Vernetzung des Alltags: Der Preis der Bequemlichkeit

23.2.2017, 09:00 Uhr
In einigen Jahren wird es wahrscheinlich schwierig sein, sich ein Auto zu kaufen, die nicht mit dem Internet verbunden sind, die nicht Daten sammeln und auf Server irgendwo in der Welt schicken.

© Peter Steffen (dpa) In einigen Jahren wird es wahrscheinlich schwierig sein, sich ein Auto zu kaufen, die nicht mit dem Internet verbunden sind, die nicht Daten sammeln und auf Server irgendwo in der Welt schicken.

Die Vernetzung aller Dinge des täglichen Lebens ist keine Zukunftsvision mehr, sie ist längst Realität – und sie erreicht zunehmend unseren Alltag. Viele der internetfähigen Produkte sind heute noch teuer und eher eine Spielerei für technisch interessierte Menschen mit großem Geldbeutel. Das wird nicht lange so bleiben. In einigen Jahren wird es wahrscheinlich schwierig sein, sich ein Auto oder eine Waschmaschine zu kaufen, die nicht mit dem Internet verbunden sind, die nicht Daten sammeln und auf Server irgendwo in der Welt schicken.

Um das vorauszusagen, braucht man kein Prophet zu sein. Es reicht ein Blick auf die Entwicklung des Smartphones, das heute wegen seines erschwinglichen Preises selbst die ärmsten Teilen der Welt erreicht und erobert hat.

"Habe ja nichts zu verbergen"

Dass der Prozess der Vernetzung des Alltags immer weiter voranschreitet, hat einiges mit der Lethargie vieler Bürger zu tun, die die Annehmlichkeiten – die etwa ein Smartphone ohne Frage bietet – als eine Segnung entgegennehmen, ohne aber zu bedenken, dass die ungehemmte Digitalisierung im Namen der Bequemlichkeit einen Preis hat. Und dieser Preis ist gewaltig.

Die Konsequenzen gehen dabei weit über die zweifellos wichtigen Haftungsfragen und die Unwägbarkeiten für den Arbeitsmarkt in einer Welt der Roboter hinaus. Die Digitalisierung, sie bedroht die Freiheit, wie wir sie kennen.

Wer solche Mahnungen ausspricht, dem wird meist entgegengehalten: "Was macht es schon, wenn gespeichert ist, wo ich bin, wie ich lebe, was ich einkaufe – ich habe ja nichts zu verbergen." Eine Bemerkung, die nichts anderes ist als in Worte gegossene Bequemlichkeit. Ausrede dafür, nicht dagegen aufstehen zu müssen, wenn der Geheimdienst NSA unsere E-Mails und unsere privaten Fotos auswertet oder Privatkonzerne wie Facebook protokollieren, was wir uns ansehen im Internet.

Verlust aller Rückzugsräume

Die Bedrohung unserer Freiheit liegt hier: im Verlust unserer Privatsphäre und Rückzugsräume. Einen Verlust, den wir digital schon erlitten haben und den wir jetzt, mit smarten Kühlschränken und Autos, noch einmal erleiden im Alltag und dem Teil unseres Lebens, der noch nicht digitalisiert ist.

Menschen verändern ihr Verhalten, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden (oder wenn die Möglichkeit besteht, dass sie beobachtet werden könnten). Sie tun dann, was von ihnen erwartet wird, und vermeiden, was als abweichlerisch wahrgenommen werden könnte. Sie – wir – verlieren damit den Raum, frei von den Wertungen anderer Fehler machen, experimentieren zu können; verlieren damit einen Teil dessen, was es ausmacht, ein Mensch zu sein (und nicht bloß Arbeitskraft und Konsument).

Das Wissen, dass der Entzug der Privatsphäre ein viel effizienteres Mittel ist, um Konformität zu erzwingen, als etwa eine große Polizeipräsenz, haben sich repressive Regime zunutze gemacht. Das Überwachungspotenzial der NSA mag vielen nicht derart bedrohlich erscheinen – die USA sind ja eine Demokratie. Aber können wir da unter einem Präsidenten Trump auch noch so entspannt sein?

Privatheit wird auch im 21. Jahrhundert noch existieren. Sie wird aber auch eine Frage des Geldes sein. Das zeigt eine Meldung von vor einem Jahr. Damals verbannte Porsche Google aus seinen Autos – weil es zu viele Daten sammelt. Einen Porsche muss man sich aber erst einmal leisten können.

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