So viel Anerkennung wie in keinem anderen Beruf

17.3.2017, 21:58 Uhr
So viel Anerkennung wie in keinem anderen Beruf

© Foto: Stephanie Rupp

Dabei haben wir Frauen und Männer getroffen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: von der Uni-Absolventin einer technischen Fachrichtung, die mit 54 Jahren noch einmal die Schulbank drückt und im neuen Beruf ihre Erfüllung gefunden hat bis zur 23-Jährigen, die aus einer "Altenpflegerinnen-Familie" kommt und die sich keinen schöneren Beruf vorstellen könnte. Und: Es sind auch viele motivierte Männer dabei. Hier fünf ausgewählte Auszubildende.

*Es war einer dieser Momente, in denen Maisara Saleh spürte, dass er genau den richtigen Beruf gewählt hatte: Eine eigentlich bettlägrige Dame, die nicht mehr den Mut und die Motivation verspürte, aufzustehen, hat er auf seiner Pflegestation erfolgreich überredet, es einfach einmal zu versuchen. "Ich habe sie gebeten, aufzustehen, und sie hat mich verblüfft angesehen", berichtet der 27-Jährige, der mit 18 weiteren Schülern im zweiten Ausbildungsjahr ist. Dann habe er ihr gesagt, dass sie ihre Beine anheben und sich auf die Bettkante setzen soll – und sie habe ganz langsam die Beine aus dem Bett genommen.

Was für den einen wie ein kleines Wunder klingen mag, sieht der angehende Altenpfleger als konsequente Umsetzung dessen, was er an der Berufsfachschule tagtäglich lernt: "Ich verstehe es als meine Aufgabe, pflegebedürftigen Menschen zu zeigen, dass sie noch bestimmte Ressourcen haben – und ich ermutige sie dazu, diese zu nutzen", erklärt er. Das sei genau das, was man in der modernen Pflegeausbildung erfahre: wie man Pflegebedürftige dazu bewege, sich wieder mehr selbst zu vertrauen und die eigenen Kräfte zu nutzen.

2100 Stunden theoretischen Unterricht umfasst die dreijährige Ausbildung mit neun Fächern, darunter Altenpflege, Krankheits- und Arzneimittellehre, aber auch Psychologie, Soziologie und Deutsch. Die drei letztgenannten Fächer unterrichtet Christa Schwarz-Lösel hier seit 35 Jahren. Zum Unterricht kommen 2500 Stunden Praxis in Pflegeeinrichtungen.

Der Vorwurf, die Ausbildung sei "niveaulos" habe ihn angesichts des umfangreichen, anspruchsvollen Stoffs schwer getroffen, sagt Saleh. Die anderen stimmen ihm zu und lassen ihrer Empörung freien Lauf.

Trotzdem fühlten sie sich im Alltag keineswegs überfordert. Natürlich sei die Arbeit auf der Pflegestation, auf der er arbeitet, an manchen Tagen nicht leicht, sagt Saleh. "Wenn wir mal zu zweit sind, weil jemand ausfällt, frage ich mich, wie wir die ganze Station managen sollen." Da komme es vor, dass er bei Arbeitsende um 14.30 Uhr "fix und fertig" sei. Trotzdem bleibe er motiviert, weil er weiß, dass er etwas Sinnvolles geleistet hat. Zum Ausgleich treibt er Sport oder trifft sich mit Freunden.

Versteckt habe er sich wegen seiner Berufswahl nie. "Im Gegenteil. Ich werbe im Bekanntenkreis für diesen erfüllenden Beruf und kläre auf, was wir genau machen", sagt er. Denn Vorurteile wie man sei doch nur der "A-Abputzer" existierten leider immer noch. Dabei bestehe die Hauptarbeit darin, Menschen eine Tagesstruktur zu geben, Medikamente zu verabreichen, Verbände zu machen, mit Ärzten und Angehörigen zu sprechen. Vor allem aber, die Pflegebedürftigen noch über möglichst viele Jahre durch ein würdevolles Leben zu begleiten.

*"Wir erhalten die Selbstständigkeit der alten Menschen", sagt auch Denny Hemerka. Der 37-Jährige hat eine Ausbildung als Pflegefachhelfer gemacht und ist seit 1999 im Beruf. "Ich wollte unbedingt noch besser pflegen lernen und habe mich deshalb entschlossen, nochmal die Schulbank zu drücken." Nun steht er mit 16 weiteren Schülern im dritten Ausbildungsjahr kurz vor der Abschlussprüfung – und bereut seine Entscheidung keine Sekunde. Vieles, was er als Altenpflegehelfer nicht wusste, habe er jetzt durch das geballte Zusatzwissen, viele neue Erfahrungen und regelmäßige Supervision erfahren. "Die Ausbildung ist knackig und kernig, aber gut."

Schön findet er die Anerkennung, die er in der Altenpflege erfahre. "Ich finde es erfüllend, wenn ich zur Arbeit komme und ein Bewohner mich anstrahlt und sagt: "Schön, dass Sie da sind". Er bekomme soviel Anerkennung – von Pflegebedürftigen, von Angehörigen und Freunden. Er habe schon zwei Bekannte für den Beruf begeistern können. Wer sich dafür interessiert, dem empfiehlt er aber immer, erst mal ein paar Tage Praktikum zu machen, um zu sehen, ob die Arbeit auch wirklich zu einem passt.

*Eher zufällig reingerutscht in den Beruf ist die Seiteneinsteigerin Elke Seidl. Noch vor ein paar Jahren hätte sich die 55-Jährige beim besten Willen nicht vorstellen können, dass sie mit 51 noch einmal die Schulbank drücken würde. Doch genau das hat die Absolventin der Werkstoffwissenschaften mit Uni-Abschluss getan. Und in den vergangenen drei Jahren zwischen 100 und 120 Leistungsnachweise erbracht. Dieses Jahr macht sie ihre Abschlussprüfung. Vor allem aber übe sie heute einen Beruf aus, "der nicht nur mit Papier und Labor zu tun hat, sondern mit Menschen". Früher sei sie in einem metallverarbeitenden Betrieb für die Qualitätssicherung zuständig gewesen – "ich habe mich in diesem Männerberuf als Frau allein gefühlt", sagt sie rückblickend. Heute arbeitet sie bei einem ambulanten Pflegedienst – "und helfe Menschen dabei, so lange wie möglich zuhause bleiben zu können".

Wie es dazu kam? Am Ende ihrer zehnjährigen Familienphase spielte sie Saxophon bei einer Altenmesse in Igensdorf. Dort gab es einen Aushang, dass die Diakonie Kräfte für die Altenpflege sucht und ausbildet. Die Akademikerin entschied sich für die Rückkehr auf die Schulbank.

*Dass eine Altenpflegeausbildung nichts mit dem Alter zu tun hat, dass gerade auch Quereinsteiger sehr willkommen – und nicht weniger motiviert sind – zeigt auch das Beispiel von Elke Michel-Gerstacker. Die 54-Jährige kommt wie Elke Seidl aus einem anderen Beruf. Sie war bis vor zehn Jahren Konditormeisterin. Sie trennte sich von ihrem Mann – und suchte beruflich eine neue Herausforderung. Die fand sie in der Pflege. Hier wollte sie sich fachlich gut qualifizieren. Jetzt oder nie, sagte sie sich dann vor knapp drei Jahren – und schrieb sich für die Ausbildung ein.

Sie habe dort viele wertvolle Dinge gelernt, die sie früher eher intuitiv gemacht hat, aber ohne das nötige Fachwissen – etwa Menschen, die bettlägrig sind so zu lagern, dass sie sich nicht wundliegen. Das Know-how für die richtige Dekubitus-Prophylaxe sei sehr wichtig und nur eines von vielen Beispielen.

Nach dem Blockunterricht freut sie sich jedes Mal, wieder ins Heim in Rupprechtstegen zur Arbeit zurückzukehren. "Ich gehöre dort schon zur Familie", sagt sie und lächelt. "Es ist so schön zu sehen, dass sich die Menschen freuen, wenn ich zurück bin. Und ich freue mich mit ihnen." Auch sie findet die Arbeit manchmal stressig und die Arbeit in den drei Wechselschichten durchaus anstrengend – aber ihr Hund und die demnächst anstehende Renovierung eines Hauses böten Möglichkeiten zum Abschalten. Gute Dienstpläne und ein gut eingespieltes Team seien in jedem Fall sehr wichtig.

*Einen anderen Beruf zu erlernen als Altenpflegerin? Das war für Carina Deckertnie vorstellbar. "Ich bin quasi in eine Altenpflegefamilie hineingeboren", sagt die 23-Jährige und lächelt über das ganze Gesicht. Wie das geht? Ganz einfach: Ihre Mutter ist seit 1995 Altenpflegerin – "und aus ihrem Mund habe ich noch nie ein schlechtes Wort über den Beruf gehört", sagt die Alleinerziehende, die eine zweijährige Tochter hat. Da konnte die Tochter quasi nicht anders, als selbst in die Branche einzutreten

Zwei ihrer Schwestern haben den Beruf ebenfalls ergriffen. Carina Deckert absolviert den praktischen Teil ihrer Ausbildung bei einem ambulanten Pflegedienst in Hersbruck, wo sie vormittags etwa zehn bis 13 Menschen zuhause versorgt. Am Nachmittag arbeitet sie mit elf bis 18 Gästen in der Tagespflege. "Wir sind alle mit ganzem Herzen dabei", sagt sie über sich selbst, ihre Mutter und ihre Schwestern, die alle die gleiche Leidenschaft für den Beruf teilen.

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