Rücksicht auf das Tierwohl

Hunde als Trennungsopfer? Das passiert mit Haustieren bei einer Scheidung

25.1.2022, 16:59 Uhr
Ein Hund als Haustier ist oft ein Partnerschaftsprojekt. Nach der Trennung kann das zu Problemen führen.

© imago images/Westend61/Miguel Frias, NN Ein Hund als Haustier ist oft ein Partnerschaftsprojekt. Nach der Trennung kann das zu Problemen führen.

Sehr oft treffen Tiere bei uns ein, die Trennungsopfer sind", erzählt Carmen Baur von der Tierhilfe Franken, und zwar ausschließlich Hunde: "Wenn ein Paar sich trennt und Katzen sind vorhanden, ist das leichter zu organisieren. Bei Hunden funktioniert das oft nicht." Denn während gut erzogene Katzen sich tagsüber selbst beschäftigen können, sollten Hunde nicht länger als etwa fünf Stunden allein bleiben.

Baur hat viele Fälle erlebt, in denen beispielsweise ein Partner nur in Teilzeit gearbeitet hatte. Nach der Trennung war dann aber der Vollzeit-Job unumgänglich. Bei anderen hatte das Paar Gegenschichten, sodass morgens der eine und abends der andere sich um Futter und Gassirunde kümmern könnte. "In der Regel ist nach Trennungen ein Partner allein zeitlich überfordert", fasst sie zusammen.

Immer wieder gebe es aber auch Fälle, in denen keiner der früheren Partner dem anderen das gemeinsame Tier gönnt. Lieber soll keiner den Hund haben, bevor er beim Ex bleiben darf. Im Extremfall landen solche Streitigkeiten dann sogar vor Gericht.

Dass in einem Prozess um die Zuweisung von Haustieren gestritten wird, sei eher selten, erklärt Richterin Eva Mahall. Zumeist entscheiden die Ehe- oder Lebenspartner schon bei der Trennung, wer sich künftig um das tierische Familienmitglied kümmert, sodass die Frage beim Scheidungsverfahren keine Rolle mehr spielt. Können sich die Beteiligten aber partout nicht einigen, muss das Familiengericht abwägen, wer Haus, Hof und Hund behalten darf.

Tiere sind keine Sachen

"Einem Tierfreund kommt es hart vor, zu hören, dass ein Hund ein Haushaltsgegenstand ist", meint die stellvertretende Direktorin des Amtsgerichts Hersbruck. Zwar gibt es mittlerweile den §90a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der festlegt: Tiere sind keine Sachen. Das Tierwohl muss daher bei Entscheidungen berücksichtigt werden. In der Rechtsprechung hat sich aber seitdem etabliert, dass die Regeln für Haushaltsgegenstände analog anwendbar sind.

Als allererster Grundsatz gilt dabei: Jeder kann verlangen, dass ihm gehörender Sachen herausgegeben werden. Dazu muss man aber nachweisen, dass man alleiniger Eigentümer des Familienhundes ist. "Bei einer mehrjährigen Ehe ist das ziemlich schwierig", weiß Eva Mahall.

Wem gehört der Hund?

Hier wird angenommen, dass während der Ehe angeschaffte Tiere beiden Partnern gemeinsam gehören. Dass nur einer dafür bezahlt hat, reicht als Argument nicht aus. "Wenn sich während der Ehe nur einer um das Tier gekümmert hat, wäre das ein Grund, das müsste man aber beweisen", so die langjährige Familienrichterin.

Ausgenommen davon sind Nutztiere, ein Blindenhund würde natürlich bei der Person bleiben, die ihn braucht. In allen anderen Fällen aber kann das Ergebnis einer Gerichtsverhandlung für die Tierbesitzer ziemlich unvorhersehbar sein.

So erhielt das Oberlandesgericht Nürnberg 2017 einige Aufmerksamkeit, als es über die Zuweisung eines ganzen Hunderudels entscheiden musste. "Die Eheleute haben sich um viel im Haushalt gestritten. Sie haben die Hunde ins Spiel gebracht und sich daran festgebissen", berichtet Mahall. Das Problem: Es gab keine regulären Kriterien, nach denen das Gericht hätte entscheiden können.

Für drei der insgesamt sechs Hunde galt weder die Ehefrau noch der Ehemann als alleiniger Eigentümer. Beide hatten sich zuvor zumindest zeitweise um die Tiere gekümmert und beide konnten ihre Zuneigung zu den Tieren nachweisen. Und so nahm der Senat schließlich die Kriterien des Tierschutzes als Maßstab und entschied, dass das Rudel nicht auseinandergerissen werden dürfe.

Hunderudel durfte zusammenbleiben

Immerhin, so die Argumentation, seien Hunde Rudeltiere und hätten eine starke Bindung untereinander. Das Rudel hatte zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon einiges mitgemacht – der Auszug und Verlust des einen Betreuers ebenso wie der Tod von zwei Hunden – daher sei es nun das ausschlaggebende Kriterium, dass sie zusammenbleiben dürften.

"Der Jurist in einem verzweifelt, weil es kaum juristische Kriterien gibt", sagt Eva Mahall. Man könne zwar das Tierwohl umso mehr berücksichtigen, je weniger andere Kriterien es gebe. Aber auch was unter Tierwohl verstanden wird, ist in der Rechtsprechung unterdefiniert.

Mögliche Ansatzpunkte seien, ob einer der Eheleute die Tiere vielleicht nicht artgerecht halten könne, ob die Wohnung groß genug oder ob das Einkommen ausreichend sei, um Kosten für Tierarzt und Futter zu begleichen. "Es wäre auch vorstellbar, dass der Familienhund bei dem Partner bleibt, der die Kinder hat", überlegt Mahall. "Da wäre dann aber nicht das Tierwohl entscheidend, sondern das Wohl des Kindes."

Kein Umgangsrecht für den Hund

Denn tatsächlich werden Tiere vor Gericht in keiner Form vergleichbar mit Kindern behandelt. Das bedeutet auch, dass der Unterlegene kein Umgangsrecht erhält, um sein früheres Haustier zu besuchen. In Spanien soll dieses künftig möglich sein. Dort werden Haustiere aufgrund einer Reform des Zivilrechts nun als fühlende Wesen eingestuft. Nach der Trennung können dann beide Ex-Partner Zeit mit dem Tier verbringen.

In Deutschland ist dagegen ein Wechselmodell – zwei Wochen hat er den Hund, zwei Wochen sie – bei Scheidungen gerichtlich nicht umsetzbar. Bei der Auflösung einer Lebenspartnerschaft ist das dagegen möglich.

Denn dabei kommen andere Rechtsvorschriften zur Anwendung. Im Zweifelsfall gehört dann jedem Lebenspartner das Haustier zur Hälfte. Wenn es gut läuft, kann man sich Umgang und Versorgung des Haustieres aufteilen. Wenn es schlecht läuft, kann es aber auch heißen: Keiner bekommt das Tier. Dann müssten die Zerstrittenen den Hund abgeben und den Kaufpreis aufteilen.

Dass Hunde aufgrund einer Trennung beide Familienmitglieder verlieren, komme immer häufiger vor, sagt auch Carmen Baur. Immer mehr Menschen legen sich einen Hund zu, im Jahr 2021 wurden beim Haustierregister Tasso sieben Prozent mehr neue Tiere eingetragen als noch 2020.

Überforderung bei jungen Hunden

Verstärkt würde das Problem dadurch, dass sich viele Menschen unbedingt einen jungen Hund zulegen wollten. "Erstmal einen Hund vor dem Kind, das gibt es oft", so Baur. Die Versorgung eines jungen Hundes sei aber viel intensiver, dieser habe mehr Energie, brauche mehr Auslauf und schlafe weniger als ein älteres Tier. Umso schneller komme es dann nach der Trennung zur Überforderung.

Wenn die Tierhilfe Franken einen Hund zur Adoption an ein Paar vermittle, frage sie daher bei den Interessenten immer nach: "Wenn Sie sich trennen, wessen Hund wäre es?" Nur wenn es einen Verantwortlichen gibt, der zur Not von Familie oder Freunden bei der Betreuung unterstützt würde, habe ein Paar Chancen auf Vermittlung. So soll verhindert werden, dass bei einer Trennung am Ende die Hunde die Leidtragenden sind.

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