Am seidenen Faden: Crowdfunding hilft Fürths Kofferfabrik

25.4.2020, 12:00 Uhr
Am seidenen Faden: Crowdfunding hilft Fürths Kofferfabrik

© Foto: Hans-Joachim Winckler

München, 20. April, Tag der zweiten Regierungserklärung, die Markus Söder über die Maßnahmen in der Corona-Krise hält. Der ersten, die sich dem Thema Kultur widmet. "Kunst und Kultur gibt Hoffnung", sagt der Ministerpräsident. Ein paar Sätze mehr sagt er natürlich auch noch, das Hilfsprogramm für freischaffende Künstler – drei Monate à 1000 Euro, unter gewissen Bedingungen – sei an dieser Stelle erwähnt. Doch Hoffnung geben, das sagt sich leicht. Viel hat jedenfalls nicht gefehlt, und die Kofferfabrik wäre kein Hoffnungsgeber mehr, sondern ein hoffnungsloser Fall.


Das Fürther Babylon-Kino ringt um seine Existenz


Fürth, 18. März. Der totale Maschinenstopp gilt selbstredend auch für die Subkulturmanufaktur in der Langen Straße. Noch am selben Tag, nur wenige Stunden nach der Ankündigung der Staatsregierung, Soforthilfen für notleidende Betriebe flexibel und unbürokratisch zu gewähren, macht sich ein Antragsteller ans zwei Seiten umfassende Werk, Udo Martin sein Name. Über vier Wochen sind seitdem ins Land gegangen. Höhe der Summe, die aus Ansbach eingetroffen ist: null Euro.

Nein, er wolle keinesfalls einzig und allein mit dem Thema "Kofferfabrik in Not" in die Zeitung. "Ich spreche für die Gastronomie, für Mischbetriebe wie das Babylon, für die Clubs", und was er zu sagen hat, enthält 100 Prozent Galle. "Ich fand Söders Agieren anfangs gut. Inzwischen keimt in mir der Verdacht, dass die Politiker die gesamte Kultur töten. Sie trauen sich nur nicht, zuzugeben, dass wir den Bach runtergehen." Das sind noch die zitierfähigen Sätze aus Martins Suada.

Nichts eingenommen seit dem 18. März

Null Euro beträgt nämlich ebenfalls die Summe, die die Kofferfabrik – einziger Schließtag im Kalenderjahr: 1. Januar – seit dem 18. März eingenommen hat. Unter den Dutzenden Konzerten mussten auch dicke Brummer ausfallen, wie etwa der Auftritt der dänischen Bassistin Ida Nielsen, die in der Band von Prince unterwegs war, oder der französisch-englischen Classic-Rock-Expertin Laura Cox. Null Euro, aber 20 Mitarbeiter sowie jede Menge Fixkosten: Udo Martins Gespräche mit seinem Steuerberater gewannen an Dramatik – bis der Chef die Faxen und die Funkstille der Regierung von Mittelfranken dicke hatte.


Spenden auf Startnext: Die Crowd will Kneipen retten


"So, nachdem bis zur Stunde immer noch keine Kohle da ist, müssen wir jetzt zur Selbsthilfe greifen", nachzulesen im Facebook-Auftritt der Kofferfabrik vom 8. April. Über die Plattform Startnext startete Martin eine Crowdfunding-Kampagne. Adressaten: "Alle, die die Kofferfabrik mögen und lieben und sich in unserem ,Wohnzimmer‘ wohlfühlen." Das Feedback auf diesen Aufruf übertrifft die kühnsten Erwartungen der größten Optimisten im und um den alten Fabrikkomplex nahe der Stadtgrenze.

"Die Luft wird mit jedem Tag dünner"

"Die Luft wird mit jedem Tag dünner", so beginnt der Spendenaufruf. In einer ersten Phase hoffte Martin bis 30. April auf Spenden in Höhe von 20.000 Euro. 100.000 Euro wird der Betrieb bis Mai verloren haben; mit 20.000 Euro aber lassen sich die Löhne der Mitarbeiter und der vier Azubis auch im Mai bezahlen. Anders gesagt: Am Zahltag 27. April wäre die Kofferfabrik, seit immerhin drei Jahrzehnten eine feste Bank der regionalen Club- und Kulturszene, so gut wie erledigt gewesen.

Was sich aber am 8. April aufzutürmen begann, war eine meterhohe Welle der Hilfsbereitschaft. Aktuell sind bereits mehr als 26.000 Euro zusammengekommen. Das Überleben der Kofferfabrik bis Mitte/Ende Mai ist damit gesichert. Weitere 10.000 Euro sind das zweite, bis 15. Mai laufende Funding-Ziel; sie würden es ermöglichen, "unseren Leuten in Kurzarbeit und unseren Aushilfen, die noch nicht mal Kurzarbeitergeld bekommen, finanziell unter die Arme zu greifen".

Die große Fangemeinde hilft

Kurzfristig gerettet hat die Kofferfabrik – Udo Martin: "Es ist der Hammer, wie die Leute zu uns halten" – also nicht die Regierung, sondern die große Fangemeinde. Zu ihnen zählt eine Nürnberger Formenbau-Firmengruppe, deren Chef, ein "Koffer"-Besucher seit Jahr und Tag, den Crowdfunding-Aufruf am ersten Tag las und mit einem hohen vierstelligen Betrag in die Bresche sprang. "Solche Leute", sagt Udo Martin erleichtert, "geben mir den Glauben an den sozialen Arbeitgeber zurück."


Der zweite Schlag: Gedrückte Stimmung bei Fürths Wirten


Dennoch: Verlust bleibt Verlust, März und April sind für die Tonne, zumal das Herz der Kofferfabrik die Gastronomie ist. Mit den Einnahmen hier kann Martin die Künstler der Konzerte finanzieren. Doch selbst wenn die Küche wieder auf Betriebs-temperatur laufen sollte, reißtʼs nicht der Gast raus, der sich abends auf zwei Bierchen blicken lässt und wieder geht.

To Go kannst du in der Stadt machen

Das Haus lebt von Feiern, Jubiläen, Geburtstagen, "und ob all das sofort anläuft, bezweifle ich sehr", sagt der Chef. In die To-Go-Strategie wechseln während der Corona-Krise, wie es etwa die Comödie mit ihrem Brauhaus macht, will die Kofferfabrik nicht. "Wir sind zu weit draußen, das rentiert sich nicht. Das wäre eine reine Beschäftigungstherapie für das Küchenteam. So etwas kannst du mitten in der Stadt machen, aber nicht hier."

Also bleibt die Küche kalt, vorerst. Und öffnet am Sankt Nimmerleinstag, der Martin zufolge "hoffentlich irgendwann Ende Mai, Anfang Juni" ist. Der Kulturbetrieb Kofferfabrik soll wieder loslegen im September, zum regulären Saisonstart. "Ich behaupte, dass wir ab dann wieder Konzerte und Theater machen können. Die Künstler brauchen ja schließlich Sicherheit." Und: Hoffnung.

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