Im Koalitionsvertrag
Verband alarmiert: Kommt mit der Höchstarbeitszeit Ausbeutung bestimmter Branchen?
13.05.2025, 04:55 Uhr
In dem von SPD und Union gemeinsam vorgestellten Koalitionsvertrag erklären die Regierungspartner unter dem Punkt „Arbeitsrecht“, dass sie den grundlegenden Arbeitstag umstrukturieren wollen. Angesichts der Wandel in der Arbeitswelt wolle man „mehr Flexibilität“ für Beschäftigte und Unternehmen schaffen. Deswegen will die neue Regierung statt einer täglichen Höchstarbeitszeit eine wöchentliche einführen. Das sei „im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, heißt es in dem Papier.
Geplant ist, dass Beschäftigte künftig auch mehr als acht Stunden am Tag arbeiten können. Gleichzeitig sollen Standards des Arbeitsschutzes und geltende Ruhezeitregelungen gewahrt werden. Die Gewerkschaften bezweifeln jedoch, dass Flexibilität tatsächlich mehr Freiheit bringen.
Gewerkschaften: Regierungspläne seien gefährlich und kontraproduktiv
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in der Region Nürnberg-Fürth etwa warnt vor XXL-Arbeitstagen. Eine Änderung des Arbeitsgesetzes werde, laut Regina Schleser, Nürnberger Geschäftsführerin, in Nürnberger Betrieben zu „Stoßarbeitszeiten und Überstundenbergen führen“. Wenn der 8-Stunden-Tag kippt und der „‘10 plus X‘-Stunden-Tag“ kommt, dann würden viele bis an ihr Limit arbeiten: „Das ist nichts anderes als Gummiband-Arbeitszeit. Dabei ziehen die Beschäftigten ganz klar den Kürzeren“, betont Schleser.
Wegen fehlender Konzentration würde durch die längeren Arbeitstage die Unfallgefahr steigen, warnt die Geschäftsführerin der NGG-Nürnberg-Fürth. Zudem wirken sich die Überlangen auf das Private enorm aus: „Von Kleinkindern bis zu Angehörigen, die Pflege brauchen: Zeit in der Familie ist dann nicht mehr planbar. Freizeit für Freunde, Hobbys oder ein Ehrenamt ebenso nicht“.
Auch dass Überstunden attraktiver gemacht werden sollen, sei kontraproduktiv: „Dadurch wird der Überstundenberg aber nur noch weiter anwachsen. Gleichzeitig machen die Unternehmen einen Bogen darum, neue Leute einzustellen. Im Grunde ist das ein Projekt, das neue Jobs verhindert“, kritisiert Schleser.
Nach Vorstellung des Koalitionsvertrags hatte auch ver.di die Vorhaben stark kritisiert. Laut Gewerkschaft öffne eine wöchentliche Höchstarbeitszeit dem Missbrauch Tür und Tor: „Das Arbeitszeitgesetz schützt Menschen, die ohnehin unter prekären Bedingungen arbeiten müssen – deshalb darf es nicht ausgehöhlt werden“, erklärte ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (dpa) warnt der Verdi-Chef vor der weiteren Belastung tausender Beschäftigter.
Laut Wernke schieben deutsche Beschäftigte nämlich bereits jetzt 600 Millionen Überstunden vor sich her. In Deutschland werde weiter nicht zu wenig gearbeitet. Gegenteilig finden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wegen der Arbeitsbelastung keine Zeit, um Überstunden abzubauen.
Handelsverband Deutschland: „Es wird Zeit“
Alexander von Preen, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE) und ehemals Vorsitzender der Bundesfachkommission Retail im Wirtschaftsrat der CDU, hat sich gegenüber der Funke Mediengruppe für die wöchentliche Höchstarbeitszeit ausgesprochen. Demnach wollen nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Mitarbeitende mehr Flexibilität. „Es wird also Zeit, dass wir diese Spielräume auch in Deutschland endlich voll ausschöpfen“, zitiert die dpa ihn.
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