Treuchtlingen: Weiter Weg zur digitalen Kommune

23.11.2019, 06:04 Uhr
Treuchtlingen: Weiter Weg zur digitalen Kommune

© Patrick Shaw

Deutlich wird das an einem Beispiel: Wenn Eltern ihr Kind zum Kindergarten anmelden möchten, tun sie das laut Rathaus-Geschäftsleiter Christian Kundinger oft bei drei oder vier Einrichtungen zugleich. Dafür gäbe es eine Software, die aber noch nicht im Einsatz ist. Und selbst wenn sie es wäre, bräuchte es ein zweites Programm, um zumindest die Anfragen bei den städtischen Kindergärten zusammenzuführen – von den freien Trägern ganz zu schweigen.

So aber telefoniert die Stadtverwaltung bislang die Kindergärten ab und trägt mühevoll Platz- und Bedarfsmeldungen zusammen. "Wir wissen erst kurz vor Beginn des Kindergartenjahrs, ob alle Kinder wirklich unterkommen", so Kundinger. Den Vertrag schließen die Eltern "analog" im Rathaus ab, dann werden die Daten jeweils separat ins Meldeprogramm des Freistaats, die Buchhaltung der Stadt und in eine Excel-Tabelle zur Übersicht eingetippt.

Woran es hakt, ist also weniger der digitale Zugang zu den Dienstleistungen, sondern dass die unterschiedlichen Stellen, Programme und Datenbanken nicht miteinander "reden". Vernetzung ist das Stichwort. Und da liegt Deutschland laut Kundinger in Europa von 28 Ländern nur auf Rang 21. In manchen Behörden gebe es sogar noch Programme zum "Analogisieren elektronischer Rechnungen". Es sei "allerhöchste Eisenbahn, dass wir hier etwas tun".

Ämter und Ampeln kommunizieren

Dabei erstreckt sich die Vernetzung nicht nur auf Ämter, sondern auch auf Wirtschaft, Vereine, Energieversorger, Schulen oder öffentlichen Nahverkehr, auf intelligente Verkehrssteuerung, elektronischen Zahlungsverkehr, Online-Authentifizierung, Handels- und Bürgerbeteiligungsplattformen. "Das ist eine Mammutaufgabe", so Kundinger. Zwar gebe es für die Infrastruktur des "digitalen Rathauses" hohe Zuschüsse, aber nicht für deren Betreuung.

"Das Thema ist definitiv keines für Farben und politische Richtungen", betont deshalb Heinz-Markus Gräsing. Den Begriff "Digitalisierung" mag er allerdings nicht: "Es ist einfach nur Technologie." Dem Fachmann zufolge hat die Stadt Treuchtlingen "über 200 Bereiche mit einem digitalen Schatten, von Ampelsystemen bis zur Messung der Zuflussrate von Schlammsilos, die aber alle nicht miteinander kommunizieren". Einer der größten Fehler wäre es deshalb, die einzelnen Bereiche getrennt statt "universell" anzugehen.

Konkret geht es dem Fachmann zufolge um ein kommunales Internetportal mit einer programmunabhängigen Datenbank. Die Informationen werden dort so gespeichert, dass jedes vernetzte System sie auslesen kann, egal von welchem Hersteller oder auf welcher Entwicklungsstufe. "Trennung der Daten von den Programmen", laute die Devise. Die Umstellung muss laut Kundinger "neben dem bisherigen System passieren, um die ältere Generation und die Mitarbeiter nicht zurückzulassen". Dazu kommt noch das Problem des Datenschutzes einschließlich der Frage, wo die Server stehen.

Um all das vorzubereiten, beriet der Haupt- und Finanzausschuss in seiner jüngsten Sitzung über eine neue Planstelle im Rathaus. Der/die Mitarbeiter/in soll Erfahrung in den Bereichen IT-Technik und Projektsteuerung haben und Treuchtlingen fit für die digitale Zukunft machen. Dabei zeigten die vielen Nachfragen im Gremium, dass auch nach Gräsings und Kundingers Erläuterungen viele Ratsmitglieder mit den Details heillos überfordert sind. Dennoch – oder gerade deshalb – fiel der Beschluss für die Planstelle mit nur zwei Neinstimmen sehr klar aus.

Digitale Bürgerbeteiligung?

Entsprechend wenig zu diskutieren gab es anschließend auch über einen Antrag der SPD-Fraktion, die in der Altmühlstadt eine digitale Bürgerbeteiligungsplattform etablieren möchte. Fraktionschefin Kerstin Zischler nannte beispielhaft die Software "Consul" des Vereins "Mehr Demokratie" und bat darum, die Verwaltung mit der Prüfung weiterer Programme zu beauftragen.

Leichte Bedenken äußerte Uwe Linss (CSU) wegen des Personalaufwands. Susanna Hartl (SPD) betonte, dass die Plattform deutlich strikter als Soziale Medien wie Facebook moderiert werden müsse. Heinz-Markus Gräsing hält die Idee für machbar und "sehr positiv", wies aber auf die "unheimlich große Verantwortung" im Umgang mit den Nutzerdaten hin. Eine weitere Frage ist die Abgrenzung solcher Plattformen zur freien Presse, denn mangels unabhängiger Kontrolle der Inhalte könnte die Stadt dort einseitig Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen.

Der Ausschuss billigte die Initiative mit einer Gegenstimme. "Wir können die Zukunft nicht voraussehen, aber vor allem können wir sie nicht aufhalten", so Gräsings Fazit.

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