Fürther Theaterchef macht mit 66 Jahren Schluss

17.5.2020, 16:00 Uhr
Fürther Theaterchef macht mit 66 Jahren Schluss

© Hans-Joachim Winckler

17 Uhr, das ist die Zeit, da Leben in die Bude kommt. Normalerweise. Ensembles sprechen sich warm, tanzen sich warm, spielen sich warm, Techniker bauen die Bühne auf. Um 17 Uhr geht’s los im Stadttheater. "Ich tue mir das regelmäßig an, um 17 Uhr durchs Haus zu laufen", sagt Werner Müller, befragt, was er aktuell eigentlich so macht. "Diese Ruhe macht mich, offen gestanden, beklommen."

Der Lockdown hat dem Haus, Baujahr 1902, eine der vermutlich deprimierendsten Spielzeiten seiner Geschichte beschert. Seit Mitte März geht gar nichts mehr, und seit wenigen Tagen gilt der – von Müller beantragte – Beschluss der Referentenriege: Kein Vorhang geht mehr hoch bis zum Saisonende. "Wir haben", so der Intendant, "die Reißleine gezogen, weil wir unseren Abonnenten Klarheit verschaffen mussten". Auch sei aufgrund der internationalen Corona-Bestimmungen absehbar gewesen, dass der Spielplan nach Pfingsten nur noch "löchrig wie ein Schweizer Käse" gewesen wäre. Vom laufenden Probenbetrieb, der nicht mehr möglich war und ist, ganz zu schweigen.

"Es war eine Vollbremsung von 100 auf null, ein Schock", sagt Müller, der von jetzt auf gleich zum Schaffner auf einem Verschiebebahnhof mutierte. Die Premiere der "Verlorenen Ehre der Katharina Blum": verschoben auf April 2021. Einige Tages-Gastspiele: verlegt in den Spielplan 20/21, den das Haus in wenigen Tagen publik machen wird. Bei großen Gastspiel-Blöcken hingegen: keine Chance. Eine in Fürth heiß begehrte Compagnie wie das Nederlands Dans Theater kann nicht ohne Weiteres zu einem späteren Zeitpunkt antanzen, immerhin fünf Tanzmiete-Tage lang. Ja doch, Abteilungen wie Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Abo-Verwaltung hatten in den vergangenen acht Wochen alles, nur keine Langeweile. "Glücklicherweise ist das Feedback unserer Abonnenten überwiegend verständnisvoll und zugewandt", sagt Müller.

In enger Abstimmung mit der Bayern-Sektion des Deutschen Bühnenvereins laufen nun Vorbereitungen, wie und mit welchen Hygienemaßnahmen die Saison 20/21 zu stemmen ist. "Wir können nicht erst zeitgleich mit dem Spielplan starten. Es muss möglich sein, dass ab 1. September die Proben laufen." Auf dass es beizeiten wieder 17 Uhr wird und wieder was los ist.

In die Zeit des spielfreien In-der-Luft-Hängens platzt derweil eine unerwartete Nachricht. Um im Bild zu bleiben: Auf der Karriereuhr des 62-jährigen Intendanten ist es 17 vor 12. Nur noch drei statt sechs Jahre beträgt die Laufzeit des neuen und letzten Vertrags der Stadt mit Müller, auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin; er gilt ab 1. Januar 2021, endet am 31. Dezember 2023. Dann ist der Chef 66, "und nach der langen Zeit soll es das dann auch gewesen sein". Als jüngster Intendant an einem deutschsprachigen Haus kam der Schweinfurter im Herbst 1990 nach Fürth, derzeit und 2023 sowieso ist er der Dienstälteste. Vor wenigen Tagen segnete der Ferienausschuss den Vertrag ab.

Nach sagenhaften 30 Jahren also steht die Stadt vor einer Aufgabe, in der niemand Übung hat: eine Nachfolgerin oder Nachfolger für Müller zu suchen, der das Haus laut Kulturreferentin Elisabeth Reichert zu einem "Leuchtturm" der Metropolregion entwickelt und die Stadtgesellschaft in den Fokus gestellt habe. Eine Findungskommission soll, dies ist zumindest Reicherts Wille, ab 2021 auf die Suche gehen; Müller wäre dabei, "wenn dies gewünscht wäre". Und er betont: "Es müssen nicht nur interessierte, sondern interessante Kollegen eine Chance haben."

Noch liegt das Fürther Kulturleben Corona-bedingt im Dämmerschlaf. Doch bald schon braucht es hellwache Entscheiderinnen und Entscheider.

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