Neue Proteste angekündigt

Superkleber und Windeln bei Straßenblockaden: So tickt die "Letzte Generation"

Eva Orttenburger

Online-Redaktion

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14.11.2022, 12:01 Uhr
Klimaaktivisten nutzen mittlerweile Superkleber bei ihren Straßenblockaden - einige von ihnen tragen auch Windeln während des Protests. (Symbolfoto)

© IMAGO/Sachelle Babbar, IMAGO/ZUMA Wire Klimaaktivisten nutzen mittlerweile Superkleber bei ihren Straßenblockaden - einige von ihnen tragen auch Windeln während des Protests. (Symbolfoto)

In großen Städten wie Berlin oder Frankfurt gehören die Straßenblockaden und Klebe-Aktionen der "Letzten Generation" schon zum altbekannten Bild. Unzählige Male musste die Polizei in den vergangenen Wochen und Monaten ausrücken und die Demonstranten mit Speiseöl von der Straße lösen oder Anzeigen in Kunstmuseen gegen die Störenfriede aufnehmen. Die Aktivisten wollen mit ihren aufsehenerregenden Aktionen vor allem Aufmerksamkeit für die weltweite Klima-Krise generieren. Auch konkrete Forderungen an die Politik, wie das Festhalten am Neun-Euro-Ticket, werden bei einigen Aktionen genannt.

Doch in der breiten Bevölkerung sorgt die radikale Vorgehensweise teils für heftige Kritik. Die "Letzte Generation" ist längst zu einem umstrittenen Politikum geworden. Ein rasches Ende der Aktionen ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Aktivisten werden in ihrem Vorgehen immer professioneller.

Wie die Bild-Zeitung berichtet, gibt es mittlerweile sogenannte "Aktionstrainings", die die Organisation veranstaltet. Dabei werden Szenarien im Vorfeld der Demonstrationen geübt. Heulende Polizei-Sirenen, wütende Autofahrer, Kommunikation mit den Beamten, Verhalten bei der Festnahme - all das wird bei Proben simuliert, bevor die Aktivisten zur Tat schreiten. Vor allem bei großen Blockaden mit zahlreichen Teilnehmenden kann es oftmals dauern, bis die Demonstranten von der Straße gelöst werden. Einige von ihnen tragen daher Windeln für Erwachsene, falls zwischendurch die Blase drückt.

Auch beim Kleben sind die Aktivisten bereits "erfinderischer" geworden. Der handelsübliche Sekundenkleber wird teilweise gegen einen Superkleber ausgetauscht, bei dem verschiedene Materialien kombiniert werden, um einen stärkeren und längeren Halt auf dem Asphalt zu erzielen. Dies berichtet ein Klimaaktivist der Mediengruppe Bayern.

"Friedlicher ziviler Widerstand, um Dinge zu verändern"

Doch was treibt die Aktivisten an, in Windeln in der Kälte auszuharren und durch ihre Aktionen Bußgelder und Festnahmen zu riskieren? Die Nürnbergerin Maja Winkelmann erklärt im Gespräch mit unserem Medienhaus, dass die bisherigen Proteste etwa bei Fridays for Future nicht zu den notwendigen Veränderungen beim Klimaschutz geführt haben. Die Regierung hätte ihren Kurs kaum geändert. "Daher setzen wir auf friedlichen zivilen Widerstand, der ein sehr effektives Mittel sein kann, um Dinge zu verändern", so die 24-Jährige.

Die Studentin hat bereits an mehreren Aktionen der "Letzten Generation" teilgenommen. Unter anderem enterte sie das Brandenburger Tor in Berlin und klebte sich an einen Bilderrahmen in der Berliner Gemäldegalerie fest. Winkelmann betont, dass sie stets darauf achte, keinen Schaden anzurichten. Die angegriffenen Kunstwerke waren hinter Glas, sodass sie selbst nicht zerstört wurden. Auch über die Straßenblockaden sagt sie: "Wir wollen auf keinen Fall Leben gefährden - wir kämpfen ja dafür, dass wir alle ein Leben vor uns haben."

Was Maja Winkelmann über härtere Strafen für Klimaaktivisten denkt und wie sie mit Kritik aus der Bevölkerung umgeht, lesen Sie im Hintergrundartikel auf NN.de.

Diesen "Kampf" verfolgt die "Letzte Generation" auch in der neuen Woche. Am Montag haben die Aktivisten abermals drei Autobahnen in Berlin blockiert, um die Regierung zu einer radikaleren Klimapolitik zu bewegen. Die Proteste finden auch vor dem Hintergrund der in München inhaftierten Straßenblockierer statt. Seit zehn Tagen sitzen in der JVA Stadelheim Aktivisten zwischen 19 und 63 Jahren ein, die als Wiederholungstäter immer wieder auftreten könnten. Laut "Letzter Generation" hätten diese Menschen "friedlich Widerstand gegen das verfassungswidrige Versagen der Bundesregierung im Klimanotfall geleistet" - sie sollten dringend freigelassen werden.

Anders sieht das Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er verteidigt die 30-Tage-Haft als legitimes Mittel des Rechtsstaates. Es gehe ihm darum, angekündigte oder absehbare Straftaten zu verhindern. "Es gibt kein Anliegen, dass es rechtfertigen würde, Gesetze zu brechen", konkretisiert er. Ob die Unterbringung in Gefängnissen die Aktivisten der "Letzten Generation" wirklich von ihrer Mission abhalten kann, bleibt abzuwarten. Bislang gibt es ein solches Vorgehen von Justiz und Polizei nur in Bayern.

"Wir würden unsere Aktionen sofort beenden, sollte die Regierung unsere Forderungen nach ersten klimapolitischen Maßnahmen umsetzen: Also ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und die Wiedereinführung des 9 Euro Tickets. Bis es soweit ist, werden wir weiter täglich Straßen blockieren", erklärt Lisa Winkelmann, die Schwester von Aktivistin Maja Winkelmann, in einer neuen Pressemitteilung der "Letzten Generation". Die Fronten bleiben somit weiterhin verhärtet, ein Ende der Proteste scheint noch nicht in Sicht.