Diese Frau rettet das traditionelle Kleid
Bloß nicht nur auf Inseln abhängen: Auf den Malediven kommen Sie hier den Einheimischen nah
28.10.2023, 06:00 UhrDas Dhivehi Libaas, das traditionelle Kleid der Malediven, ist auf den Inseln nur noch selten zu sehen. Würde es Fathimath Naduha Abdul Muhsin nicht geben, könnte es vielleicht vollständig verschwinden. Die 36-jährige Radiologin verfolgt ein ehrgeiziges Ziel. Sie erforscht die Herstellung des Kleides, das bei traditionellen Festen wie Hochzeiten getragen wird. Und sie will das Wissen weitergeben, damit diese Tradition nicht verschwindet.
Normalerweise liegt die Erforschung von Traditionen in den Händen von Wissenschaftlern, die wiederum auf der Vorarbeit von Kollegen aufbauen. Fathimath Naduha Abdul Muhsin hat bei null anfangen müssen, denn das Wissen um die Kleider, die hier seit Jahrhunderten von den Frauen getragen werden, war nur mündlich weitergegeben worden.
Das Kleid ist teuer, T-Shirt und Jeans sind günstiger
Doch das Interesse, die Tradition zu bewahren, nahm von Generation zu Generation ab. Denn um ein Dhivehi Libaas anzufertigen, braucht es viel Geduld - und um ein solches Kleid kaufen zu können, viel Geld. T-Shirts und Jeans sind im Vergleich günstiger und für die Jugend auch moderner.
Vor zwei Jahren begann Muhsin, Informationen über das Kleid zusammenzutragen. Sie ging in Bibliotheken und suchte nach historischen Bildern. Hatte sie welche gefunden, ließ sie die Fotos vergrößern, um den Verlauf der einzelnen Nähte besser zu sehen. Sie durchforstete das Internet, sprach mit älteren Frauen, die das traditionelle Kleid noch besaßen und kontaktierte sogar die einstige Königsfamilie mit der Bitte, einen Blick auf deren alte Gewänder werfen zu dürfen.
Das Dhivehi (die Sprache der Malediven) Libaas gibt es in verschiedenen Farben wie Grün oder Lila, die populärste ist aber Rot. "Rot bedeutet Wohlstand", erklärt die junge Frau. Mehrfarbige trugen nur Mitglieder der Königsfamilie der Malediven.
Das Besondere am Kleid sind die aufwändigen Stickereien am Hals oder an den Handgelenken. Dafür werden Baumwolle, Seide sowie golden- und silberfarbene Metallfäden verwendet. Die Fäden werden zunächst aufwändig geflochten und anschließend in einer bestimmten Reihenfolge auf dem Kleid angeordnet. Diese Anordnung kann sich von Insel zu Insel unterscheiden. Die mühevolle Arbeit erklärt auch den Preis für ein einziges Kleid: 300 Dollar.
Auf Instagram und in Nähkursen teilt Muhsin ihr Wissen mit anderen - und die Neugierde steigt, denn mittlerweile sind die Kleider so selten zu sehen, dass das Tragen eines Dhivehi Libaas wieder attraktiv erscheint. Immer wieder posten junge Frauen über den Kurznachrichtendienst Twitter Bilder von sich in den Kleidern.
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in Malé
Die Malediven, die mehrere hundert Kilometer vor der Westküste Indiens liegen, bestehen aus über 1000 Inseln - viele davon sind nach wie vor unbewohnt. Die Bevölkerung wird auf etwas mehr als 540.000 Menschen geschätzt, wobei die meisten, nämlich ein Drittel, auf der Hauptinsel Malé leben. In der Vergangenheit hatte die Handwerkskunst der Malediven einen ausgezeichneten Ruf, der weit über das Land hinausreichte. Mit der Industrialisierung und der Öffnung der Märkte änderte sich das. Billigere Ware strömte ins Land und die Handwerkskunst verlor die Menschen, die sie betrieben, an den Tourismussektor. Der Tourismus ist, neben der Fischerei, mittlerweile der größte Wirtschaftszweig der Malediven.
Zu den traditionellen Handwerkskünsten zählen neben der Näherei das Schmieden von Silber, das Lackieren oder die Herstellung von Seilen. Dabei nutzen die Bewohner die äußeren Fasern der Kokosnuss - die getrockneten Fasern werden zwischen den Handflächen hin- und hergedreht, damit sie sich untereinander verknüpfen.
Berühmt und begehrt: Matten aus Schilf
Das Weben von Matten dürfte die wohl bekannteste Handwerkskunst der Malediven sein. Auf den Matten, die aus Schilf bestehen, wird nicht nur gesessen und geschlafen, sondern auch gebetet. Einzelnen Atollen und Inseln wird zugeschrieben, dass dort die besten Handwerker auf deren Gebiet leben. So sollen die Menschen des Huvadhoo Atolls am besten die dekorativen Elemente des Dhivehi Libaas fertigen können und die besten Goldschmiede soll es auf der Insel Rin'budhoo in Dhaalu Atoll geben.
Mohamed Usman und sein Sohn Maisaan verdienen mit Holz, Lack und ihrer Kreativität ihr Geld. Aus Holz werden zunächst kleine Dosen zum Aufbewahren von Schmuck gefertigt. Um diese vor Schmutz zu bewahren, tragen sie eine Schutzschicht auf. Grundlage dafür ist Baumharz, das geschmolzen und gefärbt wird. Dieses tragen die beiden Männer auf das Holz auf und lassen die Farben, bei Bedarf, ineinander verschwimmen.
Die farbenfrohen Dosen, Schüsseln und auch Stiftehalter werden in den Souvenirläden der Hotels angeboten. 100 Dollar verdient die Familie mit dem Verkauf pro Tag. Maisaan Usman macht diese Arbeit gern. Seine berufliche Zukunft sieht er aber in einer anderen Branche - wie so viele andere Männer und Frauen will er im Tourismus arbeiten.
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Anreise
Mit dem Flugzeug sind es etwas mehr als sechs Stunden Flugzeit zum Beispiel bis Dubai. Der zweite Flug dauert in etwa vier Stunden bis nach Malé, der Hauptstadt der Malediven. Es gibt auch Direktflüge ab Deutschland. Die einzelnen Inseln steuern Boote oder Wasserflugzeuge an.
Wohnen:
Le Méridien Maldives Resort & Spa, Lhaviyani-Atoll, Thilamaafushi Island, seit April 2023 leitet der gebürtige Kölner Thomas Schult das 5-Sterne-Hotel. Die Besonderheiten des Hotels: Kinderbetreuung, investiert viel in das Thema Nachhaltigkeit etwa durch ein eigenes Gewächshaus auf der Insel. Auf der Insel arbeitet eine Meeresbiologin, die Einblick in die Unterwasserwelt gibt - und den weiblichen Angestellten des Hotels das Schwimmen beibringt.
Beste Reisezeit:
In der Nebensaison sind die Preise auf den Inseln etwas günstiger. Dass zwischen Mai und Oktober Regenzeit ist, sollte nicht abschrecken. Zwar regnet es in dieser Zeit häufiger als sonst, aber die Schauer sind oft nur von kurzer Dauer. Danach lässt sich die Sonne wieder blicken.