Sympathisch anzusehen, hoher Preis

So schnurrt der Ora Funky Cat: Wir testen das E-Auto aus China

Ulla Ellmer

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15.8.2023, 13:23 Uhr
Ora Funky Cat: Der batterieelektrische Lifestyle-Flitzer ist mit dem künftigen Mini SE verwandt.

© GWM Ora Funky Cat: Der batterieelektrische Lifestyle-Flitzer ist mit dem künftigen Mini SE verwandt.

Wie er aussieht:

Nein, wir gebrauchen die Formulierung nicht gern. Aber an dieser Stelle kommen wir nicht um sie herum: Ein süßes Auto ist er, der Ora Funky Cat, mit einer Prise Retro-Charme befährt er gekonnt die Lifestyle-Schiene. Aus runden Kulleraugen-Scheinwerfern blickt der fünftürige Stromer zutraulich und freundlich in die Welt, Kotflügel und Heck machen sich hübsch rund, das Dach steht in farblichem Kontrast zum Rest der Karosserie.

Das niedlich-nette Design führt dazu, dass man die wahre Größe unterschätzt. Optisch kommt der Funky Cat wie ein Kleinwagen rüber. Doch tatsächlich streckt er sich mit 4,24 Metern Länge um ganze 61 Zentimeter über einen Fiat 500 E hinaus, selbst einen Opel Corsa e übertrifft er noch um 18 Zentimeter. Letztendlich entsprechen die Dimensionen eher einem VW ID. 3.

Noch kurz zum familiären Background: Die junge Marke Ora gehört zum chinesischen Konzern Great Wall Motors (GWM), der mit dem Funky Cat sein erstes Modell auf den deutschen Markt schickt. Der Debütant teilt sich die Plattform mit dem neuen vollelektrischen Mini SE, der ebenfalls bei GWM in China vom Band laufen wird.

Stilsichere Innenarchitektur: Das Cockpit des Funky Cat.

Stilsichere Innenarchitektur: Das Cockpit des Funky Cat. © GWM

Wie er eingerichtet ist:

So sympathisch wie es die karosserietechnische Verpackung erwarten lässt. Ausstattungsabhängig lässt ein Panorama-Schiebedach erstens Licht und zweitens frische Luft ins Cockpit. Die bequemen Sitze bieten, ebenfalls je nach gewählter Modellvariante, elektrische Verstellbarkeit sowie eine Ventilations- und Massagefunktion. Für die kleinen, verchromten Kippschalterchen hat unverkennbar der Mini die Inspiration geliefert, die Fahrstufen werden über einen runden Drehregler angesteuert, und die Verarbeitungsqualität ist eine vorzügliche.

Was das Multimediale kann:

Man ist nicht allein im Funky Cat. Als digitaler Beifahrer kommt ein Avatar mit, der in unserem Testwagen „Manuel“ hieß, sich aber auch auf einen anderen Namen programmieren lässt, auf Olaf vielleicht, auf Günther oder Anneliese. Wir bleiben bei Manuel: Er taucht auf Zuruf im Display auf, sieht aus wie ein Kleinkind und erweist sich als erstaunlich redselig. Mal meldet er sich freundlich („Ja, ich bin hier“), mal eher unwirsch und gerade so, als hätte man ihn gerade beim Teletubby-Gucken gestört, „was ist los?“, will er dann wissen. Los ist, dass man einen verbalen Wunsch hat, den Manuel bitteschön erfüllen soll. Das klappt aber nur bedingt. Bemerkenswert folgsam veranlasst das kleine weiße Männchen zwar, dass sich das Schiebedach öffnet oder die Sitzheizung einschaltet. Doch geht es um ein Navigationsziel, antwortet der Avatar schon mal, dass er „die Frequenz“ nicht kenne; wünscht man sich einen bestimmten Radiosender, schlägt Manuel (oder Olaf oder Günther) häufig die Äuglein nieder und bekennt, dass er das „erst noch lernen“ müsse.

Kleines weißes Männchen: Avatar im Funky Cat.

Kleines weißes Männchen: Avatar im Funky Cat. © ule

Andererseits fühlt sich Manuel immer wieder angesprochen, wenn Fahrer und Beifahrer eine Unterhaltung führen. Der Befehl „Abbrechen“, mit dem die ungebetene Einmischung zum Schweigen gebracht werden soll, verhallt oft ungehört. Manuel plappert ungerührt weiter, der Fahrer schreit, was nebst einer gewissen Kakophonie auch zunehmende Gereiztheit an Bord erzeugt. Ora hat uns dazu erklärt, dass die Künstliche Intelligenz – nichts anderes ist der Avatar – vieles erst im tagtäglichen Miteinander erlerne, dazu gehöre auch, sich nicht jedes Mal von der letzten Silbe in seinem Namen triggern zu lassen.

Soll das Navi nicht von Manuel, sondern manuell programmiert werden, muss dies mit zusammengekniffenen Augen und einem treffsicheren Zeigefinger geschehen, denn die Beschriftung der Tastatur fällt ziemlich klein aus. Und die Anbindung des Smartphones über Apple CarPlay beziehungsweise Android Auto funktioniert derzeit noch nicht, das soll aber via eines Software-Updates noch behoben werden.

Wie viel Platz er hat:

Raumtechnisch geht es den Passagieren sehr gut, auch die Hinterbänkler genießen luftigen Bewegungsspielraum, sieht man einmal von der etwas eingeschränkten Kopffreiheit ab. Die wollen wir dem Funky Cat jedoch nicht ankreiden, denn sie macht erst Passagieren ab etwa 1,85 Metern Körpergröße zu schaffen, hauptsächlich dürften im Fond aber Kinder mitfahren.

Schon eher ein Manko ist das bescheidene Kofferraumvolumen von lediglich 228 bis 858 Litern. Hinzu kommt, dass die Fracht über eine hohe Ladekante gewuchtet werden muss, hinter der sich eine tiefe Stufe auftut. Immerhin: Die Rücksitzlehnen lassen sich bequem und mithilfe von Schlaufen vom Gepäckraum aus umklappen. Einen „Frunk“, ein zusätzliches Staufach unter der Fronthaube also, gibt es nicht.

Runde Sache: Heckpartie mit "laufender" Lichtleiste.

Runde Sache: Heckpartie mit "laufender" Lichtleiste. © GWM/ampnet

Was ihn antreibt:

Ein 126 kW/171 PS starker, permanenterregter Synchronmotor. Als Stromlieferant dient eine ternäre Lithiumbatterie mit NCM-Zellen, bereitgestellt wird sie vom chinesischen Hersteller CATL. Der Energiegehalt beträgt 63 kWh (netto 59,3 kWh).

Das gilt zumindest für die Modellvarianten 400 Pro, 400 Pro+ (die wir gefahren haben) sowie GT. Die Basisvarianten 300 und 300 Pro hingegen nutzen einen Lithium-Eisenphosphat-Akku mit 47,8 kWh (netto 45,4 kWh) Kapazität.

Exkurs: LFP-Akkus kommen – weil sie auf die teuren Metalle Nickel und Kobalt verzichten – vergleichsweise günstig, zudem wird ihnen längere Haltbarkeit und ein geringes Feuerrisiko bescheinigt. Andererseits weisen sie weniger Energiedichte auf und sie sind etwas kälteempfindlicher als die üblichen Nickel-Kobalt-Mangan-Stromspeicher (NCM).

Wie er sich fährt:

Der Funky Cat bemerkt, wenn der Fahrersitz belegt ist; befindet sich auch der Schlüssel an Bord, genügt es, den Drehregler für die Fahrstufen auf „D“ zu stellen und aufs Fahrpedal zu drücken. Dann beginnt ein sehr vergnügliches Kapitel. Leise und munter setzt sich der Ora in Bewegung, er rollt ebenso sauber wie komfortabel ab und erweist sich, auch dank des geringen Lebendgewichts von 1615 Kilogramm, als spaßorientierter, flinker Flitzer mit präziser Lenkung und ordentlich zupackenden Bremsen. In 8,2 Sekunden erfolgt die Beschleunigung von 0 aufs Landstraßentempo 100 km/h, bei 160 km/h regelt die Elektronik ab, was kein Schaden ist, sondern aus Gründen des Reichweitenerhalts schlicht pragmatisch. Kurz: Auf der Straße hat man viel Freude am Funky Cat.

Getrübt wird sie leider vom übereifrigen Fahrerüberwachungssystem, das wir als enervierende Heimsuchung erlebt haben. Permanent – und nicht eben freundlich - formuliert eine Stimme aus dem Off irgendwelche Mahnungen: Man beachte das Tempolimit nicht (was oftmals gar nicht stimmt), man solle bitte bremsen (obwohl nicht im Mindesten ein Auffahrunfall droht), man solle „nicht geistesabwesend“ sein, sondern sich aufs Fahren konzentrieren. Als Straftatbestand reicht es der Innenraumkamera schon, wenn sich der Blick länger als für ein paar Millisekunden dem Zentralbildschirm zuwendet.

Für Datenschutz-Skeptiker: Die Server gehören dem Ora-Importeur Emil Frey und stehen nicht in China, sondern in Frankfurt am Main.

Und sonst? Der Adaptivtempomat ist unkompliziert über einen Lenkstockhebel zu bedienen, wird allerdings nur bis 120 km/h tätig und übernimmt keine Tempolimits. Die Rekuperationsstärke lässt sich bis hin zum „One Pedal Driving“ variieren, jedoch muss dazu das Untermenü bemüht werden, Schaltwippen wären die komfortablere Lösung. Gewünscht hätten wir uns außerdem einen Heckscheibenwischer. Und der Ordnung halber sollen auch die verschiedenen Fahrprogramme (Auto, Normal, Eco, Sport) Erwähnung finden.

Wie weit er kommt:

420 Kilometer, sagt die Norm. 370 bis 380 Kilometer sind allemal realistisch, bei freundlich gesonnenen Temperaturen und maßvoll eingesetztem „Gasfuß“ lassen sich auch 400 Kilometer erreichen.

Was er verbraucht:

Der Funky Cat ist erfreulicherweise überhaupt kein Stromfresser. Solange wir ihn nicht allzu sehr gefordert haben, hat er es mit 14,8 kWh/100 km gut sein lassen. 20 kWh/100 km waren das Äußerste, was wir verbraucht haben. Als Schnitt notierten wir 16,2 kWh/100 km, das liegt sogar unterhalb des Normwerts, kann im Winter aber wieder anders aussehen.

"Keine Ladestation entlang der Route gefunden": Das liest man nicht gern, hier muss Ora noch nachbessern.

"Keine Ladestation entlang der Route gefunden": Das liest man nicht gern, hier muss Ora noch nachbessern. © ule

Wie er lädt:

An der Wallbox oder herkömmlichen AC-Ladesäule dreiphasig und mit bis zu 11 kW. Das entspricht dem gängigen Standard und ist relevant für den Alltag. Wer sich auf die Langstrecke begibt, fragt hingegen nach der DC-Schnellladeleistung, und da liefert der Ora Funky Cat mit maximal 67 kW eine eher unterdurchschnittliche Performance ab. Zumindest bleibt die Ladekurve aber lange konstant, so dass es letztlich einer guten Dreiviertelstunde bedarf, um von 15 auf 80 Prozent Batterieladestand zu gelangen.

Was nicht jeder Stromer kann: Beim Funky Cat ist es möglich, das Ladeziel zu programmieren, beispielsweise auf akkuschonende 80 Prozent. Hinsichtlich einer anderen wichtigen E-Auto-Kompetenz muss der Ora aber passen: Das Navigationssystem kann keine Laderoutenplanung erstellen. Zwar sagt es, wenn das Ziel nicht mit dem vorhandenen Akkustand zu erreichen ist. Das ist aber auch schon alles. Mögliche Ladestopps muss man dann selbst recherchieren. Uns wollte das Navi beispielsweise glauben machen, dass entlang der Strecke Nürnberg – Hamburg keine Ladestationen zu finden seien.

Nicht ganz billig: Der Funky Cat mit großem Akku kostet mindestens 44.490 Euro.

Nicht ganz billig: Der Funky Cat mit großem Akku kostet mindestens 44.490 Euro. © GWM

Was er bietet:

Eine ganze Menge. Schon das Basismodell 300 hält unter anderem 18-Zoll-Leichtmetallfelgen und LED-Scheinwerfer vor, außerdem Klimaautomatik, Navi, Sprachassistent, Gesichtserkennung, 360-Grad-Kamera und zahlreiche Fahrassistenten vom Totwinkelwarner über den Adaptivtempomat bis hin zum Stau-, Spurhalte- und Querverkehrsassistenten. Beim 300/400 Pro kommen elektrisch verstellbare Vordersitze sowie Sitz- und Lenkradheizung hinzu; der 400 Pro+ legt noch die sensorgesteuerte elektrische Heckklappe, den automatischen Rückfahr- und Parkassistenten, das Panorama-Glasschiebedach, die Ventilations- und Massage-Funktion für die Vordersitze sowie die Wärmepumpe drauf.

Was er kostet:

Viel ist davon die Rede, wie günstig die chinesischen Elektroautos doch seien. In den Ora Funky Cat mit größerem 63-kWh-Akku sind jedoch mindestens 44.490 Euro zu investieren, der von uns gefahrene 400 Pro+ kostet 47.490 Euro. Ja, da steckt reichlich Ausstattung dahinter, insofern ist der Preis nicht ungerechtfertigt. Von einem Schnäppchen kann aber auch keine Rede sein.

Kunden, denen der kleine 48-kWh-Akku und 310 Kilometer Reichweite genügen, steigen bereits bei 38.990 Euro ein.

Was wir meinen:

Sympathisch anzusehen, schick eingerichtet, fein zu fahren, obendrein sparsam und mit ordentlicher Reichweite gesegnet: Es gibt vieles, mit dem der Ora Funky Cat punkten kann und was ihn zur Bereicherung auf dem E-Auto-Markt macht. Für Frust sorgen neben der gängelnden Fahrerüberwachung und der nicht existenten Laderoutenplanung auch Defizite beim Infotainment, die umso mehr erstaunen, als chinesische Hersteller doch gemeinhin als digital überlegen gelten. Software-Updates sollten hier baldmöglichst Abhilfe schaffen. Dann könnte auch der hohe Preis leichter zu verschmerzen sein.


Datenblatt Ora Funky Cat 400 Pro+

Antrieb: Permanenterregter Synchron-Elektromotor, Frontantrieb, Eingang-Automatikgetriebe

Leistung maximal: 126 kW/171 PS

Max. Drehmoment: 250 Nm

Batterietyp: Ternäre Lithium-Ionen-Batterie

Batteriekapazität: 63,1 kWh brutto, 59,3 kWh netto

Ladeanschluss: Typ 2, 3-phasig, bis 11 kW und CCS, bis 67 kW

Ladedauer: AC 0 – 100 % 6,5 h, DC 15 – 80 % 48 min

Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h (abgeregelt)

Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,2 sec

Reichweite WLTP: 420 km

Normverbrauch WLTP: 16,5 kWh/100 km

Testverbrauch: 16,2 kWh/100 km

CO2-Emission: 0 g/km

Energie-Effizienzklasse: A+++

Länge: 4,24 m

Breite: 1,83 m

Höhe: 1,60 m

Sitzplätze: 5

Gepäckraum: 228 - 858 l

Leergewicht: 1615 kg

Zulässiges Gesamtgewicht: 1970 kg

Zuladung: 355 kg

Anhängelast: -

Versicherungs-Typklassen: 17 (HP), 21 (TK), 19 (VK)

Preis: Ab 47.490 Euro

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