Zwischen Gräf und Golfplatz: Bad Windsheim soll Waldkindergarten bekommen
20.01.2021, 06:00 UhrDer Parkplatz in der Gräf ist verschneit, der Weg darunter eine reine Eisplatte. Es ist kalt und feine Schneeflocken schneien den Teilnehmern aus der Stadtverwaltung, Geschäftsleitender Beamter Jürgen Boier, Kämmerin Melanie Greifenstein und Celine Steuer, die in der Kämmerei für Kindertagesstätten zuständig ist, den beiden Betreiberinnen der Wichtelglück Unternehmensgesellschaft, Besold und Arndt, und den drei Bürgermeistern Jürgen Heckel, Alexandra Horst und Ronald Reichenberg ins Gesicht, als sie sich auf den Weg in das rund einen Kilometer entfernte Waldstückchen machen, in dem der Waldkindergarten entstehen soll.
"Da muss man schon überlegen, ob man seine Kinder da hinbringt", sagt Jürgen Heckel eingangs angesichts des Wetters. Denn in einem Waldkindergarten sind die Kinder von früh bis nachmittags draußen. Nicht, weil ihn das Konzept nicht überzeuge, "das tut es zu 200 Prozent", sondern einfach weil es für ihn eine neue Art der Kinderbetreuung ist, die er, je mehr er sich damit beschäftigt habe in den vergangenen Monaten, immer besser fand. "Da hat man nichts. Kein Klo, kein Wasser, keinen Strom", betont der Bürgermeister, der es gut findet, dass Kinder dort auch ohne moderne Technik und die allerneusten Spielsachen spielen. Aber es koste eben auch Überwindung, findet er.
Im Juli 2020 haben Heckel, Horst, Reichenberg und Mitarbeiter der Stadt sich den Waldkindergarten Wurzelwichtel in Neustadt angesehen. Hingefahren sei man mit dem Gefühl: "Ohjee, die armen Kinder." Zurückgekommen mit dem Bewusstsein: "Die Kinder sind glücklich", erklärt Heckel. Glück, das Wort steckt auch im Namen des für Bad Windsheim geplanten Waldkindergartens Wichtelglück, denn "glückliche Kinder, die sich im Lernort Natur toll entwickeln, sind unser Ziel", erklärt die Erzieherin und angehende Sozialpädagogin Sandra Besold. Die 47-Jährige hat die Kindergarten-Gesellschaft mit der 33-jährigen Regierungssekretärin Jessica Arndt gegründet, die ihre Kinder bei den Wurzelwichteln hatte und das Waldkindergartenkonzept "einfach genial" findet.
Beide Frauen haben die gemeinnützige Unternehmensgesellschaft ins Leben gerufen, um regional und überregional mehr Waldkindergärten zu gründen. "Das Alternativkonzept Waldkindergarten begeistert uns sehr und wir möchten deshalb möglichst vielen Kindern die Chance ermöglichen, einen solchen zu besuchen", betont Besold. Bildung, Erziehung und Betreuung könne in natürlicher Umgebung äußerst wirkungsvoll umgesetzt werden.
Erkundungen und das freie Spiel im Wald, mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, bewirken im kindlichen Gehirn viele Verknüpfungen. Die Wichtelglückkinder können jeden Tag die unerschöpflichen Möglichkeiten des Waldes nutzen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Durch die stark altersgemischte Gruppe werde die Sozialkompetenz der Kinder gefördert.
Kompostklo in Holzbox
Dass es, wie Bürgermeister Heckel zu Anfang gesagt hatte, keine Toilette gebe, ist dabei so nicht richtig: Ein Kompostklo in einer Holzbox ist biologisch abbaubar. Auch warmes Wasser stehe in großen Thermobehältern zur Verfügung, aber die Kinder lernen, dass es ein kostbares Gut ist, weil nicht in Massen vorhanden.
Unterm Blätterdach gibt es Frühstück, die Möglichkeit eines Lieferservice für das Mittagessen werde derzeit geprüft. Mit Lava-Erde werden beispielsweise die Hände gewaschen, an einem Lagerfeuer wärmen sich die Kinder auf. Sollte es den Kleinen doch einmal zu kalt werden oder es in Strömen regnen, dann gebe es einen Unterschlupf. Ob dies eine mit einem Ofen ausgestattete Hütte oder zwei Bauwagen werden, diese Entscheidung müsse erst noch getroffen werden.
Das Wäldchen liegt direkt neben einem Feldweg, der zum Golfplatz führt und wurde von Stadtförster Sven Finnberg und Kämmerin Melanie Greifenstein ausgewählt, da dort auch ein Parkplatz zum Bringen und Holen der Kinder errichtet werden kann und der Rettungsweg bereits vorhanden sei.
Einwandfreie Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen Betreiber, Stadtverwaltung und Landratsamt als übergeordneter Behörde laufe einwandfrei, betont Heckel. Generell gebe es aber noch Hürden zu nehmen, Genehmigungen einzuholen und Details zu planen. "Ich gehe davon aus, dass wir das Vorhaben als Stadtrat positiv begleiten", sagt Heckel jedoch mit Blick auf die Ratssitzung. Auch in der Runde der Fraktionsvorsitzenden, die das Projekt bereits kennt, sei das Feedback "durchweg positiv" gewesen, sagt Alexandra Horst.
Angedacht sind zehn Krippen- und 20 Kindergartenplätze. Die Kinder, die mittags schlafen, können dies in zwischen Bäumen gespannten Hängematten, im Winter zusätzlich in Schaffelle gepackt, tun. Bei Regen werde binnen einer Minute ein Dach über die Kinder gespannt. "Da war ich ja richtig neidisch, als ich das gesehen habe", erinnert Heckel an den Ausflug nach Neustadt.
20 vorläufige Anmeldungen liegen den Betreiberinnen bereits vor. Heckel ist auch in Bezug auf die Verpflichtung der Kommune, genügend Krippen- und Kindergartenplätze zur Verfügung stellen zu müssen, sehr froh über die "schnelle und günstige Lösung", die nur "einen Bruchteil von einer gebauten Einrichtung" koste. Auch im Hinblick, dass der städtische Kindertagesstätten-Neubau am Holzmarkt sich wohl noch etwas länger hinziehen werde.
Kosten werden errechnet
Zahlen wollte der Bürgermeister allerdings erst dem Ratsgremium mitteilen. Die Kosten für einen Krippen- beziehungsweise Kindergartenplatz werden derzeit noch errechnet, erklärt Besold. "Er wird sich an den anderen Plätzen in der Stadt orientieren und nicht mordsmäßig darüber liegen."
Dennoch etwas mehr muss Wichtelglück verlangen, denn der Personalschlüssel ist mit einer Betreuerin pro sieben Kindern deutlich höher als in einer häuslichen Einrichtung (eins zu zwölf). Buchungszeiten seien zwischen 7.30 und 15.30 Uhr angedacht, eine Mindeststundenzahl von vier bis fünf Stunden am Tag pro Kind ist für die zu erwartenden Förderungen notwendig.
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