Es geht um 42,6 Millionen

Wirbel um Zahlen: Millionen-Differenz zwischen Impfzertifikaten und Impfungen

28.1.2022, 11:18 Uhr

Ein großer Unterschied in der Zahl der erfassten Corona-Impfungen und der ausgestellten Impfzertifikate sorgt für Irriationen. © images/Steinach

Es ist einmal mehr eine Statistik, die in der Corona-Krise Fragen aufwirft: Die Zahl der ausgestellten Impfzertifikate in Deutschland übersteigt die Zahl der verabreichten Impfdosen deutlich, wie Recherchen der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) ergeben haben. Die Opposition fordert "weitere Aufklärung", das Bundesgesundheitsministerium reagiert gelassen - die Diskrepanz in der Statistik bleibt dennoch beachtlich.

Laut NOZ teilte das Ministerium mit, dass in Deutschland bis zum 21. Januar bereits 204,7 Millionen digitale Impfzertifikate ausgestellt wurden. Zu diesem Zeitpunkt wurden laut Impfdashboards des Ministeriums allerdings nur etwa 162 Millionen Impfdosen verabreicht - also rund 42 Millionen weniger Impfungen als Zertifikate. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums nannte "verschiedene Gründe" für diesen stattlichen Unterschied.

Mehr Zertifikate als gelieferte Impfdosen

Werbung
Werbung

Als mögliche Erklärung führt die Behörde aus, dass Impfzertifikate teils mehrfach erstellt wurden, beispielsweise wenn Zertifikate verloren wurden, mit Verzögerung zugeschickt und in der Zwischenzeit von Apotheken ausgestellt oder aufgrund von Fehlern bei Namen oder Geburtstdatum neu ausgestellt werden mussten.

Dies würde dann aber fast jede vierte Impfung betreffen. Eine weitere Vermutung, die bereits im Herbst für Diskussionen gesorgt hatte: Noch immer ist unklar, wie zuverlässig Betriebs- und Hausärzte sowie mobile Impfteams ihre Impfungen an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet haben. Einer Analyse des RKI aus dem Oktober zufolge lag damals die Impfquote schon deutlich höher, als es die offizielle Statistik vermuten ließ. Es könnte also deutlich mehr Geimpfte geben, als bislang bekannt.

Doch auch in diesem Fall läge die Zahl der bundesweit ausgelieferten Impfdosen (183,6 Millionen Impfdosen bis zum Ende der Kalenderwoche 3 im Jahr 2022) noch deutlich unter der Zahl der ausgestellten Zertifikate. Und auch Fälle, bei denen zahlreiche Impfdosen weggeworfen und nicht verimpft wurden, sind in den vergangenen 13 Monaten gut dokumentiert. Die Lücke in der Statistik würde also schrumpfen, aber nicht verschwinden.

Ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) äußerte gegenüber der NOZ: "Wir gehen auf Basis der vertragsärztlichen Abrechnungsdaten davon aus, dass eine Untererfassung nicht generell gegeben ist und damit die dargestellte Lücke nicht erklären kann". Um die Lücke zu erklären, seien vertiefende Analysen nötig.

Ein Hinweis darauf, dass Millionen Fake-Zertifikate im Umlauf sind, sei die Statistik der Behörde zufolge aber auch nicht. Das RKI wollte sich indes nicht äußern und verwies auf das Bundesgesundheitsministerium. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, zeigte sich der Zeitung gegenüber irritiert. "Das schreit nach weiterer Aufklärung. Die Bundesregierung muss dringend für Klarheit sorgen".