Fehlstellung der Beine

X- und O-Beine: Nur in diesen Fällen sollte operiert werden

26.11.2022, 12:55 Uhr
Wenn ein Cowboy im Western O-beinig beim Duell aufkreuzt, wirkt das cool. Gesund ist eine solche Fehlstellung aber natürlich nicht.

© Pixabay Wenn ein Cowboy im Western O-beinig beim Duell aufkreuzt, wirkt das cool. Gesund ist eine solche Fehlstellung aber natürlich nicht.

Wenn ein Cowboy im Western O-beinig beim Duell aufkreuzt, wirkt das cool. Gesund ist eine solche Fehlstellung aber natürlich nicht. Einige Jahre später muss der Protagonist vielleicht wegen Knieschmerzen zum Showdown humpeln – gar nicht mehr cool.

Ausgeprägte X- und O-Beine erhöhen nämlich das Risiko, eine Kniearthrose zu entwickeln. "Ein gesundes Knie kann eine Fehlstellung in der Regel kompensieren", sagt der Orthopäde Professor Thomas Tischer, Präsident der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin. "Kommen aber andere Risikofaktoren hinzu, wird es problematisch."

Neigt sich die Beinachse wie bei X-Beinen deutlich nach innen, werden die Knie im Außenbereich stark belastet. Bei O-Beinen, die insgesamt häufiger vorkommen, ist es umgekehrt.

Gefahr für Kniegelenksarthrose

Ein verbreiteter Risikofaktor ist ein Meniskusschaden. Haben Patienten außerdem eine Beinachsenfehlstellung sowie Übergewicht, steigert das die Gefahr für Kniegelenksarthrose weiter, erklärt Henning Madry, Professor für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung an der Universität des Saarlandes. "Ein 80-Jähriger mit O-Beinen beidseitig muss nicht zwangsläufig Arthrose am Knie bekommen, wenn der Meniskus in Ordnung ist. Dagegen hat ein 70-Jähriger mit O-Beinen, der einen Meniskusriss hat und zudem übergewichtig ist, ein hohes Risiko", sagt Madry. "O-Beine an sich sind also noch kein Problem. Aber es ist wie bei einer kaputten Autobahnbrücke: Sie hält noch Pkw aus, aber keine Lastwagen." Das heißt: Wird die Belastung zu groß, kommt es zu Schäden.

Aber nicht nur für die Knie kann eine ausgeprägte Beinachsenfehlstellung Folgen haben. Oft geht sie mit einer Fehlstellung am Fuß – etwa einem Knickfuß bei X-Beinen – einher und bringt den Bewegungsapparat insgesamt ins Ungleichgewicht. "Die ganze Statik stimmt dann nicht mehr", sagt Tischer. Vor allem, wenn die Beine ungleich sind – also etwa das eine gerade, das andere gekrümmt ist –, kommt es zu Problemen. "Dann können Rückenschmerzen entstehen", erklärt der Orthopäde. "Mit zwei O-Beinen kommt die Wirbelsäule dagegen meist ganz gut zurecht."

In den meisten Fällen sind sie angeboren

Wie entstehen überhaupt solche Fehlstellungen? "In den meisten Fällen sind sie angeboren", erklärt der Arzt. Manchmal sind auch Wachstumsstörungen oder Verletzungen, etwa ein falsch verheilter Knochenbruch, die Ursache. Außerdem können zum Beispiel Knochenerkrankungen, Stoffwechselstörungen, Tumoren oder entzündlich-rheumatische Erkrankungen dahinter stecken. Mitunter kommen mehrere Ursachen zusammen.

Grundsätzlich sind Beinfehlstellungen sehr verbreitet. Schaut man genauer hin, hat fast jeder Mensch zumindest leichte O- oder X-Beine. Bei kleineren Kindern ist das normal: Im Lauf des Wachstums kommt es nämlich naturgemäß zu Achsabweichungen. So haben Babys zunächst O-Beine, die noch von ihrer Kauerstellung in der Gebärmutter herrühren. Ab etwa zwei Jahren beginnt das "X-Bein-Alter", das bis ins Grundschulalter andauern kann.

Ein einfacher Test kann bei größeren Kindern Anhaltspunkt dafür sein, ob eine Fehlstellung vorliegt: Schließen sie die gestreckten Beine, stehen bei O-Beinen die Knie auseinander, wenn die inneren Fußknöchel aneinander liegen. Bei X-Beinen liegen die Knie aneinander, dafür entsteht ein Spalt zwischen den Knöcheln.

Bei Kindern hilft oft ein kleiner Eingriff

Da Laien das Ausmaß der Abweichung aber nicht gut beurteilen können, ist es sinnvoll, im Zweifelsfall den Kinderarzt um Rat zu fragen. "Bei Kindern kann man schon durch einen kleinen Eingriff eine Korrektur erreichen", sagt Tischer. So werden gegen Ende der Wachstumsphase Plättchen eingesetzt, die das Wachstum des Knochens in einem bestimmten Bereich des Kniegelenks verhindern, sodass das Bein am Ende gerade ist.

Bei Erwachsenen lässt sich eine Beinachsenfehlstellung auch chirurgisch korrigieren, doch ist der Eingriff, eine sogenannte Umstellungsosteotomie, wesentlich aufwändiger. "Es handelt sich um eine große Operation mit entsprechenden Risiken", sagt der Orthopäde Madry. Dabei muss der Knochen durchtrennt und in die richtige Position gebracht werden. "Man schaut daher bei der Indikation genau hin und führt den Eingriff nur durch, wenn wirklich Schmerzen da sind."

Wichtig sei zum Beispiel zu prüfen, ob die Seite des Kniegelenks, die nach dem Eingriff stärker belastet wird, unbeschädigt ist und hinter der Kniescheibe alles in Ordnung ist. "Für eine genau definierte Patientengruppe ist die Operation eine gute Option", sagt Madry. Dazu gehören vor allem jüngere, aktive Leute, die so ihr natürliches Kniegelenk – zumindest für einige Zeit – erhalten können.

Nach Angaben der Deutschen Kniegesellschaft sind bis zu 25 Prozent der Patienten unter 55 Jahren, die einen Gelenkersatz bekamen, mit dem Operationsergebnis unzufrieden. Kommt hinzu, dass das Gelenk meist nach einigen Jahren ausgetauscht werden muss, was erneute Infektions- und weitere Komplikationsgefahren mit sich bringt.

Der Körper hat sich über die Jahre angepasst

Bevor operiert wird, sollten Patienten es mit einer sogenannten konservativen Therapie versuchen. Dazu gehören Schuheinlagen, die bei O-Beinen außen erhöht sind, oder entlastende Orthesen – also zumeist bewegliche Schienen, die man um das Knie schnallt. Solche Hilfsmittel sollte man aber nur verwenden, wenn man Schmerzen hat. Sonst können Symptome unter Umständen heraufbeschworen werden: "Der Körper hat sich über die Jahre angepasst."

Außerdem hilft oft eine Physiotherapie, bei der Muskelgruppen gezielt trainiert werden, oder eine Ganganalyse mit entsprechender Schulung, um Bewegungsabläufe zu verbessern.

Grundsätzlich rät der Orthopäde dazu, sich viel zu bewegen – auch dann, wenn man eine Beinfehlstellung samt einer beginnenden Arthrose hat. "Es ist ganz wichtig, aktiv zu bleiben. Dadurch wird der Knorpel gefordert und muss reagieren." Als besonders wirksam hat sich das einfache Gehen erwiesen. So kam eine Studie von Wissenschaftlern des Baylor College of Medicine in Houston kürzlich zu einem erstaunlichen Ergebnis: Patienten mit Kniearthrose, die regelmäßig spazieren gingen, hatten im Vergleich zu Bewegungsmuffeln weniger Schmerzen am Knie.

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