Brandgefahr an Bord

Elektroauto-Verbot auf der Fähre: Muss das wirklich sein?

Ulla Ellmer

E-Mail zur Autorenseite

12.2.2023, 13:03 Uhr
Havila Castor: Autos mit E-Antrieb dürfen auf dem Küstenkreuzfahrtschiff nicht mehr mitreisen. Dabei hat es selbst ein riesengroßes Batterie-Paket an Bord.

© Havila Kystruten Havila Castor: Autos mit E-Antrieb dürfen auf dem Küstenkreuzfahrtschiff nicht mehr mitreisen. Dabei hat es selbst ein riesengroßes Batterie-Paket an Bord.

„In Norwegen sind wir mit Stille und unberührter Natur, klarem Wasser und sauberer Luft gesegnet“, schwelgt die Reederei Havila Kystruten auf ihrer Homepage. All dies wolle man „für die Zukunft bewahren“. Doch ausgerechnet die Autos, die besonders umweltfreundlich fahren, dürfen aktuell nicht mehr aufs Schiff: „Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos sind an Bord verboten“, heißt es ziemlich versteckt in der FAQ-Rubrik des Online-Auftritts. Reine Verbrenner hingegen werden nach wie vor mitgenommen auf den Schiffsreisen, die entlang der norwegischen Küstenlinie führen und der legendären Postschiff-Route folgen.

Zum Bann der Stromer - Wasserstoff- beziehungsweise Brennstoffzellenfahrzeuge sind nur eine spezielle Elektro-Spezies – haben Sicherheitsbedenken geführt, die sich auf die Situation eines Fahrzeugbrands richten. Das Ergebnis einer Risikoanalyse, so äußerte sich Havila-Kystruten-Geschäftsführer Bent Martini gegenüber dem Businessportal Norwegen, habe gezeigt, "dass ein möglicher Brand in Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffautos externe Rettungsmaßnahmen erfordert und Menschen an Bord und die Schiffe gefährden kann". Im Klartext: Die Mannschaft kriegt die Brandbekämpfung bei einem Verbrenner hin, nicht aber bei einem E-Auto. Das entsprechende Risiko wolle das Unternehmen auf keinen Fall eingehen.

Mit 4000 Autos auf dem Meeresgrund

Hintergrund des Verweises von Bord ist vermutlich ein Vorfall, der ziemlich genau ein Jahr zurückliegt. Im Februar 2022 geriet der Autofrachter „Felicity Ace“ auf dem Weg von Emden in die USA in Brand und sank, bei seinem Untergang vor den Azoren nahm er rund 4000 Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern auf den Meeresboden des Atlantiks mit, darunter wohl auch Elektroautos, von denen mutmaßlich mindestens eines in Brand geraten ist und ein Inferno ausgelöst hat.

Uwe-Peter Schieder, Kapitän und Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im Gesamtverband der Versicherer (GDV), will sich da nicht in Spekulationen ergehen: "Elektroautos wurden als eine mögliche Brandursache genannt, aber dafür gibt es keine Beweise, eigentlich nicht einmal Indizien", sagt er. An Bord seien schließlich sowohl E-Autos als auch Verbrenner gewesen. "Dass ein E-Auto den Brand ausgelöst hat, ist also möglich, aber nicht mehr oder weniger wahrscheinlich als eine andere Ursache". Man könne ja nicht einmal wissen, "ob überhaupt ein Fahrzeug den Brand ausgelöst hat".

Hoher Löschaufwand

Fest steht, dass Elektroautos nicht häufiger als Benziner oder Diesel in Flammen aufgehen. Aber: Sie brennen anders, und deshalb gestaltet sich die Löscharbeit besonders langwierig und schwierig. Probleme bereitet der sogenannte „Thermal Runway“: Der Akku der Stromer besteht aus Hunderten einzelner Batteriezellen. Wird nur eine von ihnen beschädigt, können viele Kurzschlüsse die Folge sein. Sie vervielfachen die Stärke des Feuers nicht nur, sondern entfachen es immer wieder aufs Neue.

Eine Maßnahme, die Feuerwehrleute mitunter ergreifen, ist es, das Elektroauto mehrere Tage lang in einen mit Wasser gefüllten Container zu versenken, was an Bord eines Schiffes freilich kaum zu praktizieren ist. Auch Löschlanzen gelangen zum Einsatz, die direkt ins Akkugehäuse eingeschlagen werden. Grundsätzlich aber brauchen die Brandbekämpfer eine vergleichsweise hohe Menge an Wasser. Auf einem Schiff gerät das wiederum ein Problem: „Mit zu großen Wassermengen, die auf den großen, offenen Autodecks hin- und herschwappen können, wird das Schiff instabil“, erklärt GDV-Experte Schieder.

Fahrzeugbrand: Elektroautos brennen nicht häufiger als Verbrenner, aber anders.

Fahrzeugbrand: Elektroautos brennen nicht häufiger als Verbrenner, aber anders. © Hermann Kollinger/pixabay

Die Kritik der deutschen Versicherer richtet sich auf die Löschsysteme an Bord. „Sie sind immer noch die gleichen wie vor 50 Jahren und haben mit der Größenentwicklung und den Brandlasten der Schiffe nicht Schritt gehalten“, kritisiert Schieder. Laut GDV werden Brände derzeit noch mit CO2 gelöscht. Dieses Kohlenstoffdioxid verdrängt beziehungsweise verdünnt den Sauerstoff dann so weit, dass das Feuer erstickt. Problem nur: Beim Brand eines Lithium-Ionen-Akkus, wie er im Elektroauto steckt, setzt die chemische Reaktion selbst Sauerstoff frei. Das Gleiche gilt laut Schieder, wenn statt CO2 Schaum zum Löschen verwendet wird. Speziell das CO2 sei „bei einem solchen Brand also vollkommen wirkungslos“, moniert GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Moderne Löschsysteme gefordert

Aus nachvollziehbaren Gründen haben die Assekuranzen großes Interesse daran, dass teure Schäden vermieden werden – der Versicherungsschaden im Falle der „Felicity Ace“ beispielsweise dürfte eine halbe Milliarde Euro betragen haben. Anstelle von Mitnahme-Verboten für E-Autos drängt der GDV daher auf eine verbesserte Brand-Detektion und moderne Löschtechnologien. Im Sinn hat man dabei Systeme, die einen Hochdruck-Wassernebel versprühen. „Das kühlt enorm und braucht wenig Wasser“, sagt GDV-Experte und Kapitän Uwe-Peter Schieder.

Konkurrenz mit Ladestationen an Bord

Abzuwarten bleibt nun, ob andere Reedereien dem Beispiel von Havila Kystruten folgen und ebenfalls Elektroautos von Bord verbannen - oder im glatten Gegenteil der schwedischen TT-Line nacheifern, die ihre "Green Ships" sogar mit jeweils 32 vorbuchbaren Ladestationen ausstattet.

Ganz andere Fahrtrichtung: TT Line bietet auf seinen "Green Ships" sogar Lademöglichkeiten für Elektroautos an.

Ganz andere Fahrtrichtung: TT Line bietet auf seinen "Green Ships" sogar Lademöglichkeiten für Elektroautos an. © TT Line

Dass ausgerechnet Havila Kystruten keine E-Autos duldet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Zum einen gilt gerade Norwegen als eine Art Mutterland der Elektromobilität, die großzügig geförderten E-Autos feierten dort schon Zulassungsrekorde, als sie bei uns noch nahezu komplett unter dem Käufer-Radar segelten. Und zum anderen wirbt ausgerechnet Havila Kystruten damit, dass seine LNG-Hybrid-Küstenkreuzfahrtschiffe „mit den größten Batteriepaketen ausgestattet sind, die je auf einem Passagierschiff installiert wurden“ – 86 Tonnen schwer und mit einer Kapazität von 6,1 Megawattstunden versehen.

"In Übereinstimmung mit den Sicherheitsvorschriften des Schiffs sind diese Batterien jedoch in feuerfesten, ständig überwachten Räumen verbaut", sagt Havila-Sprecher Riebandt dazu. Mit den Batterien eines E-Mobils verhalte es sich anders. Derzeit sei es für die Reederei "unmöglich, den Zustand einer Autobatterie zu überwachen oder zu wissen, ob sie beschädigt wurde, bevor ein Auto an Bord geht". Und das wiederum gehe gegen die erwähnten Sicherheitsvorschriften des Küstenkreuzfahrtschiffes.

Keine Kommentare