SPD-Parteivorsitz: Füllt ein Oberbürgermeister die Lücke?

24.6.2019, 13:10 Uhr
Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung ist seit vielen Jahren im Amt - er darf sich angesprochen fühlen vom Vorschlag des Parteikollegen Martin Dulig.

© Hans von Draminski, NN Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung ist seit vielen Jahren im Amt - er darf sich angesprochen fühlen vom Vorschlag des Parteikollegen Martin Dulig.

"Ich würde mich freuen, wenn einer unserer erfolgreichen Oberbürgermeister die Herausforderung annimmt", sagte der Ostbeauftragte Dulig der Welt (Montag). "Mir fallen schon einige Leute in den Städten und Ländern ein, die ich für fähig halte. Die kennt man vielleicht in Berlin noch nicht. Aber das lässt sich ändern."

Thomas Jung hört das mit Interesse. "Immer, wenn die SPD in Berlin nicht mehr weiter weiß, bekommt die Kommunalpolitik viel Aufmerksamkeit." Viel mehr als "eine Welle, die schnell wieder zur Ebbe wird", sei dieser Vorschlag für ihn nicht. "Statt dem Ruf gleich an die Spitze halte ich eine nachhaltige Wertschätzung der Kommunalpolitiker für wünschenswerter."

Als Fürther Rathaus-Chef habe er bereits eine 60-Stunden-Woche. Als Parteivorsitzender kämen noch einmal 60 Stunden hinzu. "Für amtierende Oberbürgermeister halte ich dieses Pensum für schwierig." Regelmäßig Erfahrungen von der Basis gen Hauptstadt weitergeben - dagegen hat Thomas Jung nichts. "Nur eben nicht als Alibi, sondern echt. Und auch dann, wenn unsere Ideen nicht immer Mainstream sind."

Nürnbergs OB Ulrich Maly teilt die Ansicht seines Kollegen: "Es gibt zwei sehr gewichtige Hindernisse: Das Amt des OB ist schon zeitlich kaum vereinbar mit einem SPD-Spitzenamt. Und außerdem ist es leider so, dass es extrem schwer ist, im durchaus auch selbstreferentiellen Berliner Politikbetrieb als Bürgermeister die notwendige Akzeptanz zu finden."

Maly, der zur Kommunalwahl im kommenden März nicht wieder als OB-Kandidat antritt und deshalb dann mehr Zeit zur Verfügung hätte, sagt dennoch: "Für mich ist die Frage beantwortet: Nein."

Zeitlich nicht machbar

Ähnlich sieht das auch Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik: "Für mich persönlich ist das nicht denkbar, und ich halte es mit den Terminverpflichtungen eines OB auch nicht für vereinbar", erklärt der 39-Jährige. "Ich glaube nicht, dass es als Oberbürgermeister oder Erster Bürgermeister zeitlich möglich ist, den Parteivorsitz zu übernehmen". Zugleich würde er sich aber wünschen, dass seine SPD "das, was Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker täglich erleben, auch häufig und immer häufiger ernst nimmt".

"Ich war und bin kein Freund der GroKo und das Signal der Bevölkerung bei den Wahlen ist ähnlich. Wir sollten die GroKo auflösen und diesen Schritt in Bälde tun. Ein ernsthafter Neuanfang an der Parteispitze muss sich personell widerspiegeln, es muss also jemand sein, der bisher nicht in der erste Reihe stand", sagte Forchheims Oberbürgermeister Uwe Kirschstein nach dem Rücktritt von Andrea Nahles vor wenigen Wochen. Seine Einschätzung habe sich nun, durch die Forderungen Oppermanns und Duligs "jemanden aus der zweiten Reihe" zu benennen, manifestiert, so Kirschstein. Zum Vorschlag von Bundestagsvizepräsident Oppermann, auch Nicht-Mitglieder an der Wahl teilnehmen zu lassen, meint Forchheims OB: "Ich finde es gut, auch Nichtmitglieder an dieser Wahl, Auswahl und Meinungsbildung teilnehmen zu lassen." Kirschstein sieht darin eine "erhebliche Außenwirkung". "Gerade wenn man den Anspruch hat eine Volkspartei zu sein, muss man auch das Volk vertreten können."

Fünf Euro für eine Stimme?

Beim Treffen der SPD-Spitze an diesem Montag geht es auch um die Frage, wie die rund 438.000 Mitglieder beteiligt werden sollen und ob es eine Doppelspitze geben soll. Derzeit führen die Ministerpräsidentinnen von Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, Malu Dreyer und Manuela Schwesig, sowie der hessische Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel kommissarisch die Partei. Außerdem soll der Weg zur Halbzeitbilanz der großen Koalition vorgezeichnet werden.

Erwartet wird, dass das Parteipräsidium mehrere Vorschläge vorlegt und der Vorstand darüber abstimmt.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann warb dafür, dass die SPD bei Abstimmungen über Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur auch Nicht-Mitglieder teilnehmen lässt. "Diese Entscheidungen auch für interessierte Bürger zu öffnen, die sich zum Beispiel für eine Kostenbeteiligung von fünf Euro für eine Wahl registrieren lassen, wäre ein mutiger Schritt", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag).

Entscheidungen über Wahlprogramme oder Koalitionen sollten nach Oppermanns Aussage dagegen wie bisher ausschließlich die SPD-Mitglieder treffen. "Bei Parteivorsitzenden oder Kanzlerkandidaten sehe ich das anders. Hier kommt es mehr darauf an, Leute auszuwählen, die nicht nur in der Partei, sondern auch bei der Bevölkerung ankommen." Ohne Risikobereitschaft, neue Wege auszuprobieren, werde die SPD nicht aus dem Keller kommen. "Wenn wir dagegen Offenheit signalisieren und echte Partizipation anbieten, machen wir die SPD wieder zu einem gesellschaftlichen Projekt."

Dieser Artikel wurde um 13.10 Uhr aktualisiert.

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