Kristina Becker: Die ersten 100 Tage als Treuchtlinger Bürgermeisterin

4.8.2020, 05:57 Uhr
Kristina Becker: Die ersten 100 Tage als Treuchtlinger Bürgermeisterin

© Foto: Jürgen Leykamm

Eine Frau als Bürgermeisterin einer bayerischen Gemeinde ist auch im Jahr 2020 noch eine Exotin. Von den 2056 Gemeinden im Freistaat werden lediglich 206 von Frauen "regiert" (darunter auch die Großstädte Augsburg und Regensburg). Treuchtlingen hat seit dem 1. Mai mit Kristina Becker (CSU) auch eine Bürgermeisterin an der Spitze, die ihre ersten 100 Tage im Amt trotz der aktuellen, coronabedingten Widrigkeiten gut gemeistert hat.

Sie selbst beschreibt sich als sehr kommunikativ, was für eine Bürgermeisterin sicherlich hilfreich ist. Doch große Reden vor großem Publikum mussten bislang noch wegen der Corona-Bestimmungen ausfallen – abgesehen von den Bürgerversammlungen zur Wahl der Ortssprecher und Ortsausschüsse oder der Verabschiedung von Absolventen der Senefelder-Schule.

Kristina Becker will das Gespräch suchen

Dabei möchte Becker mit den Bürgern ins Gespräch kommen, um eine Stimmung, wie sie vergangenes Jahr in der Altmühlstadt geherrscht hat, zu vermeiden. Angesichts der doch massiven Verstimmungen mancher Treuchtlinger Bürger gegenüber dem ehemaligen Bürgermeister Werner Baum in Sachen "Wasserstreit" – obwohl auch fast alle anderen Stadtratsmitglieder damals für die Mehrentnahmen der Firma Altmühltaler gestimmt haben – setzte Kristina Becker im Wahlkampf, wie andere Parteien auch, auf Transparenz.

So sind seit ihrem Amtsantritt im Ratsinformationssystem im Internet etwa die nicht-öffentlichen Tagesordnungspunkte der Stadtratssitzungen einsehbar. Die Beschlüsse werden öffentlich bekanntgegeben, so es denn gesetzlich möglich ist.

Um Transparenz hat sich Kristina Becker ebenfalls bei ihrem ersten Großprojekt bemüht, dem Abriss des ehemaligen Stadtkrankenhauses und dem Neubau der psychosomatischen Fachklinik. "Man muss dem Bürger jetzt erklären, warum der Abriss notwendig ist", sagt Becker. Zu diesem Thema gab es eigens eine Bürgerversammlung während einer Stadtratssitzung – ein genehmigungsrechtliches Kunststück, waren nämlich Ende Mai Veranstaltungen mit viel Publikum noch untersagt.

Kommunikation über Soziale Netzwerke

So kamen auch einige Bürger, um sich zu informieren, Bürger, die sich schon seit längerem für die Stadtpolitik interessieren. Doch wie sich im Verlauf des Abends herausstellte, war die Mehrheit der Anwesenden wegen der Bauplatz-Situation in Gundelsheim da, dieses Thema wurde später in der Sitzung verhandelt.

Die Beschwerden der Bürger, dass sie nicht informiert wurden, kommen dann meist im Nachhinein, in den Sozialen Netzwerken, auch auf der Facebook-Seite des Treuchtlinger Kuriers. Während die meisten Stadträte dort auch in der Vergangenheit zu vielen kontroversen Themen geschwiegen haben, mischt sich Kristina Becker seit ihrem Amtsantritt nun ein und versucht auch den Standpunkt der Stadt zu erklären.

Momentan ist das noch eine der wenigen Möglichkeiten, mit den Menschen direkt zu kommunizieren. Die im Wahlkampf angekündigten regelmäßigen Bürgersprechstunden müssen momentan wegen der Corona-Situation noch ausfallen.

Durch die ersten Sitzungen des Stadtrats und der Ausschüsse führt sie bislang souverän, auch wenn ihr die Routine ihres Vorgängers Werner Baum noch fehlt, etwa wenn es um die Formalien bei der Abarbeitung der Tagesordnung geht. Dabei springen ihr jedoch die Mitarbeiter der Verwaltung helfend zur Seite. Die Regie der Sitzungen in Stadthalle und Forsthaus führt sie gut, nur ab und zu von Parteikollegen unterbrochen, die auch einmal das Wort ergreifen, ohne aufgerufen zu werden.

Kontroverse um Stellvertreter

Im Stadtrat herrscht meist, wie auch unter Werner Baum, Einstimmigkeit. Dennoch könnte Becker im Zweifelsfall auf die Mehrheit ihrer CSU (neun Stadträte plus die Bürgermeisterin) zusammen mit der ihr gewogenen Treuchtlinger Bürgerliste (drei Stadträte) setzen. Gleich zu Beginn gab es eine parteipolitische Konfrontation bei der Wahl der stellvertretenden Bürgermeister.

Traditionell erhält die zweitgrößte Fraktion, also die SPD, einen der Posten, doch letztlich stimmte die Mehrheit für Hans König (TBL) als zweiten Bürgermeister. Und auch den Posten des dritten Bürgermeisters konnten die Sozialdemokraten nicht besetzen, dieser ging an Hubert Stanka (UFW). Mit sechs von 14 Posten erhielten sie einen Ausgleich bei den Referenten.

Die Retourkutsche von den Sozialdemokraten kam gut einen Monat später, als es um die Entschädigung der stellvertretenden Bürgermeister ging. Kristina Becker hatte beantragt, ihre Entschädigung, die sie zusätzlich zum Gehalt bekommt, von 90 auf 50 Prozent des Rahmens zu senken – angesichts der schwierigen Haushaltslage der Altmühlstadt. Ihre Stellvertreter bekommen allerdings weiterhin 90 Prozent, CSU, TBL und UFW sprachen sich gegen eine Reduzierung aus.

Schwierige Haushaltslage

Statt mit großen Projekten die Stadt zu gestalten, muss Kristina Becker nun erst einmal den Mangel verwalten – konkret den Mangel an Geld, der durch die wegbrechenden Steuereinnahmen verursacht wurde. Eine Herausforderung, die auch Werner Baum bestehen musste, als kurz nach seinem Amtsantritt die Finanzkrise ausbrach und ebenfalls für Löcher sorgte. Hinzu kommt, dass sie mit einer Pandemie ungekannten Ausmaßes in der aktuellen Zeit fertig werden muss, auch mit den Dingen, die von Landes- und Bundesregierung bestimmt, aber von den Kommunen umgesetzt werden müssen.

Nach der Übernahme der Amtsgeschäfte wollte sich Becker um das Thema Verkehr – konkret eine Umgehungsstraße am Nagelberg verbunden mit einer Beruhigung in der Innenstadt – kümmern. Doch erste Anfragen bei den zuständigen Stellen seien ernüchternd gewesen, muss der Freistaat derzeit das Geld eher für die Auswirkungen der Pandemie verwenden. Sie möchte nun zunächst alles anpacken, was nicht so viel finanzielle Vorleistung erfordert – etwa die derzeit laufende Umfrage zur Stimmung der Treuchtlinger.

Dennoch will sich Becker weiter für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land einsetzen. Als Patentanwältin einer Münchner Kanzlei hat sie oft von Zuhause gearbeitet, war also schon im Homeoffice, bevor viele Büroangestellten wegen Corona dorthin geschickt wurden. Auf diese Menschen setzt Becker und möchte sie nach Treuchtlingen holen, wo sie leben und von dort aus arbeiten können – und mit dem Zug bei Bedarf schnell in die umliegenden Großstädte kommen.

Energiewende und Stromspeicher

Weitere Industriebetriebe hier anzusiedeln ist wegen der topographischen Lage Treuchtlingens mit Bergen und Tälern eher schwierig. Sie setzt deshalb auf den Gesundheitstourismus – samt eines neuen Hotel – und eine autarke Energieversorgung.

So kann sich Becker vorstellen, experimentelle Vorhaben für Stromspeicherung in die Stadt zu holen. Die Elektrizität wird auf den heimischen Dächern produziert, gespeichert und auch verbraucht. So fließt das Geld nicht unbedingt zu großen Konzernen. Darüber würde sie gerne auch mit Ministerpräsident Markus Söder sprechen, vielleicht findet er einmal Zeit, seine Parteikollegin in Treuchtlingen zu besuchen.


Kristina Becker war unlängst im Podcast "Horch amol" der Nürnberger Nachrichten zu Gast. Ein gut 45-minütiges Gespräch mit ihr ist hier nachzuhören.


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