Als Feuerwehrleute auch Revoluzzer waren

30.8.2019, 06:41 Uhr
Als Feuerwehrleute auch Revoluzzer waren

Bereits in diesem Jahr feierten und feiern 157 Freiwillige Feuerwehren in Bayern ihr 150-jähriges Bestehen, 2025 steuert die Jubiläumsflut auf ihren Höhepunkt zu. Bei sage und schreibe 630 Wehren jährt sich dann deren Gründung zum 150. Mal.

Die Tatsache, dass vor eineinhalb Jahrhunderten in unserem Bundesland die Freiwilligen Feuerwehren wie die Pilze aus dem Boden schießen, hängt vor allem mit den ziemlich unruhigen politischen Verhältnissen in jener Zeit zusammen. Bayern ist damals noch eine konstitutionelle Monarchie, doch im Nachbarland Frankreich bricht im Februar 1848 zum dritten Mal seit 1789 eine Revolution aus.

Wenige Tage später greifen die Unruhen auf Baden und weitere deutsche Länder über. Die sozialen Probleme der Arbeiter und Bauern, steigende Arbeitslosigkeit und eine Hungersnot in den Jahren 1844 bis 1847 führen zur Märzrevolution 1848/49. Die Forderungen nach mehr individueller Freiheit und Volkssouveränität führen auch zur Gründung von Bürgergemeinschaften, die beginnen, ein Feuerlöschwesen nach französischem Vorbild zu organisieren.

Keine regelmäßigen Übungen

Ein Auslöser für diese Entwicklung ist der Große Brand von Hamburg im Mai 1842, der auf erschütternde Weise zeigt, wie schlecht es um die Brandbekämpfung im damaligen Deutschland bestellt ist. Obwohl mehr als 1000 nebenberufliche Spritzenmannschaften zur Verfügung stehen, brennt ein Drittel der Stadt ab. Die nur unzureichend geschulten Helfer sind dem Feuersturm einfach nicht gewachsen.

Auch in Bayern ist zu jener Zeit die Bekämpfung von Bränden zwar oberste Bürgerpflicht, doch ein regelmäßiger Übungsdienst im heutigen Sinn findet bei den damaligen Pflichtfeuerwehren nicht statt. Deshalb engagieren sich vor allem die damaligen Turnvereine für den Brandschutz und bauen in vielen Städten Lösch- und Rettungsmannschaften auf.

"Der Obrigkeit hat es weniger gut gefallen, dass sich die Bürger erstmals selbst organisierten", erklärt der Amberger Feuerwehr-Historiker Heinrich Scharf. Junge Männer müssen sich nun zwischen den von den Städten und Gemeinden organisierten "Löschorganisationen" oder den aus Freiwilligen bestehenden Helfergemeinschaften entscheiden.

Gegenüber den Pflichtorganisationen haben die Turnerfeuerwehren vor allem den Vorteil, dass sie nach militärischen Strukturen mit klarer Hierarchie und strenger Arbeitsteilung geführt werden. Regelmäßig trainieren die Aktiven die Abläufe; untergliedert sind die Trupps in die Steigerabteilungen, die sich mit der Technik des Leitersteigens, der Führung der Schläuche und einer effizienten Rettung des Hab und Guts aus den brennenden Gebäuden auseinandersetzen, und in die Spritzenmannschaften. Und dank der regelmäßigen Turnübungen verfügen diese ehrenamtlichen Brandschützer auch über die nötige Muskelkraft, um die damals noch handbetriebenen Pumpen der Spritzen zu betätigen.

Augsburg macht 1849 den Anfang

Der Begriff "Feuerwehr" taucht zum allerersten Mal in einem Artikel der Karlsruher Zeitung im Jahr 1847 auf, und 1849 wird in Augsburg die erste Feuerwehr in Bayern gegründet. Einige Jahre später schließen sich unter anderem in Nürnberg, Rothenburg ob der Tauber und in Schweinfurt engagierte Bürger zu Feuerwehren zusammen, und im April 1868 wird der Bayerische Landesfeuerwehrverband gegründet.

Kurz darauf erhalten die Feuerwehren mit der "Zeitung für Feuerlöschwesen" ein weiteres Sprachrohr für ihre Sache, und angesichts des nun vorhandenen organisatorischen Überbaus in Bayern steigt die Zahl der Gründungen exponentiell. Existieren 1865 gerade mal 54 Feuerwehren in Bayern, sind es fünf Jahre später bereits 570 und weitere fünf Jahre später schon rund 3000. Nötig geworden ist diese Entwicklung auch wegen der Industrialisierung und der vielen technischen Errungenschaften, durch die auch die Gefahr von Großbränden steigt.

Als Feuerwehrleute auch Revoluzzer waren

© Foto: Magirus GmbH

Die Erfolgsgeschichte der bayerischen und der deutschen Freiwilligen Feuerwehren ist auch der Pionierarbeit einiger Vordenker wie Carl Metz zu verdanken. Der Fabrikant und Händler von Feuerwehr-Gerätschaften wie leistungsfähigen Handdruckspritzen profitiert vom Know-how aus Frankreich und gibt seinen Kunden Tipps zum Aufbau von Löschmannschaften und zur richtigen Taktik bei Einsätzen. Und Conrad Dietrich Magirus, einer der Gründerväter des Deutschen Feuerwehrverbands und Erfinder der ersten fahrbaren Feuerleiter, verbreitet erstmals Fachliteratur mit vielen technischen Verbesserungsvorschlägen. Heutzutage verleiht seine Firma jährlich den Conrad-Dietrich-Magirus-Preis für das "Feuerwehrteam des Jahres" .

Nicht nur strenger Drill

Auch in der Metropolregion feierten in den letzten Jahren viele Wehren ihren 150. Geburtstag, doch der größte Schwung von Jubiläen kommt erst noch. Eine von vielen Institutionen, die 2020 die Korken knallen lassen kann, ist die bereits mit dem oben erwähnten Feuerwehr-"Oscar" ausgezeichnete FFW Ottensoos im Nürnberger Land, für die Thomas Vogl gerade die Festchronik erstellt.

Dabei hat er auch so manche Anekdote zutage gefördert, die zeigt, dass das Vereinsleben der damaligen Floriansjünger nicht nur aus strengem Drill und gefährlichen Einsätzen bestand. So zitiert Vogl einen Protokolleintrag aus dem Jahre 1904, bei dem der damalige Vorstand die Mitglieder eindringlich ermahnt. Jeder, der "nach Schluss der Versammlung noch den unwiderstehlichen Zug zum ,Fensterln‘ in sich fühle", solle bitte zuvor seine Uniform gegen einen Zivilrock tauschen.

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