Warmensteinacher wollen keine Nazis im Ort

18.8.2008, 00:00 Uhr
Warmensteinacher wollen keine Nazis im Ort

© Lorenz Bomhard

Und jetzt steht die Demo-Initiatorin fassungslos am oberen Ortsende von Warmensteinach und blickt fast gerührt auf die immer noch größer werdende Menschenmenge, die, ausgerüstet mit bunten Transparenten, Aufstellung zum Protestzug nimmt. 2450 Einwohner hat die Fichtelgebirgsgemeinde. So gut wie alle, die schon oder noch laufen können, sind gekommen, um unter dem Motto «Warmensteinach ist bunt, nicht braun« zu zeigen, wie wenig willkommen Rechtsextremisten in ihrer Heimat sind. Gut 2000 Menschen, unter ihnen auch Bewohner der Nachbarorte, laufen schließlich mit. Und die Fichtelgebirgskapelle Ebnath spielt dazu.

Die Bürger hoffen noch

Manche der Demonstranten machen konkrete Vorschläge, wohin sie sich die Nazis wünschen. «Auf dem Mond sind noch Grundstücke frei«, steht auf dem Transparent, das Irmtraud Brix und ihre Tochter in die Höhe halten. «Ich hoffe, wir können es noch verhindern«, sagt die Pensionswirtin und meint den Verkauf der Warmensteinacher Gaststätte Puchtler an irgendwelche NPD-Kader.

Bürgermeister Andreas Voit (CSU) erzählt, dass er Mitte Juli von ersten Gerüchte gehört hat, der Rechtsextremist und Hamburger Anwalt Jürgen Rieger stehe mit dem Erben des Puchtler-Gasthofs, einem aus Warmensteinach stammenden und in München lebenden Lehrer, in Verkaufsverhandlungen. «Wir haben sofort was unternommen«, versichert Voit. «Aber nicht öffentlich, weil es zunächst ja nur Gerüchte waren.« So recht weiß man immer noch nicht, ob die NPD tatsächlich entschlossen ist, angeblich 1,8 Millionen Euro für den Gastronomie-Betrieb samt Saal und Nebengebäuden hinzublättern, um daraus ein braunes Tagungszentrum zu machen. Viele hier am Ort können sich auch vorstellen, dass alles nur ein großer Bluff ist, der den Preis für das Anwesen nach oben treiben und der NPD möglicherweise eine fette Provision eintragen soll.

Innenstaatssekretär kam zur Demo

Auch Innenstaatssekretär Jürgen Heike, der zur Demonstration gekommen ist, will das nicht ausschließen. «Die NPD selbst hätte jedenfalls nicht das Geld für einen Kauf. Allenfalls irgendein Privatmann.« Angeblich hat Jürgen Rieger beim Einreichen seiner erfolglosen Verfassungsgerichts-Beschwerde gegen das Verbot einer im Puchtler-Hof geplanten Gedenkveranstaltung für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, behauptet, er habe die Pension schon erworben.

Noch kein Notar hat allerdings einen entsprechenden Kaufvertrag der Gemeinde Warmensteinach vorgelegt. Und das müsste er tun. Denn die Gemeinde hat sich das Vorkaufsrecht gesichert, und ist, so Bürgermeister Voit, auch entschlossen, davon im Notfall Gebrauch zu machen.

Beeindruckt vom Entsetzen

Am Montag letzter Woche hat Voit zuletzt mit dem Puchtler-Erben in München telefoniert. Der sei kein bisschen beeindruckt vom Entsetzen in seinem Heimatort. «Er will es demjenigen verkaufen, der am meisten bezahlt«, sagt Voit. Und der CSU-Bürgermeister macht kein Hehl daraus, was er davon hält. Eine «Niederträchtigkeit sondersgleichen« sei ein solches Verhalten, wettert er bei seiner Rede vor dem Rathaus, und die Warmensteinacher klatschen frenetisch.

Streitpunkt Verbot

Anschließend feiern die 2000 Menschen im Kurpark ein friedliches Bürgerfest. Alle Redner dort loben den praktizierten Gemeinsinn und die Zivilcourage der Warmensteinacher. Nur in einem Punkt ist man sich nicht einig. Jürgen Heike (CSU) rät von einem zweiten Anlauf für ein NPD-Verbot ab, «weil wir nicht wüssten, wie es ausgeht«. Die Landtagsabgeordneten Susann Biedefeld (SPD) und Ulrike Gothe (Grüne) sprechen sich dafür aus. Und Ulrike Gothe betont, dass ihrer Ansicht nach «jemand, der sein Haus an die NPD verkauft, als Lehrer nicht tragbar ist«.

Friedlich und entspannt bleibt das Fest, weil die Polizei mit Kontrollstellen verhindert hatte, dass Nazis anreisen. Die versuchen deshalb, in Forchheim, Herzogenaurach und Möhrendorf bei Erlangen Ausweichkundgebungen zu veranstalten. Doch die Behörden reagieren schnell und erlassen Verbote. Wo Rechte bereits zusammengekommen sind, löst die Polizei die Versammlungen auf.