Friaul-Julisch Venetien ist Alpe-Adria im Kleinen

Gipfel, Weinhügel, Grado am Meer: Das ist die nahe, stille Ecke Italiens

Matthias Niese

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9.5.2023, 15:14 Uhr
Der Luschani-Berg mit seinem Wallfahrerdorf (Monte Lussari) ist eines der am häufigsten besuchten und fotografierten Ziele in Friaul-Julisch Venetien. Nur vier Kilometer entfernt sind Kärnten und Slowenien.

© Matthias Niese Der Luschani-Berg mit seinem Wallfahrerdorf (Monte Lussari) ist eines der am häufigsten besuchten und fotografierten Ziele in Friaul-Julisch Venetien. Nur vier Kilometer entfernt sind Kärnten und Slowenien.

Endlich mal wieder ans warme Meer, nach so vielen Pandemie- und Wintermonaten. Viele wollen erst mal nur entspannen und ein bisschen was erleben – und nicht so weit fahren. Dort, wo sich das Mittelmeer nur 650 Autobahnkilometer von Nürnberg entfernt am weitesten nach Norden streckt, liegt auf einer Insel das Lagunenstädtchen Grado in der italienischen Provinz Friaul-Julisch Venetien.

Wir sind an der oberen Adria, doch hier ist es anders als am Teutonengrill in Lignano Sabbiadoro, Lido di Jesolo oder Bibione. Dort sind die Strände weit und tief und mit Liegen und Schirmen gepflastert, ein Hotel reiht sich in diesen Retortenstädten ans andere.

Grado ist ein gewachsenes Städtchen

Grado ist authentisch, hier leben das ganze Jahr über 8000 Menschen. Es hat zwei schöne, flache Strände mit klassischen italienischen Strandbädern (den Bagni), einen historischen Ortskern mit verwinkelten Gassen, einen hübschen Platz mit vor-romanischer Basilika, einen Turm aus der Zeit der Völkerwanderung und römische Überreste, die die Besucher beim abendlichen Bummel bestaunen.

Auf der Insel Barbana, in der Mitte der Lagune von Grado, befindet sich ein Franziskanerkloster (heute unter dem Vorsitz von Benediktinermönchen), das vor 1400 Jahren erbaut wurde

Auf der Insel Barbana, in der Mitte der Lagune von Grado, befindet sich ein Franziskanerkloster (heute unter dem Vorsitz von Benediktinermönchen), das vor 1400 Jahren erbaut wurde © Matthias Niese

Nur 4000 Gästebetten stehen in der Gemeinde, dazu kommen drei Campingplätze an sehr flachen, kinderfreundlichen Stränden mit starkem Gezeitenwechsel und einer ausgeprägten Ebbe. Durch Grados Sträßchen schieben sich keine Touristenmassen – viele Italiener machen hier Urlaub, viele Österreicher und Deutsche haben hier Ferienwohnungen. Einige stehen morgens vor dem kleinen Fischladen nahe des Hafens, um Aal, Meeräschen, Wolfsbarsch oder Goldbrasse aus dem Meer und der Lagune mit ihren 100 Inselchen zu erstehen.

Mit den Fischern in die Lagune schippern

Wer mag, kann mit den Fischern direkt vom Hafen am Canale della Schiusa, der sich weit ins Zentrum Grados reckt, hinausfahren ins Valle Pesca Longal – das Tal der Fischer mit seinem weit verzweigten Netz an Kanälen in der 160 Quadratkilometer großen Lagune. Über der Wasserlandschaft erhebt sich weit sichtbar auf dem Inselchen Barbana eine hübsche Wallfahrtskirche mit Kloster, vor dem geschäftstüchtige Mönche die Tagesgäste leiblich und seelisch stärken.

Auf einigen der mitten im Brackwasser liegenden Inselchen sieht man reetgedeckte Casone. In den alten Fischerhütten lebten früher die Familien und vertrauten ihren Fang einem Kurier an. Der holte ihn täglich ab und brachte ihn auf den Markt in die Stadt, gleichzeitig versorgte er die Fischer mit dem Allernötigsten. Diese Zeiten sind vorbei, heute nutzen die Fischerfamilien die Hütten für entspannte Tage am Wochenende oder vermieten sie.

Wer mehr Natur erleben möchte, sollte die nahen Naturschutzgebiete auf der Isola della Cona oder im Valle Cavanata zu Fuß oder mit dem Rad besuchen – und ein Fernglas mitnehmen. Über 260 Vogelarten leben und nisten hier oder machen als Zugvögel Zwischenstation, um sich satt zu fressen.

In Aquileia steht Hochkultur vom Feinsten

Nur zehn Kilometer nördlich von Grado können Sie Hochkultur von Weltrang bestaunen, die frühchristliche Basilika von Aquileia. Ihre Bischöfe hatten den Rang von Patriarchen, sie machten dem Papst in Rom Konkurrenz und demonstrierten ihre Macht im bedeutendsten Bodenmosaik ganz Italiens aus dem 4. Jahrhundert nach Christus.

Viele kommen aber vor allem wegen der Römischen Anlagen her, auf denen die Stadt errichtet wurde und die sich im Freigelände verteilen. Wer hier durch die Natur schlendert, kommt etwa an den alten Hafenanlagen vorbei oder läuft über die Mosaike zweitausend Jahre alter römische Villen. Danach schmeckt ein heißer Kakao aus der nahen Schokoladenfabrik Cocambo besonders gut.

Pick & Taste heißt das Schlemmerangebot von FVG-Tourismo, wo man wie hier beim Weingut I Feudi di Romans Wein und Picknickkörbe mit Decken bereitgestellt bekommt und mitten zwischen den Reben genießt.

Pick & Taste heißt das Schlemmerangebot von FVG-Tourismo, wo man wie hier beim Weingut I Feudi di Romans Wein und Picknickkörbe mit Decken bereitgestellt bekommt und mitten zwischen den Reben genießt. © Matthias Niese

Die Provinz Friaul-Julisch Venetien ist unter Feinschmeckern bekannt, hier überlagern sich italienische, österreichische und slowenische Kultur und sorgen für eine Vielfalt wie fast nirgends in Italien. Testen können Sie das bei einem ganz besonderen Angebot des Tourismusverbandes: Bei Pic&Taste fahren Sie etwa auf ein Weingut vor den Toren der Stadt und bekommen einen Picknickkorb voller Spezialitäten, darunter Rohschinken, Käse, Maisbrot, Oliven und exotische Marmeladen plus einer Flasche Friaulischen Weines.

Sie verkosten die Leckereien dann mitten zwischen den Reben bei Sonnenuntergang. Zurück am Strand genießt man das entspannte Strandleben eines lässigen Ortes, der mit 12 bis 15 Sonnenstunden von April bis in den November eine besonders lange Saison hat.

Zeit für Entdeckungen im Hinterland

Nach einer Woche am flachen Sandstrand surren die Hummeln im Hintern. Denn Friaul-Julisch Venetien steckt voller Attraktionen zwischen Meer und Alpen, zwischen italienisch- deutsch- und slawischsprachigem Siedlungsgebiet – und fast alles können Sie mit der FVG-Card besuchen.

Auf der mehrtägigen Rückreise gleiten wir sanft über den Badeort Sistiana nahe der Hafenstadt Triest in unsere Tour hinein. Hier, nur etwas über 30 Kilometer südöstlich von Grado, erhebt sich bereits das zerklüftete Karstgebirge aus der Ebene und erstreckt sich über Slowenien und Istrien weit hinunter in den Balkan. Die Landschaft ist bewegt und durchlöchert wie ein Käse, das Wasser versickert im kargen Boden, die von hohen Felswänden überragten Strände bestehen aus Kieselsteinen.

Am Campingplatz beginnt der Rilke-Weg, benannt nach dem böhmischen Dichter, der sich hier oft aufhielt und angeblich die Klippe entlang bis zum Schloss Duino gewandert ist. Das thront auf einem Felsen über der Bucht von Triest – links sieht man die Hafenstadt, rechts geht der Blick weit über Grado und seine Lagune hinaus.

In die andere Richtung erreicht man mit Bus, Auto oder Fahrrad in der Bucht von Grignano das schneeweiße Habsburgerschloss Miramare, in dem oft die österreichische Kaiserin Sissi wohnte – das Gebäude mit seinem weitläufigen Park zieht entsprechend viele Touristen an.

Ein Stück dahinter liegt das BioMa-Meeresschutzmuseum, das die zerbrechliche Unterwasserwelt der Region zeigt. Wer noch mehr Kulturgeschichte erleben will, bestaunt in der Stadt am nördlichsten Zipfel des Mittelmeeres im Werftmuseum Monfalcone die Geschichte des Schiffsbaus – an manchen Tagen sind Werft-Touren inklusive. Alle Sehenswürdigkeiten erreichen Sie bequem von Sistiana aus per Bus.

Die Grotta Gigante verschlingt die Urlauber

Nach so viel Kultur ist Zeit für Natur. Die verschluckt 15 Kilometer nördlich von Triest die Besucher im Schlund der Grotta Gigante, 1840 bei der Suche nach Wasser entdeckt. Bis 2010 galt sie als die größte Schauhöhle der Welt. Stufe um Stufe steigt man hinab, bis sich eine knapp 100 Meter hohe und 170 Meter lange Halle voller Tropfsteinen öffnet. In Serpentinen führt der Weg hindurch, auf der anderen Seite schraubt sich die Treppe wieder hinauf – ein gigantisches Erlebnis im Karst, der auf italienischer Seite 3000 und jenseits der nahen slowenischen Grenze 12000 bekannte Höhlen birgt – Weltrekord!

Die Grotta Gigante nahe Triest war bis vor kurzem die größte Schauhöle der Welt.

Die Grotta Gigante nahe Triest war bis vor kurzem die größte Schauhöle der Welt. © Matthias Niese

Wir fahren die Grenze gen Norden entlang, in Italien sind hier die Dörfer von Slowenen bewohnt, alles ist zweisprachig beschriftet. In San Michele del Carso betreibt Sara Devetak eine Schaufarm für Kinder und serviert auf Anfrage ihren Käse, Salami und Rohschinken zu selbst gebackenem Brot und Marmeladen als Dip – eine lukullische Kreuzung slowenisch-italienischer Spezialitäten.

Endlose Hügel voller Reben

Weiter gen Norden beginnt das Friulische Weinland, überall auf den sanften Hügeln wachsen Reben, zwischen den Winzerdörfern liegen in der Landschaft Weingüter, die Verkostungen anbieten. Mittendrin: Cividale del Friuli, eine mittelalterliche Kleinstadt in dicken Mauern – und Weltkulturerbe. Ein Tag dort reicht schon wegen der vielen Museen kaum aus, trotzdem ist der Ort authentisch und nicht überlaufen.

Fahren Sie weiter gen Norden, überqueren das weite Kiesbett des Tagliamento und fahren bei Bordano ins Tal der Schmetterlinge. Dort entdecken Sie besonders viele schöne Exemplare bei einer Rundwanderung. Die brillantesten der Welt zeigt das Casa delle Farfalle in nach Kontinenten unterteilten tropischen Glashäusern.

Das Schmetterlingshaus bei Bordano.

Das Schmetterlingshaus bei Bordano. © Matthias Niese

Im wenig ansehnlichen Wintersportort Sella Nevea mitten in den Julischen Alpen können sich Familien im Selle Nevea Adventure Park im Hochseilgarten austoben, im nahen Tarvisio auf der Sommerrodelbahn den Hang hinabsausen oder auf einer nur zwei Kilometer langen Rundwanderung über Stege die spektakuläre Slizza-Klamm erkunden. Hier die Tour zum Nachmachen mit viel mehr Fotos: www.komoot.de/tour/468321043

Der Pilgerberg krönt die Reise

Bevor es vier Kilometer hinter Tarvisio über die Grenze nach Kärnten geht, müssen wir die beiden Laghi di Fusine (Weißenfelser Seen) und den Pilgerberg Monte Lussari besuchen. Die Seen schimmern türkis in der Bergwelt, der obere See wird umarmt von einem Bergmassiv, an das sich die Seealm mit ihren grünen Weiden anschmiegt. Unsere knapp neun Kilometer lange Rundtour bringt Sie an die schönsten Punkte: www.komoot.de/tour/467593326

Die Weißenfelser Seen (Laghi di Fusine) sind ein Postkartenmotiv.

Die Weißenfelser Seen (Laghi di Fusine) sind ein Postkartenmotiv. © Matthias Niese

Der Monte Lussari oder Luschariberg krönt unsere Adria-Alpen-Reise. Mit der Seilbahn geht es von Tarvisio hinauf auf knapp 1800 Meter in ein kleines Pilgerdorf mit Kirche, mehreren bewirtschaftete Herbergen und leider auch ein paar mit Kuckucksuhren und anderem Nippes überladenen Souvenirläden. Hier startet zum Abschluss eine fünf Kilometer lange Tour über 300 Höhenmeter hinauf zum Gipfelkreuz des Cacciatore: www.komoot.de/smarttour/1643195.

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