Die Reise-Prognosen der digitalen ITB 2022

Ukraine-Krieg und Pandemie: Beim Urlaub steht uns auch eine Zeitenwende bevor

Matthias Niese

Leben / Magazin am Wochenende / Gute Reise

E-Mail zur Autorenseite

14.3.2022, 09:54 Uhr
Wie wird der Urlaub nach Corona? Ein paar klare Trends zeichnen sich schon länger ab.

© Sebastian Kahnert/dpa, NNZ Wie wird der Urlaub nach Corona? Ein paar klare Trends zeichnen sich schon länger ab.

Endlich finden die ersten Messen wieder statt, doch für die weltgrößte Tourismusmesse ITB kamen die Corona-Lockerungen zu spät. Fachleute aus aller Welt hätten sich in der vergangenen Woche in Berlin ausgetauscht, das ging auch 2022 nur digital.

Die gute Nachricht: Die Tourismusbranche erreicht in diesem Jahr voraussichtlich immerhin 80 Prozent des Umsatzes von vor der Pandemie, der Dienstleister Statista prognostiziert 2024 sogar mehr Tourismus als 2019. Allerdings hat die Corona-Pandemie unser Reiseverhalten nachhaltig verändert, so die Global Consumer Survey (GCS) von Statista aus dem Februar 2022 mit mehr als 2000 Befragten.

Wie trifft der Ukrainekrieg den internationalen Tourismus?

Die beiden Staaten Russland und Ukraine sind für Deutsche nur eine winzige Nische als Ferienziel gewesen – bis auf Städtetourismus in St. Petersburg oder Moskau und Zugreisen etwa durch Sibirien nahezu unbedeutend für die hiesige Reisebranche. Ukrainer und Russen gaben 2019 für grenzüberschreitenden Reiseverkehr ins Ausland nur rund drei Prozent des weltweiten Volumens für Reisen aus. Bricht der Tourismus aus diesen und in diese Länder weg, ist das tragisch, aber kein Schock für die Branche.

Durch den Ukrainekrieg werden Lufträume gesperrt - umständlichere, teurere Flüge sind die Folge.

Durch den Ukrainekrieg werden Lufträume gesperrt - umständlichere, teurere Flüge sind die Folge. © Julian Stratenschulte, dpa

Länder wie die Türkei oder Ägypten werden aber wegen des Krieges, der Sanktionen und des Wertverfalls des Rubels noch lange sehnsüchtig auf russische und ukrainische Gäste warten, die bevorzugt dort in der Wärme Urlaub gemacht haben.

Der Tourismus dämmerte wegen der Pandemie dort eh schon vor sich hin, man setzte auf Erholung und kalkulierte bereits Einnahmen aus der Rückkehr der osteuropäischen Urlaubermassen ein. Die muss man wohl noch länger abschreiben.

Das wird die Ferien dort aber vermutlich für uns günstiger machen. Spüren werden wir auch die umständlicheren Flugrouten etwa nach Südostasien wegen gesperrter Lufträume und die hohen Preise für Kerosin und andere Kraftstoffe. Flüge und Anfahrten mit dem Auto werden richtig teuer, weshalb viele wohl erneut auf eine längere (Fern-)Reise verzichten.

Das wird auf Reisen anders bleiben

Flexibilität: Die Deutschen brauchten früher im Schnitt drei Monate und mehr, um sich vor Reiseantritt für ein Ziel zu entscheiden – das schafft ein Viertel nun in unter vier Wochen. Doch sie sichern sich ab: Es wurden zehn Prozent mehr Reiserücktrittsversicherungen abgeschlossen als vor Corona, Reiseabbruchsversicherungen wurden sogar 20 Prozent mehr gekauft. Online-Buchungs-Apps wurden zu 40 Prozent mehr genutzt.

Mehr Deutschland-Urlaub: Binnentourismus ist im Trend: Im Juni 2019 waren noch 84 Prozent der in Deutschland Übernachtenden Deutsche, 2020 und 2021 waren es 94 Prozent. Die Rückkehr ausländischer Touristen wird diesen Anteil wieder senken, doch auch immer mehr unter 30-Jährige machen in Deutschland Urlaub. Insgesamt wollen 72 Prozent der reisenden Deutschen in den nächsten zwölf Monaten Inlandsferien machen, 2019 waren es nur 39 Prozent. Gründe: Nachhaltigkeit, außerdem könne Deutschland-Urlaub ebenso aufregend sein wie eine Auslandsreise.

Binnentourismus ist im Trend: hier Sommerferien im Schwarzwald bei Waldkirch.

Binnentourismus ist im Trend: hier Sommerferien im Schwarzwald bei Waldkirch. © Matthias Niese

Smarte Technik: Über die Hälfte aller Reisenden ist laut dem Diskussionsforum ITB-Kongress an neuer Technologie interessiert, die ihre Reisen digital begleitet und einfacher machen könnte. Darunter Erkennungstechnologie, etwa bei einem vollautomatischen Check-in in Hotel oder Flugzeug, Virtuelle Realität bei Besichtigungen, individualisierte Reiseempfehlungen, wenn man sich etwa gerade auf einem zentralen Platz befindet und der Besuch einer Kirche vorgeschlagen wird oder Künstliche Intelligenz, die bestimmte Bedürfnisse vorhersieht und etwa ein passendes Restaurant vorschlägt.

Workation: Vor allem moderne Städter erkennen für sich neben den klassischen Reiseformaten Urlaub, Familienbesuch, Sightseeing einen weiteren, neuen Reisegrund: das Arbeiten. Dafür gibt es natürlich schon einen englischen Fachbegriff: "Working from anywhere" oder auch "Workation".

Vorreiter war Sundar Pichai, Chef von Google: Er bot seinen Mitarbeitern an, bis zu vier Wochen zu reisen und dabei nebenbei für Google zu arbeiten. Seitdem wachsen dieser Idee neue Kunden zu, unzählige Hotels an Stränden oder in gefragten Metropolen bieten Workation zu günstigeren Tarifen und mit entsprechender Infrastruktur an. Der klassischen Geschäftsreise könnte das viel Potenzial kosten.

Verwandte Themen


Keine Kommentare