Ohnmacht oder Eigentor? Treuchtlinger SPD ohne Vize-Bürgermeister

9.5.2020, 06:04 Uhr
Ohnmacht oder Eigentor? Treuchtlinger SPD ohne Vize-Bürgermeister

© Patrick Shaw

Dass die zweitgrößte Fraktion mindestens einen der Stellvertreter stellt, hatte der Rat vor zwölf Jahren unter Beckers Vorgänger Werner Baum eingeführt. Das hätte die SPD gern fortgesetzt, wie die alte und neue Fraktionschefin Kerstin Zischler betonte. Sie verwies auf die angemessene Repräsentation des Wählerwillens und kritisierte, dass mit Becker (Bubenheim), König (Windischhausen) und Stanka (Dietfurt) nun nicht nur 17 der 24 Ratsmitglieder, sondern auch alle drei Stadtoberhäupter aus den Ortsteilen und keines mehr aus der Kernstadt kommen. Eine Entscheidung nach dem Prinzip "wähle ich Dich, dann wählst Du mich" sei unwürdig.

Ohnmacht oder Eigentor? Treuchtlinger SPD ohne Vize-Bürgermeister

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Dennoch ließ der Rat in geheimer Wahl zunächst den parteilosen SPD-Kandidaten Josef Ferschl (der allerdings aus Schambach, also ebenfalls aus einem der Dörfer stammt) mit 16 zu 8 Stimmen (eine ungültig) durchfallen, und dann Zischler selbst mit 16 zu 9. Dass gerade Hans König, einer der lautesten Kritiker von Ex- Bürgermeister Baum, die neue "Nummer zwei" im Rathaus ist, hinterließ bei vielen Sozialdemokraten einen besonders schalen Beigeschmack. Von einer "unnötigen Machtdemonstration" war da die Rede.

Zum Hintergrund dessen gehört allerdings auch, dass Rathauschefin Becker der SPD das dritte Bürgermeisteramt angeboten und sich durchaus eine Frau aus der Kernstadt dafür gewünscht hatte. Der Vize-Posten sollte an die TBL gehen – wohl als "Zuckerl", um den politischen Partner bei Laune zu halten, der sich im Wahlkampf ein Stück von den Christsozialen entfernt hatte und nun auch keine Fraktionsgemeinschaft mit der CSU mehr eingeht.

Vertrauen zerstört

Die UFW hätten dies dem Vernehmen nach mitgetragen – hätte sich die SPD-Spitze nicht rigoros der Personalie Hans König verweigert und sogar versucht, dessen Kandidatur mit einer rechtlichen Anfrage zu verhindern. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen König und Zischler schien so nicht mehr möglich. Deshalb warf schließlich UFW-Sprecher Hubert Stanka den Hut in den Ring – mit Erfolg.

"Wir waren uns des Risikos bewusst, leer auszugehen", räumt Kerstin Zischler im Nachgang ein. "Die CSU hat die Mehrheit, und das steht ihr zu", bleibt sie jedoch überraschend gelassen. "Wir sehen das entspannt und wollen Herrn König nun keine Hürden in den Weg legen." Für die schon als "Steigbügelhalter" angegangene UFW verspricht Hubert Stanka zudem, "strikt unabhängig zu agieren und keine parteipolitischen Spielchen zu betreiben".


Kommentar: Treuchtlingens SPD sollte den Wandel akzeptieren


Mit sechs von 14 Posten erhält die SPD überdies einen gewissen Ausgleich bei den Referenten. Diese werden um drei Ämter aufgestockt, teils mit überlappenden Zuständigkeiten. Insbesondere die Digitalisierung soll künftig eine deutlich größere Rolle spielen. Dies findet auch Eingang in die Ausschüsse: Der Haupt- und Finanzausschuss wird um das Zukunftsthema ergänzt, ebenso wie der Kur-, Kultur- und Tourismusausschuss um den Bereich Stadtmarketing.

Der Ausschuss für Gesundheit fällt mit der Schließung des Stadtkrankenhauses weg, neu hinzu kommt dafür ein Ferienausschuss, der in Ferien- und Krisenzeiten (wie aktuell) die Angelegenheiten des Stadtrats regelt. Die bestehende Gemeindeordnung änderte der neue Stadtrat dahingehend, dass das Gremium künftig nur noch für die Aufnahme neuer Darlehen zuständig ist, die Umschuldung bestehender Kredite aber in den Händen von Bürgermeisterin und Kämmerer liegt. Außerdem prüft die Stadtverwaltung laut Rathaus-Geschäftsleiter Christian Kundinger derzeit, ob künftig zumindest die Tagesordnungen nichtöffentlicher Stadtratssitzungen vorab öffentlich gemacht werden können.

Auf Teil der Entschädigung verzichtet

Bei den Bezügen der Bürgermeisterin und der Entschädigung der ehrenamtlichen Ratsmitglieder spart die Kommune schließlich ab sofort etwas Geld: Während die Dienstbezüge der Rathauschefin mit der Besoldungsgruppe B2 festgelegt sind und das Sitzungsgeld mit 28 Euro gleich bleibt, setzte der Stadtrat die Aufwandsentschädigung für die Rathauschefin auf deren eigenen Antrag mit einem Satz von 50 statt bisher 90 Prozent fest. Das entspricht rund 400 Euro im Monat.

Ohnmacht oder Eigentor? Treuchtlinger SPD ohne Vize-Bürgermeister

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Becker selbst sprach in ihrer ersten Rede als Stadtoberhaupt von einem "Start in schwierigen Zeiten". Sie halte Treuchtlingen mit Blick auf die Corona-Folgen für "gut vorbereitet" – nicht zuletzt dank ihrer Vorgänger Werner Baum und Wolfgang Herrmann. Die unmittelbaren Herausforderungen seien nun das geplante Hotel, das neue Feuerwehrhaus und die Verkehrssituation samt Bahnhof. Längerfristig werde es zudem verstärkt um den Klimaschutz gehen, aber auch um Wohnraum, Krankenversorgung, Kinderbetreuung, Bildung und das Stärken der Wirtschaft.

"Ich möchte mein Allerbestes geben, um ein Ziehen an einem Strang zu ermöglichen", so Becker. Nötige Einschnitte in Folge der Pandemie müsse die Stadt "gut erklären und transparent kommunizieren". Sie trete ihr Amt "mit der gebotenen Demut" an und bitte die Bürger um konstruktive Mitarbeit: "Sagt’s uns, wenn was nicht passt, dann kann man auch helfen!"

Die neuen Referenten, Ausschüsse und Verbands- und Verwaltungsräte:

Referenten des Stadtrats:

Digitalisierung: Sebastian Hartl (SPD)

Klima- und Umweltschutz und Regionalentwicklung: Klaus Fackler (UF)

Verkehr, Stadtentwicklung und Dorferneuerung: Hubert Stanka (UFW)

Kur und Tourismus: Kerstin Zischler (SPD)

Kindergärten und Schulen: Kathrin Baum-Grimm (JGB)

Soziales, Gleichstellung, Integration, Inklusion, Senioren: Susanna Hartl (SPD)

Kultur, Museen, Volkshochschule und Biliothek: Manfred Kreß (UFW)

Altmühltherme und Altmühlvital: Tobias Weißhaupt (JGB)

Hilfsorganisationen, Feuerwehr, THW und Rettungsdienste: Uwe Linss (CSU)

Land- und Forstwirtschaft, Dorferneuerung und Stadtwald: Hans König (TBL)

Wirtschaftsförderung, Sport und Hochschule: Maximilian Böhm (SPD)

Kur, Gesundheitsentwickung, IGM und BGM: Peter Löw (CSU)

Versorgungseinrichtungen: Matthias Strauß (CSU)

Jugend: Tim Schelenz (CSU)

Ausschüsse:

Haupt, Finanz und Digitalisierung (auch Ferienausschuss): CSU (5): Wolfgang Herrmann, Alexander Roßkopf, Matthias Strauß, Stefan Biber, Uwe Linss; SPD/JGB (4): Sebastian Hartl, Kerstin Zischler, Josef Ferschl, Susanna Hartl; UFW (2): Hubert Stanka, Manfred Kreß; TBL (1): Hans König.

Umwelt, Bau und Verkehr: CSU (4): Stefan Biber, Uwe Linss, Katja Schmid, Alexander Roßkopf; SPD/JGB (3): Kathrin Baum-Grimm, Stefan Fischer, Maximilian Böhm; UFW (2): Klaus Fackler, Hubert Stanka; TBL (1): Hans König.

Kur, Kultur, Tourismus und Stadtmarketing: CSU (4): Peter Löw, Karl Heckl, Tim Schelenz, Katja Schmid; SPD/JGB (3): Kerstin Zischler, Maximilian Böhm, Kathrin Baum-Grimm; UFW (2): Christian Früh, Manfred Kreß; TBL (1) Günter Schwimmer.

Werk und Bäder: CSU (4): Wolfgang Herrmann, Uwe Linss, Peter Löw, Matthias Strauß; SPD/JGB (3): Tobias Weißhaupt, Susanna Hartl, Josef Ferschl; UFW (2): Klaus Fackler, Hubert Stanka; TBL (1): Marco Meyer.

Rechungsprüfung: CSU (2): Matthias Strauß, Alexander Roßkopf; SPD/JGB (2): Stefan Fischer, Kerstin Zischler; UFW (1): Manfred Kreß.

Volksfest (beliebige Anzahl): CSU: Karl Heckl, Tim Schelenz; SPD/JGB: Maximilian Böhm, Stefan Fischer, Tobias Weißhaupt; UFW: Christian Früh, Manfred Kreß; TBL: Günter Schwimmer.

Städtepartnerschaftskomitee (beliebige Anzahl): CSU: Wolfgang Herrmann, Tim Schelenz, Karl Heckl, Katja Schmid; SPD/JGB: Kathrin Baum-Grimm, Susanna Hartl, Josef Ferschl, Sebastian Hartl; UFW: Christian Früh, Manfred Kreß; TBL: Günter Schwimmer.

Fraktionsleitung:

CSU: Uwe Linss.

SPD/JGB: Kerstin Zischler.

UFW: Hubert Stanka.

TBL: Hans König.

Verbands- und Verwaltungsräte:

Sparkasse Mittelfranken-Süd: Kristina Becker, Manfred Kreß, Stefan Fischer.

Wasserversorgung links der Altmühl (Dietfurt): Christian Früh, Hubert Stanka.

Wasserversorgung Hirschberggruppe (bis Jahresende/Auflösung): Kristina Becker, Stefan Biber, Friedrich Oswald, Johann Kobras, Herbert Rosenwirth.

Wasserversorgung Wettelsheimer Gruppe: Kristina Becker, Hans König, Marco Satzinger, Matthias Strauß, Susanna Hartl, Günter Schwimmer, Manfred Kreß, Günter Albrecht, Gustav Kapp, Wolfgang Auer, Matthias Hüttinger, Roland Reißlein.

Zweckverband Hahnenkammsee: Kristina Becker.

Zweckverband Senefelder-Schule: Kristina Becker.

Kommunalunternehmen Grundstücksverwertung Treuchtlingen: Kristina Becker, Stefan Biber, Sebastian Hartl, Stefan Fischer, Hubert Stanka.

Altmühlvital: Kristina Becker.

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