Trump und der Angriff aufs US-Kapitol: Die Geister, die er rief

7.1.2021, 05:05 Uhr
Bewaffnete Sicherheitskräfte im Kapitol: In Washington spielen sich dramatische Szenen ab.

© PAT BENIC via www.imago-images.de, imago images/UPI Photo Bewaffnete Sicherheitskräfte im Kapitol: In Washington spielen sich dramatische Szenen ab.

Ausgerechnet jetzt, so kurz vor dem Ende. Erst berichtet das gewöhnlich gut informierte Magazin Politico, Donald Trump habe seine Niederlage im kleinen Kreis inzwischen eingestanden, dann stürmen nur Stunden später Anhänger des US-Präsidenten das Herz der amerikanischen Demokratie, das Kapitol.

Wer glaubte, der Kampf um die Präsidentschaft sei längst ausgestanden, sieht sich angesichts der Bilder aus Washington eines Besseren belehrt. Der Sturm aufs Parlament erweckt die Furcht zu neuem Leben, der kalte Bürgerkrieg, in dem sich die Vereinigten Staaten befinden - ein Land unversöhnlich gespalten zwischen Liberal und Konservativ, Stadt und Land, Reich und Arm - , dieser kalte Bürgerkrieg könne womöglich ein heißer werden.

Wer Trump von jeglicher Mitverantwortung freisprechen will, wird sich nun darauf beziehen, dass er in seinen jüngsten Tweets die Gewalt doch verurteile, ja zur Unterstützung der Sicherheitskräfte vor Ort aufrufe.

Die Wut angeheizt

Und doch liegt die Sache freilich anders. Mehr als vier Jahre lang hat Donald Trump zur Verrohung Amerikas beigetragen, die Wut seiner Anhänger angeheizt, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie erschüttert.

Schon als Präsidentschaftskandidat 2016 heißt er Gewalt gegen Andersdenkende gut. Über einen Störer bei einer Wahlveranstaltung sagt Trump, er würde ihm "gern ins Gesicht schlagen". Seine Anhänger jubeln.


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Von diesem Auftritt führt eine rote Linie nach Charlottesville, wo weiße Rassisten 2017 aufmarschieren. Statt die tödliche Amokfahrt in der Stadt zu verurteilen und sie das zu nennen, was sie ist - nämlich rechtsextremer Terrorismus - sieht der US-Präsident pauschal "Gewalt von vielen Seiten".

Kurz vor der Wahl 2020 ruft Trump dann die Miliz der "Proud Boys" auf, sich "zurück- und bereitzuhalten" ("stand back and stand by") - und das vor Millionenpublikum. Am Wahlabend selbst marschieren schließlich bewaffnete Anhänger vor einem Auszählungslokal in Arizona auf. Es scheint, als genüge ein Funke, um die Gewalt eskalieren zu lassen.

Dieser Gewalt, die sich nun in Washington endgültig Bahn bricht, hat Trump mit seiner Rhetorik den Boden bereitet - und der amerikanischen Demokratie schwersten Schaden zugefügt. Und das aus einem einzigen Motiv: Eigennutz.

Es ist Zeit, dass auch die Republikaner dem ein Ende bereiten. Nur noch bis 20. Januar ist Donald Trump zwar im Amt – und doch scheint jeder Tag bis dahin ein Tag zu viel.

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