1. Dezember 1969: Untrüglicher Beweis

1.12.2019, 07:00 Uhr
1. Dezember 1969: Untrüglicher Beweis

© NN

Während überall im Bundesgebiet, selbst beim Wiesbadener Bundeskriminalamt und beim Münchener Landeskriminalamt, Täter oft nicht gefaßt werden, weil die Auswertungsmethoden veraltet sind, steht die Nürnberger Polizei als beispielgebend da: sie hat sich bereits seit geraumer Zeit auch für die Daktyloskopie die Elektronik zunutze gemacht.

Allein in diesem Jahr wurden in Nürnberg auf diesem Weg neun Täter erwischt, denen man mit der alten, bisher noch überall verbreiteten Methode, niemals auf die Spur gekommen wäre. Das wird sich herumsprechen. Und sicherlich wird es bald in Ganovenkreisen heißen: überall können wir uns eher tummeln als in Nürnberg, lieber vor den Augen des Bundeskriminalamts in Hessens Landeshauptstadt.

Weshalb kann die herkömmliche Auswertungsmethode nie zu dem Fahndungserfolg führen, wie sie die Elektronik ermöglicht? In der „alten“ Kartei der Nürnberger Stadtpolizei sind bis heute, 66 Jahre nach Einführen der Daktyloskopie in Frankens Metropole, 220.000 Personen durch ihre Fingerabdrücke registriert, Leute, die irgendwann einmal auf die verschiedenste Weise straffällig geworden sind.

1. Dezember 1969: Untrüglicher Beweis

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Die Kartei wird natürlich in gewissen Abständen der Gegenwart angepaßt. Ganoven, die vielleicht vor 30 Jahren einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind und inzwischen das blühende Alter von 80 Jahren erreicht haben, werden aus der Kartei entfernt. Neue Delinquenten kamen hinzu, so daß der Bestand immer wieder „ausgeglichen“ wurde.

In dieser „alten“ Kartei sind die Abdrücke aller zehn Finger erfaßt, die nach einem bestimmten Schlüssel in eine einzige Formel gekleidet sind. Nun kommt es ja so gut wie nie vor, daß beispielsweise ein Einbrecher am Tatort gleich alle zehn Fingerabdrücke hinterläßt. Und schon versagt das Auswertungssystem, das nur auf zehn Finger abgestellt ist.

Aus diesem Grund wurden auch die Abdrücke jedes Fingers bei potentiellen Verbrechern – aber nur bei ihnen – einzeln in Formeln gefaßt registriert. Ein Betrüger beispielsweise, dessen zehn Finger „gesammelt“ aufbewahrt werden, könnte also jahrelang Einbrüche begehen und einzelne Fingeabdrücke hinterlassen, ohne daß man ihn mittels Daktyloskopie faßt.

Für Nürnberg wäre aber auch dieser Fall sehr schnell geklärt, und bisher leider nur in Nürnberg: hier werden seit Mai 1967 alle neuen Kriminalfälle elektronisch erfaßt. Inzwischen wurde der Computer mit den Abdrücken aller zehn Finger eines jeden der 6000 hinzugekommenen Ganoven „gefüttert“, wobei jeder Finderabdruck mit einer Formel versehen ist, wie dies bisher nur bei potentiellen Tätern der Fall war. Es genügt schon, wenn der Gesuchte am Tatort nur einen Bruchteil eines Fingerabdrucks hinterläßt. Zwölf mit dem registrierten Abdruck übereinstimmende Merkmale genügen bereits, um dem Täter auf die Spur zu kommen.

Hier ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Bruo V., 21 Jahre alt, und schon zweimal vom Erkennungsdienst der Kripo wegen Homosexualität und Betrugs „behandelt“, verlegte sich auf Einbruch. Nachts drang er in ein Büro in der Fürther Straße ein. An einer Scherbe des zerbrochenen Glasfensters und auf einer Bierflasche fanden die Kripobeamten Teile von Abdrücken eines rechten Zeigefingers. In mühevoller KIeinarbeit wurde der Abdruck klassifiziert, und es kam die Formel heraus: „2 L 142 +“. Das Kreuz am Schluß bedeutete, daß ein Merkmal fehlte.

Der Computer wurde mit der halbfertigen Formel gefüttert. Er „spuckte“ sage und schreibe 97 Personen aus. Immerhin war der Kreis der Verdächtigen und zu überprüfenden Personen erheblich zusammengeschrumpft. Nummer 34 auf der Liste war Bruno V. Ein letzter visueller Vergleich ergab: die richtige Formel für den Finderabdruck lautete „2 L 1421“.

Es wäre nun falsch, der herkömmlichen Methode der Daktyloskopie jede Berechtigung abzusprechen. Selbst wenn sie im „Zehn-Finger-System“ kein Fahndungsmittel ist, so kann man wenigstens die Täter, wenn man sie auf andere Weise gefaßt hat, aufgrund des gefundenen Fingerabdrucks überführen.

Es ist bekannt, daß die Papillarlinien in der Hand eines jeden Menschen denen eines anderen vielleicht ähnlich, nie aber gleich sind. In vielen Ländern der Erde wird die Abnahme von Fingerabdrücken zu Erkennungszwecken als etwas Selbstverständliches angesehen. So tragen die Kennkarten der amerikanischen Soldaten alle die Fingerabdrücke des Besitzers, die auch bei einer Zentrale registriert sind. Wird beispeilsweise ein Soldat in Vietnam bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, so kann seine Identität allein aufgrund der Fingerabdrücke geklärt werden.

Kriminaloberinspektor Karl Barth, Leiter der daktyloskopischen Abteilung im Nürnberger Polizeipräsidium, betont daher: „Fingerabdrücke sind für uns bessere Erkennungsmerkmale als vergilbte Paßfotos!“ Außerdem können sich Ganoven auf dem Schwarzmarkt Ausweise mit falschen Namen kaufen, nicht aber neue Fingerabdrücke.

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