Wirbel um Reichskriegsflaggen in Rothenburger Kiosk

4.2.2020, 15:39 Uhr
Die Flaggen waren gut sichtbar in der Auslage vor dem Souvenirladen platziert.

© Leonhard F. Seidl Die Flaggen waren gut sichtbar in der Auslage vor dem Souvenirladen platziert.

Rothenburg ob der Tauber ist ein Idyll, die Postkartenversion einer mittelalterlichen fränkischen Kleinstadt. Fachwerkhäuser, verschachtelte Gässchen, Türme, eine bewegte Geschichte. Immer wieder landet die ehemalige Reichsstadt deshalb auf den Top-Plätzen der beliebtesten Reiseziele der Republik. Jahr für Jahr strömen Zehntausende Touristen nach Rothenburg, aus den USA, aus Europa, aus Asien. Die Stadt ist so etwas wie Frankens Aushängeschild in der Welt, wenn man so will.

Flagge stammt aus der Zeit des Kaiserreichs

Jetzt sorgen dort ein paar Fahnen für Aufregung: Mindestens zwei Souvenirläden verkauften Reichskriegsflaggen, schwarz-weiß-rote Fahnen mit Reichsadler und Eisernem Kreuz. Die ursprüngliche Version der Flagge ist - zumindest rechtlich - unbedenklich. Besonders Neonazis verwenden die Fahne aber gerne als Erkennungssymbol. 

Im Rothenburger Fall handelt es sich um zwei Flaggen aus der Zeit des Kaiserreichs. "Die sind in keinster Weise verboten", erklärt Rainer Seebauer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Das Wort Reichskriegsflagge wecke vielleicht Assoziationen mit dem Dritten Reich, aber: Weder der Besitz noch der Verkauf seien strafbar. "Wenn die in Zusammenhang mit rechten Parolen oder Plakaten mit Hakenkreuz gezeigt wird, würde man sie vielleicht sicherstellen", führt Seebauer aus. Das war auf den ausgestellten Flaggen aber nicht der Fall.

"Symbol für blutigen, grausamen Krieg"

Dem Schriftsteller Leonhard F. Seidl stieß das vermeintliche Souvenir dennoch sauer auf. "Die Flaggen waren nicht ständig präsent, aber wenn ich daran vorbeigelaufen bin, habe ich mich schon geärgert", sagt er. Seidl schreibt gerade einen Roman, der auch in Rothenburg spielt - für die Recherchearbeit bekam er ein Stipendium des Mittelalterlichen Kriminalmuseums.  "Ich wollte die Zeit hier nutzen, um etwas Positives zurückzugeben." Deshalb suchte der Autor das Gespräch mit der Stadtspitze. 

"Die waren entsetzt", sagt Seidl nach einem Gespräch mit den Bürgermeistern Walter Hartl, Dieter Kölle und Kurt Förster. "Sie wussten nichts von den Reichskriegsflaggen." Auf einen Facebook-Post des Schrifstellers reagierten Hunderte. "Diese Fahne steht für einen blutigen, grausamen Krieg, der für uns unvorstellbares Leid im Namen deutschen Nationalismus über die Welt gebracht hat", schreibt Seidl, "was wohl auch der Grund sein dürfte, warum sie Neonazis gerne anstelle der Hakenkreuzfahne zeigen." 

In der Tat ist die Reichkriegsflagge ohne Hakenkreuz häufig auf entsprechenden Demonstrationen zu sehen. Neonazis argumentieren, sie sei ein Teil deutscher Geschichte. Bis 1892 war sie offizielle Flagge der Kaiserlichen Marine, auch später fand das Symbol immer wieder Verwendung. Das Mitführen der Flagge mit Hakenkreuz, wie sie zur Zeit des Dritten Reiches gängig war, ist gemäß Paragraph 86 des Strafgesetzbuches verboten - sie wird dann zum "Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen", wie es dort heißt. Theoretisch sind Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren möglich.

Händler zeigte sich einsichtig

Mittlerweile hat die Stadt Rothenburg reagiert. "Wir haben nach dem Gespräch mit Herrn Seidl Kontakt mit der Polizei aufgenommen", sagt der zuständige Rechtsdirektor Michael Sommerkorn. Eine Streife suchte den Kontakt mit den Besitzern der Souvenirläden. Dabei stellte sich heraus, dass es sich um rechtlich unbedenkliche Versionen der Flagge handelte.

"Wegen des Gesprächs mit der Polizei entschied sich ein Händler, sie dennoch aus dem Angebot zu nehmen", erklärt Winterkorn. "Der andere war nicht da." Ein tiefergehendes Problem mit Nazi-Symbolik hat Rothenburg nicht, so der Rechtsdirektor, ihm seien in seinen zehn Jahren bei der Stadt keine ähnlichen Fälle untergekommen. "Oft hilft das Gespräch, denn die Betreiber wollen meistens gar nicht so ein Bild abgeben, vielleicht haben sie etwas verwechselt." 

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