Warum Europa "seine" IS-Kämpfer zurücknehmen muss

18.2.2019, 11:49 Uhr

Wenn Donald Trump von Amerikas Partnern etwas fordert, stößt das meist auf geringe Sympathien - sei es die drastische Steigerung von Militärausgaben, die Aufkündigung des Atom-Abkommens mit dem Iran oder auch die Ausbalancierung der Handelsbilanz zugunsten der USA. Das ist nicht verwunderlich, sind die Forderungen des US-Präsidenten doch meist von maximalem Egoismus geprägt, dienen vor allem innenpolitischer Wutwähler-Befriedigung und/oder folgen gar keiner erkennbaren Logik.

In diesem Fall muss man aber sagen: Dass Europa gefangene europäische IS-Kämpfer zurücknehmen soll, ist richtig. Erstens, weil es höchst ungerecht wäre, die kurdischen Kräfte, die seit Jahren einen großen Teil des  Bodenkampfs gegen die IS-Terroristen bestreiten und Tausenden Zivilisten das Leben gerettet haben, mit dem Problem alleine zu lassen. Hier darf sich Europa nicht - wie sonst so oft - vornehm zurückhalten. Erinnert sei dabei auch an das unrühmliche Beispiel Deutschlands, das deutsche Staatsbürger aus Sicherheitserwägungen - oder aus Angst vor negativen Schlagzeilen - lieber im US-Folterlager Guantanamo schmoren ließ, als ihnen zuhause den Prozess zu machen.

In Syrien ist kein rechtsstaatliches Verfahren möglich

Damit wären wir beim zweiten Argument: Jeder Verbrecher, selbst ein (mutmaßlicher) Terrorist, hat das Recht auf einen fairen Gerichtsprozess nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Dieser ist weder im Justizsystem des syrischen Diktators Assad zu erwarten, in dem von staatlicher Seite verschleppt, gefoltert und gemordet wird, noch in den kurdischen Gebieten, die höchstens ein Staat im Aufbau sind und zudem alle Ressourcen für die Verteidigung gegen IS und türkisches Militär mobilisieren müssen.

Deshalb sollten deutsche IS-Kämpfer in Deutschland, französische in Frankreich und norwegische in Norwegen angeklagt werden. So weit die Theorie. Problematisch bleibt die Umsetzung, wie auch Außenminister Heiko Maas gestern in der ARD-Talkshow von Anne Will sagte.

Denn bevor ein ordentlicher Gerichtsprozess überhaupt beginnen kann, ist ja etwas anders nötig: saubere Ermittlungen, die ebenfalls nach rechtsstaatlichen Kriterien ablaufen müssen. Bei den europäischen Staatsbürgern in kurdischer Hand handelt es sich de facto um Kriegsgefangene, vor ihrer Inhaftierung haben wohl kaum Kriminaler ermittelt, ob sie an Verbrechen beteiligt gewesen waren, ja nicht einmal, ob sie dem IS tatsächlich angehört bzw. ihn unterstützt haben.

Sicherlich tauchen einige von ihnen in Propaganda-Videos der Terroristen oder in beschlagnahmten IS-Dokumenten auf und können dadurch womöglich einiger Straftaten überführt werden. Ein vollumfängliches Ermittlungserfahren, wie es vor europäischen Gerichten aus guten Gründen gefordert wird, ist aber nicht möglich.

Europa darf den Kopf nicht in den Sand stecken

Dennoch: Den Kopf in den Sand zu stecken, das ist für Europa in diesem Fall keine Option. Man wird Wege finden müssen, die eigenen Staatsbürger (bei denen es sich zudem ja nicht nur um männliche Kämpfer, sondern auch um Ehefrauen und teils Kinder handelt) zurückzuholen - und juristisch gegen sie vorzugehen.

Und Trump? Hat ausnahmsweise mal recht, sollte aber dann bitte auch die US-Staatsbürger in den Reihen des IS nicht vergessen.

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