Waffengesetze: Amerika lebt mit seinen Toten

31.3.2021, 20:36 Uhr
Am 25. März wurde dieser Supermarkt in Boulder/Colorado Schauplatz einer Schießerei, bei der zehn Menschen ums Leben kamen.

© Chet Strange, AFP Am 25. März wurde dieser Supermarkt in Boulder/Colorado Schauplatz einer Schießerei, bei der zehn Menschen ums Leben kamen.

In den Vereinigten Staaten streitet man sich sogar noch darüber, wie man eine Massenschießerei definiert, also ob es Todesopfer geben muss, wieviele, oder ob es dann auch eine Massenschießerei ist, wenn es “nur” Verletzte gibt. Das alleine zeigt schon, wie irrsinnig diese Diskussion um Waffengesetze wirklich ist und geführt wird. Gewaltpräventionsexperten und Wissenschaftler vertreten die Haltung, dass es eine Massenschießerei ist, wenn es vier oder mehr Opfer gibt: Verletzte und/oder Tote. Wenn man nun diese Definition hernimmt, dann muss (Stand 31. März) bereits von 117 Massenschießereien in den USA in diesem Jahr gesprochen werden. Hinzu kommen Hunderte weitere Schießereien mit weniger als vier Opfern. Amerikas Straßen sind blutüberströmt.


Colorado: Schütze tötet zehn Menschen in Supermarkt


Mit Joe Biden im Weißen Haus sitzt zwar ein Präsident in Amt und Würden, dem ich durchaus glaube, dass er gerne etwas ändern würde. Doch er kann nicht, denn die Mehrheit der Demokraten im Kongress ist alles andere als überzeugend und sie ist auch nicht stabil. Viele demokratische Abgeordnete und Senatoren unterstützen keine strengeren Waffengesetze, gerade wenn sie aus ländlichen Gegenden oder Staaten im Mittleren Westen kommen. Dort gehört eine Knarre einfach dazu. Selbst die allgemeine Registrierung von Schußwaffen, der Verbot von militärischen Gewehren und Magazinen mit mehr als 15 Patronen wird kaum durchsetzbar sein.

Im Nachgang des Vorfalls in Boulder kam es am Colorado State Capitol in Denver zu einer Demonstration für strengere Waffengesetze.

Im Nachgang des Vorfalls in Boulder kam es am Colorado State Capitol in Denver zu einer Demonstration für strengere Waffengesetze. © Michael Ciaglo, AFP

Es ist nicht so, dass Amerika seine Waffen liebt. Nur etwa ein Fünftel der Amerikaner besitzt eine Knarre. Amerikaner machen nur 4 Prozent der Weltbevölkerung aus, sie sind jedoch zu 40 Prozent in Besitz der Gesamtzahl der Waffen in Privatbesitz weltweit. Es wird geschätzt, genaue Erhebungen gibt es nicht, dass in den Vereinigten Staaten rund 400 Millionen Schußwaffen im Umlauf sind, was bedeutet, dass nur wenige Prozent der Waffenbesitzer riesige Arsenale an “Guns” und Munition gehortet haben. Ein Ende ist nicht in Sicht. Allein im vergangenen Mai wurden 1,7 Millionen Schußwaffen gekauft, das sind 700.000 mehr als im Mai 2019. Die bevorstehende Präsidentschaftswahl und die irrationale Debatte um Covid-19 führte in den USA zu einem Ansturm auf die “Gun Stores”.

Schusswaffen sind in den Vereinigten Staaten vergleichsweise leicht zu bekommen.

Schusswaffen sind in den Vereinigten Staaten vergleichsweise leicht zu bekommen. © Michael Ciaglo, AFP

Und von den Amerikanern, die eine Pistole oder ein Gewehr besitzen sind gerade mal 5,5 Millionen Menschen in der “National Rifle Association”, der lautstarken Lobby Gruppe der Waffenbesitzer organisiert. Doch gerade diese Organisation und nun auch einige neu gewählte Kongressabgeordnete wie Marjorie Taylor Greene aus Georgia oder Lauren Boebert aus Colorado sehen sich als VerteidigerInnen eines vermeintlichen Grundrechts auf Waffenbesitz. Greene und Boebert lassen sich mit ihren Schießeisen ablichten, als wäre das ganz normal.


Nächtliche Schüsse: USA bleiben auch mit Biden gespalten


Der Besitz einer Knarre wird da mit der Verteidigung von Frieden, Freiheit und dem “American Way” gleichgesetzt. Diese Minderheit in den USA bestimmt die Debatte, entscheidet darüber, dass es keine einschneidenden Waffengesetze geben wird. 117 Massenschießereien, Hunderte Tote und Verletzte allein in diesem Jahr werden nicht zu einem Wachrütteln führen. Ich weiß nicht, wie oft ich schon nach Amokläufen und Massenschießereien in den letzten 25 Jahren immer wieder zum gleichen Ende eines Beitrags kam: Es ist nicht die Frage, ob es wieder, sondern wann und wo es wieder passieren wird.

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