Diese 7 Fakten müssen Sie kennen

Blau-gelbe Geheimnisse: Was hinter den Farben der Ukraine-Flagge steckt

Matthias Niese

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30.3.2022, 10:29 Uhr
Eine Frau trägt bei einer Solidaritätskundgebung in Dresden eine Ukrainische Fahne und Blumenschmuck in den Farben blau und gelb.

© Robert Michael, dpa Eine Frau trägt bei einer Solidaritätskundgebung in Dresden eine Ukrainische Fahne und Blumenschmuck in den Farben blau und gelb.

Es ist inzwischen die meistgesehene Farbkombination auf der Welt: Oben blau, unten gelb, ein hübscher Mix, der durch den Krieg in Südosteuropa eine tragische Nuance bekommen hat. Der aber auch zum Symbol für die Freiheit wurde. Für den Willen, sich gegen einen Aggressor zu wehren, der in der Vergangenheit lebt. Der es nicht ertragen kann, dass sich an der Grenze seines Reiches eine Demokratie entwickelt hat, deren Strahlkraft seine autokratische Macht und die seiner kleptomanischen Clique gefährdet.

Blau wie der Himmel, gelb wie die Weizenfelder? Nein!

Wo hat die ukrainische Fahne ihren Ursprung? Steht das Gelb für die goldenen Kuppeln der unzähligen Kirchen oder die kilometerweiten Weizenfelder? Mit einem blauen Himmel darüber? Oder steht Blau für das Meer vor den Küsten des bedrohten Odessa, des zerstörten Mariupol oder der annektierten Krim? Wir haben uns schlau gemacht und sieben ganz andere Gründe und Kuriositäten gefunden.

1) Nicht nur unser Herz, auch unser Auge findet die Farbkombination sympathisch. Ein genialer Kniff von PR-Strategen? Die Komplementärfarbe zu Blau ist nämlich Orange, und das ist nah dran am Gelb, wird es doch aus Rot und Gelb gemischt. Komplementärfarben passen besonders gut zusammen, sie liegen sich im Farbkreis gegenüber und erzeugen einen besonders starken Kontrast. Probieren Sie es aus: Blicken Sie lange etwa auf eine rote Fläche und dann auf ein weißes Blatt Papier - vor dem inneren Auge sehen Sie dort die Farbe Grün - die Komplementärfarbe zu Rot. Bei langem Blick auf Blau sehen viele danach ein Gelb-Orange. Dieses Phänomen setzen Künstler, Architekten und Designer gezielt bei ihrer Farbgestaltung ein. Dass es (fast) Komplementärfarben sind, ist aber nicht der Grund für die Farbwahl der Flagge.

2) Die Farben leiten sich nicht von dem Klischee des typischen Landschaftsbildes mit goldgelbem Weizen unter blauem Himmel ab. Sie stammen aus einem Wappen des Mittelalters, und zwar dem der Dynastie der Rurikiden. Die nationale blau-gelbe Farbkombination der Ukraine gehört mit ihrem Ursprung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts somit zu den ältesten Europas. Die Rurikiden aus dem Fürstentum Galizien-Wolhynien herrschten vom 9. Jahrhundert bis 16. Jahrhundert erst über die Kiewer Rus und das spätere russische Reich, das viel kleiner war als heute. Auf dem Wappen sieht man erst einen gelben (goldenen) Löwen auf blauer Fläche, später auch einen gelben (goldenen) Doppelkopf-Adler auf blauer Fläche - auch die Dynastien wechselten, mit ihr auch die Wappen und die Tiere beziehungsweise Symbole in den Wappen. So herrschten auch polnische Könige, litauische Großfürsten oder die Habsburger in Wien mindestens über Teile der heutigen Ukraine.

Die Fahne des Königreichs Ruthenien. Quelle: Wikipedia

Die Fahne des Königreichs Ruthenien. Quelle: Wikipedia © Quelle: Wikipedia

3) Ähnlich wie in der Fahne Deutschlands ist das Gelb übrigens gar kein Gelb, sondern ein Gold. Das lässt sich aber schlecht drucken. Dargestellt wird das Gelb daher offiziell als Pantone Coated Yellow 012 C, bei den RAL-Farben ist es das 1023 Verkehrsgelb und im RGB-Farbraum hat es die Nummer 255, 213, 0. Das Blau ist ein Azurblau und entspricht dem Pantone Coated 2935 C, als RAL ist es des 5019 Capriblau und im RGB-Farbraum die 0, 91, 187. Grafiker wissen dann genau, was gemeint ist.

4) Auf der Fahne und auch andernorts sehen wir oft ein etwas sonderbares Symbol, das wie der Dreizack des Neptun aussieht. Wo er herkommt, ist umstritten. Manche Historiker sagen, dass der Tryzub (Dreizack) auf das Volk der Alanen zurückgeht - ein Adelsgeschlecht nutzte ihn als "Clanzeichen", das einen Falken im Sturzflug auf seine Beute symbolisiert. Schon im Mittelalter prangte er auf Münzen, Siegeln und an Bauten - es ist unklar, ob er Waffe war oder nur ein altes heidnisches Symbol vorslawischer Völker. Die Kiewer Rus verwendeten ihn aber als Feldzeichen, auf sie berief sich die ukrainische Unabhängigkeitsbewegung gegen Russland schon im 19. Jahrhundert. Der Tryzub wurde schließlich am 19.2.1992 (Gründung des neuen ukrainischen Staates) neben der Fahne das nationale Hoheitszeichen.

Der Dreizack ist neben der Fahne das offizielle Hoheitszeichen des Landes. Hier für die Eroberer aus der Luft gut sichtbar in einem Weizenfeld.

Der Dreizack ist neben der Fahne das offizielle Hoheitszeichen des Landes. Hier für die Eroberer aus der Luft gut sichtbar in einem Weizenfeld. © IMAGO/Yevhen Liubimov, IMAGO/Ukrinform

5) Auf Ukrainisch - was eine völlig eigenständige Sprache und nur entfernt verwandt mit dem Russischen ist - heißt die Fahne der Ukraine übrigens "Derschawnyj Prapor Ukrajiny" bzw. in kyrillischer Schrift "Державний Прапор України".

6) Blau oben, gelb unten oder umgekehrt? Wie sollte die Flagge aussehen? Kurz vor dem 1. Weltkrieg stritten im zu Österreich gehörenden Galizien ukrainische Intellektuelle in Lemberger, aber auch Kiewer Zeitschriften um die Anordnung der beiden Farben – gelb-blau oder blau-gelb. Nach dem Zusammenbruch des russischen Zaren- und des Habsburgerreichs wurde 1918 eine unabhängige Ukraine ausgerufen. Sie legte fest: "Flagge der Ukr. Kriegsflotte ist ein Banner in zwei Farben: blau und gelb. Im blauen Teil findet sich der historische goldene Dreizack mit weißem innerem Feld darin." Nach der Rückeroberung durch die Bolschewiken bekam die Ukraine eine rote Flagge - die der Ukrainischen Sowjetrepublik mit einem gelben Y.C.C.P. in der linken oberen Ecke.

7) Teilweise waren aufgrund der großen Solidarität mit der Ukraine ihre Flaggen weltweit ausverkauft, die Hersteller kommen kaum nach mit der Produktion. Doch sie zeigen sich kreativ, haben die Kapazitäten hochgefahren und heute auch blau-gelbe Flaggen mit Friedenstauben statt Dreizack im Sortiment. Die Preise beginnen bei rund fünf Euro.

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