Gülseren Suzan-Menzel: Integration in Bildern

3.6.2013, 12:00 Uhr
Gülseren Suzan-Menzel: Integration in Bildern

© Roland Huber

Ihr Debütfilm handelt über Forchheim: Gülseren Suzan-Menzel und ihr Mann Jochen Menzel drehten 1994 „Als die Gäste blieben“. Eine knappe Stunde wird darin über die türkische Gemeinde in Forchheim berichtet, über türkische Arbeiter, die in den 60er Jahren nach Forchheim kamen, um maximal fünf Jahre zu bleiben und dann eine neue Heimat fanden. Sensible Porträts sind entstanden, die ungewöhnliche Einblicke geben und den Blick öffnen.


In Forchheim, Thuisbrunn — wo beide inzwischen wohnen — aber auch in Nürnberg und der Türkei hat das Ehepaar in den vergangenen Jahren immer wieder Kulturgeschichte in bewegte Bilder und persönliche Geschichten übersetzt.
Suzan-Menzels eigener Film könnte mit einem Bild vom verregneten Münchner Flughafen an einem Augusttag Ende der 60er Jahre beginnen. Gülseren Suzan ist 18 Jahre alt. Ihre Mutter hat in den vergangenen Jahren als Krankenschwester in Deutschland gearbeitet und holt nun die Tochter nach.

Der Vater lebt nicht mehr. Am Abend sind sie bei Kollegen der Mutter eingeladen: Es gibt Fleischwurstbrote und Kaffee. Gülseren Suzan kann nicht anders, sie sitzt am Tisch und beginnt zu heulen, so hat sie sich ihre Zukunft nach dem Abitur nicht vorgestellt. Jegliches Klischee scheint zu stimmen. Der Vater des Hauses führt sie ins Nebenzimmer, dreht solange am Weltempfänger, bis türkische Musik erklingt und sie lachen muss. Weil sie die Heimat hört und weil die Deutschen doch so fürsorglich und gutherzig sind.


Der erste Besuch endet damit, dass Suzan-Menzel wieder zurückkehrt in die Heimat, nach Diyabakir im Südosten der Türkei. Deutschland geht ihr aber nicht aus dem Kopf. Ein paar Monate später kommt sie erneut, dieses Mal offiziell als Gastarbeiterin.


Als Löterin arbeitet sie in einem Siemens-Werk, lernt nebenher Deutsch, so gut und schnell, dass sie bald von der Arbeiterin zur Studentin wird, das große Sprachdiplom absolviert und sich für Pädagogik einschreibt.
Zu dem Bild vom Wurstbrot essenden Deutschen kommen neue Bilder dazu, attraktivere. Die junge Türkin beginnt sich wohl zu fühlen.

Aldi-Tüten voll Briefe

Ab Mitte der 70er Jahre ist sie als Sozialberaterin bei der Arbeiterwohlfahrt in Nürnberg angestellt. „Wir waren zu viert und für 50000 Türken im Großraum Nürnberg, von Bamberg bis Weißenburg, zuständig.“ Mit Aldi-Tüten voller Behördenpost kommen die Landsleute und suchen Hilfe. Sie übersetzt Krankheits-Diagnosen, hilft bei Formularen, hört sich Sorgen und Nöte an. In Fürth hält sie einmal in der Woche Sprechstunde.
Auch die deutsche Seite, Ämter, Ärzte, wenden sich an sie, wenn sie die Sprachbarriere nicht überwinden können. Die Bilder, die beide Seiten vom jeweils anderen haben, sind unscharf oder überzeichnet, merkt Gülseren Suzan-Menzel. Und weil sie gerne zupackt, etwas bewegt, macht sie sich an die Arbeit — innerhalb der Awo und ehrenamtlich.
Anfang der 80er Jahre ist sie deshalb mit dabei, als der Ausländerbeirat (heute Integrationsbeirat) in Nürnberg gegründet wird, mehrere Jahre fungiert sie als dessen Vorsitzende. Sie engagiert sich im Arbeitskreis für Fachfrauen in der Ausländerinnenarbeit, gründet eine WG für türkische Mädchen, initiiert den Verein Kulturbrücke Fürth mit und setzt sich für den Türkisch-Deutschen Verein zur Integration behinderter Menschen ein.

Mitleid auf beiden Seiten
 

Den Frauen gilt ihr besonderes Augenmerk und einem für sie unhaltbaren Zustand: Deutsche Frauen bemitleiden türkische und umgekehrt. Die einen halten die anderen für rechtlos, benachteiligt und rückständig. Die anderen finden, dass deutsche Frauen von ihren Männern wenig beachtet, schnell verlassen und häufig betrogen werden. „Das alles aus reiner Unwissenheit.“

Um die Ansichten gerade zu rücken, gründet Suzan-Menzel 1991 den deutsch-türkischen Frauenclub Nordbayern, deren Vorsitzende sie derzeit auch ist. Ein Ziel unter vielen: Vorbilder sollen zeigen, wie vielschichtig deutsche Frauen mit türkischen Wurzeln sein können. „Sie können Kopftuch tragen oder nicht, sie können Geschäftsfrau sein oder Hausfrau, sie sind emanzipiert oder werden von ihren Männern unterdrückt, es gibt so viele Facetten.“
Anfang der 90er Jahre schließlich gründen Suzan-Menzel und ihr zweiter Ehemann, Jochen Menzel, Transfers Film und beginnen, Dokumentationen über das Zusammenleben der Deutschen mit und ohne türkische Wurzeln, zu drehen.


Gülseren Suzan-Menzel ist deutsche Staatsangehörige, gerne hätte sie zusätzlich den türkischen Pass behalten, denn bildhaft gesprochen, „ist die Türkei wie meine Eltern, man liebt sie, denkt oft an sie und besucht sie gerne. Deutschland ist wie mein Ehemann, ich liebe ihn, ab und an streite ich mit ihm, aber ich will immer mit ihm zusammenleben.“
 

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