzlerkandidat wird, das war zu erwarten. Und die Sozialdemokraten hatten kürzlich auch angekündigt, als erste ihren Mann ins Rennen zu schicken - im Spätsommer.

Nun ist es eher noch Frühsommer, und die SPD schafft vollendete Tatsachen. Über 13 Monate vor der Bundestagswahl, die gegen Ende September 2021 stattfinden wird, steht fest, dass der Finanzminister der Mann ist, der für die SPD das Kanzleramt erobern soll.

Zeitdruck? Eher nicht

Ist es sinnvoll, diesen Schritt schon so früh zu gehen? Die Union wird sich durchs Vorpreschen der Union kaum unter Zeitdruck setzen lassen. Nach den Plänen von CDU und auch CSU steht da zunächst mal die Wahl des CDU-Vorsitzenden an, gegen Jahresende. Und danach erst soll geklärt werden, wen die Union für die Merkel-Nachfolge küren werden. Das dürfte also frühestens Anfang 2021 feststehen.

Vieles spricht dafür, dass die Union an diesem Fahrplan festhält. Denn dort müssen sich erst die Fronten (und vor allem Chancen) klären. Aktuell liegt Markus Söder in allen Umfragen klar vorn bei der K-Frage. Die drei Bewerber um den Parteivorsitz folgen weit abgeschlagen - Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Da werden eher Gesundheitsminister Jens Spahn bessere Chancen eingeräumt. Der aber tritt aktuell nur als möglicher Parteivize im Tandem mit Laschet an...


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Da muss sich erst noch einiges zurechtrütteln: Hält der Corona-Manager-Bonus, den sich Söder erarbeitet hat, auch über die kommenden Monate hinweg? Wäre die CDU dann womöglich bereit, einen CSU-Kandidaten zu akzeptieren? Offene Fragen, die nicht jetzt schon beantwortet werden können und müssen.

Eine andere Partei könnte sich eher unter Drück fühlen: die Grünen. Und bei ihnen stellt sich die Frage nach einer Kanzlerkandidatur 2021 erstmals mit voller Wucht - und dringlicher als bei den Sozialdemokraten: Die in den Umfragen stets auf Platz zwei rangierende Partei kann kaum ohne Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen. Und da kommen die beiden Spitzen in Frage - Annalena Baerbock und Robert Habeck, die sich ein durchaus offenes Rennen liefern.

Was erhofft sich die SPD durch die frühe Nominierung? Zum einen dürfte sie Ruhe in den eigenen Reihen schaffen wollen. Bei den Parteioberen ist Scholz unangefochten - auch bei den zumindest glücklos agierenden Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Allerdings ist es noch nicht lange her, als die beiden per Mitgliederbefragung gegen Scholz gewannen und den Finanzminister düpierten.

Und an der SPD-Basis ist der bürgerlich auftretende, Wähler auch rechts von der Mitte ansprechende Scholz durchaus umstritten - das zeigt nicht nur eine dort laufende "NOlaf"-Kampagne gegen Scholz, die im Internet läuft. Wobei sich die Frage stellt: Wofür steht die SPD? Da kommen höchst unterschiedliche Signale.

Was will die SPD?

Erst am Wochenende erklärte Saskia Esken, die SPD würde auch unter einem Grünen-Kanzler in einem Bündnis mit Grünen und Linken mitregieren. Aber passt so eine grün-rot-rote Koalition wirklich zum Kanzlerkandidaten Scholz? Kann die Partei mit solchen Aussagen Wähler von der Union gewinnen? Ziemlich unwahrscheinlich.

Ziemlich wahrscheinlich ist: Olaf Scholz wird noch viel tun müssen, um das Profil der SPD zu schärfen und zu klären. Sonst nämlich dürfte der letzte Sozialdemokrat Recht behalten, der im Kanzleramt saß: Gerhard Schröder sah kürzlich kaum eine Chance für seine Partei, nach 2021 mitzuregieren. Er tippt auf eine schwarz-grüne Regierung, nach der es aktuell in der Tat aussieht. Um die zu verhindern, müsste sich die SPD gewaltig anstrengen - und disziplinieren.

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