Obdachlosigkeit: Hohe Mieten und soziale Probleme
17.04.2018, 06:04 Uhr
Soweit bekannt, gibt es in der Altmühlstadt keine Menschen, die im Freien schlafen müssen. Dementsprechend gibt es auch keine Notunterkünfte für unerwartete Fälle wie in den Großstädten. Auf dem Land ist die Obdachlosigkeit meist ein schleichender Prozess.
Obdachlos ist nämlich nicht nur, wer gerade ohne Unterkunft ist. So zählen dazu für die Kommune auch Personen, denen der Verlust der ständigen oder vorübergehenden Unterkunft unmittelbar droht, oder wessen Wohnung nach objektiven Anforderungen derart unzureichend ist, dass sie keinen menschenwürdigen Schutz vor den Unbilden der Witterung bietet oder die Benutzung der Unterkunft mit gesundheitlichen Gefahren verbunden ist. Als obdachlos gilt darüber hinaus vor allem auch, wer nicht in der Lage ist, für sich, seinen Ehepartner und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen, mit denen er gewöhnlich zusammenlebt, aus eigenen Kräften eine Unterkunft zu beschaffen.
30 Menschen betroffen
In Treuchtlingen sind laut Stadtverwaltung etwa 30 Personen als obdachlos untergebracht. Darunter sind Einzelpersonen, Alleinerziehende oder Familien. Bei der Stadt werden noch mehr Obdachlose vorstellig, ein Teil kann aber weitervermittelt werden oder kommt anderweitig unter, etwa bei Freunden oder Verwandten.
Die Gründe für die Situation sind sehr unterschiedlich. Arbeitslosigkeit oder ein geringes Einkommen, Mietrückstände und dann die Zwangsräumung sind so ein Szenario. Aber auch die Hilflosigkeit nach dem Tod eines Lebensgefährten, Krankheiten oder häusliche Gewalt sind Ursachen.
Die Stadtverwaltung muss etwa zehn bis 15 Personen oder Familien im Jahr in einer neuen Wohnung unterbringen. Beschäftigen müssen sich die beiden dafür zuständigen Mitarbeiterinnen aber mit wesentlich mehr Fällen – etwa wenn eine Zwangsräumung doch nicht mehr zustande kommt oder Ehepartner sich wieder verstehen.
Eine drohende Zwangsräumung wird der Verwaltung vom Gericht mitgeteilt. Manche Betroffenen sprechen aber auch im Rathaus vor. Dort werden sie zunächst nach den Gründen für ihre Situation befragt, und ob es nicht die Möglichkeit gibt, doch woanders unterzukommen. Letztes Mittel ist die Unterbringung in einer der beiden städtischen Unterkünfte in der Augsburger Straße oder am Holzgarten, wo es vier Wohneinheiten gibt.
Für die dauerhafte Belegung sind die beiden Gebäude jedoch nicht gedacht, sie sollen nur die größte Not abfedern, so Sabine Gärtig von der Stadtverwaltung, die sich zusammen mit ihrer Kollegen Claudia Riedl um das Thema kümmert. Die Obdachlosen werden dann angehalten, sich um eine neue Unterkunft zu kümmern, was in den meisten Fällen auch nach einiger Zeit klappe. Dennoch gehören manche Personen zur „Stammkundschaft“ und werden immer wieder vorstellig.
Deshalb, meint Gärtig, könne die Obdachlosigkeit nur bedingt durch sozialen Wohnungsbau eingedämmt werden. Das würde Menschen mit geringem Einkommen zwar helfen, bei manchen Betroffenen liege das Problem, warum sie immer wieder ihre Wohnung verlieren, jedoch tiefer.
Dass finanziell schwache Menschen kein Zuhause finden, erleben auch die Sozialberater der Caritas immer wieder. „In allen Kreisstellen erfahren wir die Problematik des mangelnden bezahlbaren Wohnraums als sehr drängend. Viele unserer Klienten haben kaum eine Chance“, so Bernhard Gruber, Sprecher für die allgemeine Sozialberatung beim Caritasverband Eichstätt. „Die Menschen, die zu uns kommen, haben hohe Erwartungen, dass wir ihnen helfen, eine Wohnung zu finden. Aber wir können diese Erwartungen leider oft nicht erfüllen.“
Wohnungssuchende reagieren daher oft verzweifelt: „Manche übernachten im Auto. Einige kommen bei Bekannten, Verwandten oder in Billig-Pensionen unter. Es geht so weit, dass junge Leute oft jeden Tag woanders schlafen – erst bei einem Freund, dann bei einem anderen“, so Gruber.
Selbst vom Einzug in eine Sozialwohnung können viele nur träumen. Dass es auf dem freien Wohnungsmarkt noch schwieriger ist, liegt dem Caritasberater zufolge unter anderem daran, dass die Mieten einfach zu hoch seien. „Inzwischen gibt es auch Vermieter, die aus der Wohnungsnot Kapital schlagen, indem sie eher schlechte Wohnungen relativ teuer vermieten.“ Außerdem hätten bestimmte Bevölkerungsgruppen von vornherein schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt, wenn etwa negative Schufa-Einträge oder frühere Mietschulden vorhanden sind.
Das trifft auch auf Menschen zu, die sich in einem privaten Insolvenzverfahren befinden, wie die im Nachbarlandkreis Roth tätige Beraterin Eva-Maria Öhmt berichtet. Als besonders dramatisch erfährt sie es, wenn bei Wohnraumverlust Kinder mitbetroffen sind. Öhmt hat vor kurzem erlebt, dass die fünf Kinder einer alleinerziehenden Mutter wegen des Wohnraummangels bei verschiedenen Leuten untergebracht werden mussten: „ein Kind bei der Oma, ein zweites bei der Tante, die anderen wieder woanders“.
Familien werden auseinandergerissen
Selbst in Pflegefamilien seien schon einmal Kinder gekommen, obwohl sie gar nicht in diese gehörten, „nur weil man sonst keine andere Lösung fand“, so Öhmt. Zwar versteht die Caritasberaterin auch, „dass man Kinder nicht in Obdachlosenunterkünften unterbringen will, aber dennoch ist das Auseinanderreißen natürlich für die Kinder und die gesamte Familie extrem belastend“.
Es gebe zwar noch freie Wohnungen in den Dörfern, die seien dann aber sehr schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, so die Caritas. Mit mangelnder Mobilität sei gerade Menschen, die sich in den Arbeitsmarkt integrieren möchten, nicht geholfen. In Wemding, wo die Caritas-Kreisstelle Weißenburg eine Außenstelle hat, wird nach Erfahrung von Mitarbeiterin Gudrun Brendel „Wohnraum eigentlich mehr unter der Hand vergeben, und unsere Klienten haben keinen Zugang zu diesem geheimen Netzwerk“. Auf das Problem mangelnden Wohnraums macht die Caritas deshalb in ihrer Jahreskampagne aufmerksam.
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