Streit um Rundfunkgebühren: Spaltet Sachsen-Anhalt die Union?
06.12.2020, 17:23 Uhr
Niemand kann bezweifeln, dass die Union das wichtigste Parteiengefüge in Deutschland ist. Seit vielen Jahren führen CDU und CSU alle Umfragen auf Bundesebene an und haben gute Chancen, den nächsten Kanzler zu stellen. Deswegen muss man jede Krise bei einer der Schwesterparteien aufmerksam beobachten.
Die Entwicklung in Sachsen-Anhalt fällt in diese Kategorie. Dort drohte den Christdemokraten zwischenzeitlich eine komplette Landtagsfraktion abhanden zu kommen. Die Gefahr ist immer noch nicht gebannt. Vordergründig geht es um die Zustimmung zur Erhöhung der Rundfunkgebühren, in Wahrheit aber um eine tief sitzende Verstimmung zwischen manchen ostdeutschen Landesverbänden und der Bundespartei.
Während in den anderen Verbänden die Gebührenerhöhung durchgewunken wurde, wenn auch oft mit Bauchschmerzen, will sich die Landtagsfraktion in Magdeburg partout nicht damit abfinden. Diese Weigerung wäre noch im Bereich des Üblichen. Man kann ja als Politiker(in) tatsächlich gute Gründe dafür anführen, warum in Zeiten der Corona-Krise bei den öffentlich-rechtlichen Sendern das Sparen angesagt wäre und keine, auch nicht eine noch so kleine Erhöhung.
Für Empfehlungen aus Berlin nicht mehr zugänglich
Problematisch wird die Angelegenheit durch drei Faktoren. Erstens: Die Abgeordneten in Sachsen-Anhalt erwecken den Eindruck, dass sie sich in den Gebührenfrage in einer Art "informeller Koalition" mit der AfD befinden. Die eigentlich unter allen Parteien vereinbarte Brandmauer zu den Rechtspopulisten kommt damit ins Wackeln. Zweitens: Den Christdemokraten ist das Thema sogar das Auseinanderbrechen der ohnehin sehr mühsam zu Stande gekommenen Regierungskoalition wert. Drittens: Für Einflüsse und Empfehlungen aus der Bundespartei scheinen die Betroffenen nicht mehr empfänglich.
Genau an dem Punkt wird der Magdeburger Lokalstreit zu einer Sache, welche die ganze Republik interessieren muss. Das politische Virus hat um sich gegriffen. Das Konrad-Adenauer-Haus, die Parteizentrale in Berlin, wird schon zum zweiten Mal nacheinander von einem östlichen Landesverband vorgeführt. Zunächst war es die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich in Thüringen zum Ministerpräsidenten gewesen (mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD), bei der ein Landesverband von der gemeinsamen Linie abwich, nun ist es die eigentlich unwichtige Frage der Rundfunkgebühren.
Nach Fall eins, der sich Anfang 2019 ereignete, hat Annegret Kramp-Karrenbauer ihren (bis heute nicht erfolgten) Rückzug von der Parteispitze erklärt. Nun trifft es die Christdemokraten in der schwierigen Phase kurz vor der Wahl eines neuen Vorsitzenden. Momentan scheint es überaus fraglich, ob einer der drei Bewerber (Laschet, Merz, Röttgen) in der Lage sein wird, die parteiinternen Lager zu versöhnen. Ein Scheitern und damit ein Ausfall der CDU als verlässliche Kraft wäre schlecht für Deutschland.
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