Verlieren die Siedlungen ihr historisches Erscheinungsbild?

19.5.2019, 10:00 Uhr
Verlieren die Siedlungen ihr historisches Erscheinungsbild?

© Volker Dittmar

Die Stadt zieht zum Schutz historischer Bauensemble vor willkürlichen Veränderungen die Notbremse. Der Bauausschuss hat die Verwaltung beauftragt, Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen zu erlassen.

Für "bitter nötig" hält Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz diese Vorschriften. Seit fünf Jahren schon kämpft sie dafür. Allerdings nutzen die besten Bestimmungen nichts, wenn über deren Einhaltung nicht gewacht wird. Baureferentin Christine Lippert kündigte daher an, im kommunalen Stellenplan 2020 zusätzliche Baukontrolleure verankern zu wollen.

Schon 2015 hat der Landesdenkmalrat die sogenannte Beamtensiedlung zwischen dem Bahnhaltepunkt Alte Veste und der Zirndorfer Brücke als schützenswertes Ensemble eingestuft. Die zwischen 1922 und 1926 von der Baugenossenschaft Fürth für Beamte errichteten 55 Gebäude sind noch weitgehend originalgetreu erhalten. Mit ihren ursprünglich zur Eigenversorgung angelegten Gärten und den angebauten Kleintierställen bilden sie eine homogene Einheit. An den beschaulichen Wohnstraßen scheint die Zeit spurlos vorübergegangen zu sein. Der Ensembleschutz soll bewirken, dass das historische Erscheinungsbild erhalten bleibt.

Das Problem: Die Wohnräume sind nach heutigen Vorstellungen zu klein. Der Ensembleschutz engt die Bewohner bei Renovierungen jedoch weniger ein, als der von einzelnen Baudenkmälern. Denn im Inneren der Gebäude können Veränderungen auch ohne Zustimmung der Denkmalschutzbehörden vorgenommen werden. Die Baugenossenschaft Fürth-Oberasbach will sich von der alten Wohnanlage trennen und bietet die Häuser Mietern zum Kauf an. Die Auflagen des Ensembleschutzes sind in den Kaufverträgen verankert. "Wir wollen, dass die Siedlung in ihrer Historie für künftige Generationen erhalten bleibt", sagt Genossenschaftsvorstand Roland Breun.

Bewährtes Modell

Mit einer Gestaltungssatzung hat die Stadt bereits in der Dambacher Offizierssiedlung einer Zerstörung des historischen Erscheinungsbildes etwa durch Wintergärten und Fertiggaragen einen Riegel vorgeschoben. Unter Ensembleschutz steht auch das Wohnviertel des Stadtteils Eigenes Heim in landschaftlich reizvoller Hanglage oberhalb der Vacher Straße. Die malerischen Siedlungshäuschen sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Art der Gartenstädte ins Grün eingebettet worden.

Verlieren die Siedlungen ihr historisches Erscheinungsbild?

© Volker Dittmar

Mit ihren heruntergezogenen, abgestuften Dächern, den kleinen Gauben, Fensterläden und Lattenzäunen sind sie Ausdruck des Jugendstils mit seiner Sehnsucht nach Rückkehr zur Natur. Bauherren und Architekten wollten sich damit auch von dem vorherrschenden Stil der Gründerzeit, dem Historismus, absetzen.

Doch der Zahn der Zeit nagt an den Siedlungshäuschen. Und die Stadtheimatpflegerin ist besorgt, weil auch hier im Zuge von Eigentümerwechseln bereits Veränderungen an den Gebäuden vorgenommen worden sind, die nicht in die historische Formensprache passen. Jungkunz berichtet von unpassend bemalten Jägerzäunen, Sichtschutzblenden, neuen Hauseingängen und Fassadenfarben, die sich nicht an der Nachbarschaft orientieren.

Von etwa einem Drittel der Gebäude will sich die Baugenossenschaft Eigenes Heim nach Angaben ihres Vorstands Marcus Zierer trennen. Einen Gestaltungsleitfaden habe man bereits vor einem Jahr der Stadt zukommen lassen. "In beiden Siedlungen wurden in jüngster Zeit Veränderungen festgestellt, die dem Erhalt der herausragenden städtebaulichen, gestalterischen und denkmalpflegerischen Qualität entgegenstehen", warnt das Stadtplanungsamt.

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