Katze hielt Corona-Wache in Treuchtlinger Bücherei

16.9.2020, 06:11 Uhr
 Katze hielt Corona-Wache in Treuchtlinger Bücherei

© Archivfoto: privat

Inzwischen ist es schon fast wieder wie früher. Wie vor den einschneidenden Ereignissen im März, die das Land in einen Lockdown geführt haben. Jetzt, im September, kommen die Leser wieder regelmäßig und weitgehend angstfrei in die Treuchtlinger Stadtbibliothek. Zwar laufen die Menschen noch mit Mund-Nasen-Schutz durch die romantische Czernohaus-Scheune, die die Bücherei beheimatet. Aber immerhin sind sie wieder da.

Im Frühjahr war das noch anders. "Ab dem 17. März hatten wir zu und erst am 12. Mai durften wir wieder aufsperren", berichtet Büchereileiterin Elisabeth Mayr. Sieben Wochen gespenstische Ruhe, sieben Wochen warten auf den Neubeginn – ein Szenario, dem sich alle 710 kommunalen Bibliotheken in Bayern stellen mussten. "Das war schon traurig, als wir da so standen, ganz ohne unsere Leser", blickt Mayr zurück.


Stadt fragt: Was wünschen sich die Treuchtlinger?


Viele Überstunden haben sie und ihr Team in dieser Zeit abgebaut. Ganz ohne Arbeit waren sie aber selbst in der Hochphase der Corona-Pandemie nie. Schließlich gibt es da noch Miezi, die Bibliotheks-Katze, deren Appetit auch in der Krise ungebrochen war. Allein schon um sie zu versorgen, musste Mayr regelmäßig in die Bücherei.

Neue Leser nach dem Lockdown

Trotzdem hat das aus Elisabeth Mayr, zwei festen Kolleginnen und zwei Aushilfen auf Stundenbasis bestehende Team versucht, die besonderen Umstände so gut wie möglich zu nutzen. "In den ersten beiden Lockdown-Wochen haben wir zum Beispiel alle ausgeliehenen Medien verlängert. Sonst wären unseren Leser ja Kosten entstanden", erzählt die Chefin. Außerdem verfügt die Bücherei über eine Rückgabe-Klappe – eine Art Briefkasten also, der den Kunden die Möglichkeit gibt, Bücher, CDs und andere Medien kontaktfrei zurückzugeben.

Immerhin hat die Corona-Krise der Bibliothek auch ein neues Publikum erschlossen. "Da sind jetzt Leute gekommen, die gemerkt haben, dass man nicht den ganzen Tag nur fernsehen kann", sagt Mayr. Auf der anderen Seite gebe es aber auch ältere Leser, die Angst hatten und haben, sich anzustecken, und deshalb nicht oder nur zögerlich wiederkämen.

Den höchsten Anteil an regelmäßigen Besuchern in der Einrichtung zwischen Rathausplatz und Kanalstraße machen ohnehin die Kinder aus. Für diese Altersgruppe stehen insgesamt rund 4000 Bücher bereit – vom einfachen Bilderbuch bis zum spannenden Jugendroman. Ein Angebot, das Treuchtlingen nach Ansicht der Büchereichefin bereichert und einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Bildung leistet.

Kommt ein Förderverein?

Der Kampf um ausreichend Geld sei trotzdem nicht immer einfach. "Wir werden manchmal etwas stiefmütterlich behandelt", bedauert Mayr mit Blick auf das nahe Rathaus. In der Vergangenheit sei ihre Einrichtung oft eher als Kostenfaktor gesehen worden. "Da wurde schon laut über eine Schließung nachgedacht. Das ist jetzt aber absolut nicht mehr der Fall. Bürgermeisterin Kristina Becker ist eine Frau der Bildung", lobt Mayr.

Einen erster Gedankenaustausch mit der neuen Frau an der Stadtspitze hat es bereits gegeben. Dabei ist die Idee entstanden, einen Förderverein zu gründen, um den finanziellen Spielraum der Bücherei zu vergrößern. Konkrete Pläne gibt es bisher allerdings nicht, das Projekt ist vorerst nicht mehr als ein Gedankenspiel – wenn auch eines, das Potenzial hätte, einige von Mayrs Problemen zu lösen.

"Bei uns entspricht im Prinzip die Öffnungszeit der Arbeitszeit. Das heißt, alles, was wir darüber hinaus machen, führt gleich zu Überstunden", berichtet sie. Das Organisieren von Lesungen oder das obligatorische Bücherbestellen brauche aber manchmal etwas mehr Zeit. Ein Förderverein könnte Ehrenamtliche zur Unterstützung bereitstellen oder Mayr und ihrem Team einen Teil der Überstunden vergüten.

Weißenburg erhält Förderung

Natürlich gibt es auch öffentliche Fördertöpfe, die Büchereien zur Verfügung stehen. Mayrs Kollegen in Weißenburg etwa haben sich Ende August knapp 10 000 Euro aus dem "Soforthilfeprogramm für zeitgemäße Bibliotheken in ländlichen Räumen" gesichert. Den Betrag wollen die Verantwortlichen dort für einen behindertengerechten Zugang und neue digitale Angebote verwenden.

Das Programm verantwortet der Deutsche Bibliotheksverband, der damit nach eigenen Angaben "bundesweit zeitgemäße Bibliothekskonzepte in Kommunen mit bis zu 20 000 Einwohnern" unterstützen möchte. Büchereichefin Mayr hat von dem Angebot jedoch erst aus der Zeitung erfahren. Für Treuchtlingen wäre eine Bewerbung in diesem Fall aber wohl ohnehin nicht in Betracht gekommen: "Oft muss man da ein recht umfangreiches Konzept vorlegen. Um das zu erarbeiten, fehlt uns einfach die Zeit", sagt Mayr.

2022 wird Jubiläumsjahr

Am 24. September hat die Büchereileiterin nun Gelegenheit, dem neuen Stadtrat diese Problematik persönlich zu erklären. Dann nämlich werden die Ratsmitglieder der Bibliothek einen Besuch abstatten. Mayr freut sich darauf, ihr Haus vorzustellen und mit den Mandatsträgern ins Gespräch zu kommen.

Unterdessen soll Schritt für Schritt wieder etwas mehr Leben in die Räume der Czernohaus-Scheune einziehen. So würde Mayr gern bald wieder Autorenlesungen abhalten. Nächstes Jahr soll die Bücherei auch wieder bei den "Herbstlichtern" ihre Türen für das Publikum öffnen.

Für 2022 will sich die Leiterin dann etwas ganz Besonderes einfallen lassen. 30 Jahre wird der Umzug der Stadtbibliothek aus dem Verkehrsamt an den jetzigen Standort in der Marktgasse dann her sein. Bis dahin existieren der März 2020, die Corona-Pandemie und ihre Folgen hoffentlich nur noch in der kollektiven Erinnerung.

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