Astrazeneca: Thrombose-Risiko entsteht nicht durch Impfung

12.3.2021, 18:58 Uhr
Wieder ist der Impfstoff von Astrazeneca in Verruf geraten - zu Unrecht, sagen deutsche Experten.   

© Nicolas Armer, dpa Wieder ist der Impfstoff von Astrazeneca in Verruf geraten - zu Unrecht, sagen deutsche Experten.  

Und wieder Astrazeneca. Nachdem in Dänemark vereinzelt schwere Erkrankungen und ein Todesfall durch Blutgerinnsel nach einer Corona-Impfung registriert worden sind, hat das Land die Vergabe vorübergehend gestoppt. Norwegen, Island, Thailand und Bulgarien sind dem Beispiel gefolgt und pausieren aktuell mit dem Mittel des britisch-schwedischen Herstellers.

„Ich halte diese Reaktion für völlig übertrieben“, sagt Joachim Ficker, Chefarzt für Pneumologie am Klinikum Nürnberg. „Es ist absolut richtig, dass die allermeisten Länder auf dieser Welt einfach weitermachen mit dem Astrazeneca-Impfstoff.“

Auch Deutschland führt die Impfungen mit dem Präparat unverändert fort. Das hierzulande für die Zulassung zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) teilt dazu mit: Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass der Todesfall in Dänemark mit dem Impfstoff in Verbindung stehe.

„In Deutschland sind bis Donnerstag, 11. März insgesamt elf Meldungen über unterschiedliche thromboembolische Ereignisse bei etwa 1,2 Millionen Impfungen berichtet worden“, schreibt das PEI. Das ist weniger als eine Person pro 100.000 Geimpften. „Vier Personen verstarben.“

Embolien sind lebensgefährlich

Dass Blut gerinnt, ist ein normaler Schutzmechanismus des Körpers nach einer Verletzung. Es verklumpt und verschließt dadurch eine Wunde. Aber ein Blutgerinnsel, auch Thrombus genannt, kann auch außerplanmäßig an den Wänden der Blutgefäße entstehen. Etwa wenn die Gefäße verletzt oder verengt sind oder die Blutgerinnung aufgrund einer Störung nicht richtig funktioniert.

Bildet sich ein solcher Blutpfropf zur falschen Zeit am falschen Ort, kann er das Gefäß verstopfen, so dass nur noch wenig oder überhaupt kein Blut mehr hindurchkommt. Ärzte sprechen dann von einer Thrombose. Sie kann zum Herzinfarkt oder Schlaganfall führen.


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Wenn sich ein Thrombus von der Gefäßwand ablöst, trägt ihn das Blut weiter, zum Beispiel bis zur Lunge. Ein verschlossenes Gefäß in der Lunge, eine sogenannte Lungenembolie, kann zum Herzstillstand führen und lebensbedrohlich sein.

„Das Risiko für eine Thrombose wird unter anderem erhöht durch genetische Veranlagung – Frauen sind häufiger betroffen als Männer –, wenig Bewegung, Krampfadern, einige Medikamente wie etwa die Antibabypille“, erklärt Lungenexperte Ficker.


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Wer schon einmal eine Thrombose hatte, ist gefährdeter, erneut eine zu bekommen. „Eine Impfung ist dagegen kein Risikofaktor“, sagt Ficker. „Vom Mechanismus, wie eine Impfung im Körper wirkt und wie Thrombosen entstehen, gibt es da keinen Zusammenhang.“

So sieht das auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Nach einer Prüfung der Fälle in Dänemark bleibt sie bei ihrer positiven Bewertung des zugelassenen Astrazeneca-Impfstoffs. Bei mehr als fünf Millionen geimpften Personen sind der EMA bislang 30 Emboliefälle gemeldet worden.

„Diese Anzahl ist nicht höher als die Zahl solcher Ereignisse, die statistisch in der exponierten Bevölkerung auch ohne Impfung vorkommen würden“, schreibt die Agentur. Nach Überzeugung der EMA überwiege weiterhin der Nutzen der Impfung die bekannten Risiken.

Größerer Schaden durch Impf-Stopp

Experten schätzen sogar den Schaden, der durch den Stopp der Impfung entsteht, als höher ein. „In Deutschland gibt es jährlich 100.000 Todesfälle aufgrund von thromboembolischen Ereignissen, sie sind die dritthäufigste Todesursache“, erklärt Clemens Wendtner, Chefarzt sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen am Münchner Klinikum Schwabing.


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„Das Risiko, an einer Thrombose in Folge von Covid-19 Schaden zu nehmen, ist um ein Vielfaches höher.“ Die Einzelfälle in Dänemark, in zeitlicher Nähe zur Impfung, sind für Wendtner daher „mehr Zufall als Ursache“.

Rein zufällige Verteilung

Das sieht der Nürnberger Chefarzt Joachim Ficker genauso: „Es wird immer wieder so sein, dass etwa an einem Montag eine Impfung war und an einem Donnerstag irgendeine Erkrankung auftritt“, sagt er. „Deshalb werden auch in der Zeit nach einer Astrazeneca-Impfung Embolien und Thrombosen auftreten – das ist statistisch eine rein zufällige Verteilung.“

Erst eine „überzufällige Häufigkeit“ gebe Anlass zur Sorge. Deshalb erfasst das Paul-Ehrlich-Institut für Deutschland und die EMA auf europäischer Ebene alle gemeldeten Verdachtsfälle und veröffentlicht sie in einer Datenbank. Bislang ohne Auffälligkeiten.

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