Tag des Bieres: Auch nach 505 Jahren - ein Prosit!

23.4.2021, 06:00 Uhr
"Prost" heißt es hoffentlich bald wieder in den bayerischen Biergärten.

© Foto: imago images/Shotshop "Prost" heißt es hoffentlich bald wieder in den bayerischen Biergärten.

Herr Raupach, ist es grundsätzlich gut, ein Reinheitsgebot zu haben? Gibt es nach über 500 Jahren in der Verordnung Punkte, die man reformieren sollte?

Markus Raupach: Es ist auf jeden Fall gut, das Gebot zu haben, das ist unser großer Standortvorteil gegenüber allen anderen Brauern auf der Welt. In den letzten 500 Jahren hat sich das, was wir heute als Reinheitsgebot kennen, immer wieder verändert, blieb aber in seinem Kern gleich. Ursprünglich war es eher ein fiskalisch motiviertes Gesetz, weswegen die vorgeschriebenen Zutaten immer mal wieder etwas variierten. Erst im Jahr 1906 wurde aus der vor allem bayerischen Regelung ein deutsches Reichsgesetz; ein Jahrzehnt später fiel zum ersten Mal der Begriff Reinheitsgebot, was eine Wendung hin zur Verbrauchersicht bedeutete.

In der DDR musste man zwangsläufig vom Gebot abweichen, um trotz der abgeschnittenen Versorgungswege zu den Bierrohstoffen die Versorgung des Volkes gewährleisten zu können. Dann kam Anfang der 1980er Jahre die EU ins Spiel, deren Regeln über den nationalen Gesetzen stehen, weshalb das Reinheitsgebot heute mehr eine Selbstverpflichtung als ein Gesetz ist.

Kritische Einwände kommen gerne von Stammtischen. Hat die Zahl der Kritiker des Reinheitsgebotes zugenommen?

Raupach: Es liegt in der Natur der Sache, dass es immer Kritiker gegeben hat, vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Anfangs ging es um die Höhe der Abgaben oder die Vorgaben bezüglich des Getreides, später um die Frage, warum man in Deutschland nicht auch Brauverfahren anderer Biernationen wie etwa Großbritannien zulässt, wo dem Sud für die meisten Biere Zucker zugegeben wird. Heute gibt es zwei Richtungen der Kritik.

Die einen richten sich gegen das Verbot bestimmter Zusatzstoffe, wobei hier mit der Regelung des "Besonderen Bieres" zumindest außerhalb von Bayern schon ein großer Gestaltungsspielraum geschaffen wurde. Das bedeutet, dass man einen Sud etwa eines historischen Bierstiles wie einer Gose, für die auch Salz und Koriander verwendet werden, behördlich anzeigen und genehmigen lassen muss, was in der Regel auch geschieht. Die anderen schauen auf vermeintlich böse Zutaten und führen dabei vor allem das Filtermittel PvPP ins Feld.


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Halten Sie es für denkbar, dass das Reinheitsgebot irgendwann fallen kann? Wer würde vom Wegfall profitieren?

Raupach: Wie gesagt, ist es als deutsches Gesetz mehr oder weniger gefallen, seitdem wir Mitglied der EU geworden sind. Auf Basis dieser Rechtslage könnte jeder Brauer einklagen, dass er sich ausschließlich nach den EU-Vorgaben richten muss. Allein, dass das nicht geschieht, zeigt, dass die deutschen Brauer sehr wohl wissen, wie wichtig das Reinheitsgebot auch als Marke für sie ist. Von einem Wegfall würden vor allem ausländische Braukonzerne profitieren, die dann den deutschen Markt mit noch billigerem Bier fluten würden. Das wäre vor allem für die großen Brauereien des Landes ein Problem. Die sind übrigens fast alle Familienbetriebe mit persönlicher Fachkompetenz. Selbst in Deutschlands größter Brauerei ist mit Richard Oetker ein gelernter Braumeister in der Geschäftsführung.

Markus Raupach (47) ist in der Bierstadt Bamberg geboren. Der Sommelier hat gemeinsam mit Bastian Böttcher mehrere Bierbücher geschrieben, die in den Lesershops unserer Zeitung erhältlich sind.

Markus Raupach (47) ist in der Bierstadt Bamberg geboren. Der Sommelier hat gemeinsam mit Bastian Böttcher mehrere Bierbücher geschrieben, die in den Lesershops unserer Zeitung erhältlich sind. © Hans-Joachim Winckler, NNZ

Ist der Craft-Bier-Markt echte Konkurrenz zum klassischen?

Raupach: Es gibt in Deutschland keine Definition von Craft-Bier, was es schwierig macht, einen Marktanteil zu definieren. Wenn man darunter vor allem neu gegründete Brauereien mit einem Fokus auf nichtdeutschen Bierstilen wie India Pale, Ale und Stout versteht, liegt der Marktanteil bei etwa einem halben Prozent, mit gleichbleibender Tendenz. Insofern kann man kaum von Konkurrenz sprechen. Der Craft-Bier-Trend an sich hat dem deutschen Biermarkt allerdings sehr gut getan. Die Menschen kaufen bewusster ihr Bier, suchen eher in ihrer Region, achten auf die Geschichten und Personen hinter den Bieren – und sind auch bereit, mehr für diese Biere zu bezahlen.

Das hat auch dazu geführt, dass wir in Franken endlich die Spirale des Brauereisterbens verlassen konnten – wenn uns die aktuelle Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht. Zudem öffnen die Kreativbiere den Blickwinkel der Brauwirtschaft, bei Nachhaltigkeit und alkoholfreien Bieren. Hier gibt es eine große Vielfalt, auch von traditionellen Brauereien, die Impulse aus der Craft-Bewegung aufnahmen.

Erobert das fränkische Bier die Welt?

Raupach: In der Tat ist es ein bedeutender Exportschlager. Einerseits aus historischer Dimension, weil die untergärigen Biere ihren Ursprung in Franken haben und weil davon heute über 95 Prozent auf der Welt nach dieser Art und Weise gebraut werden. Anderseits gilt: Das Kellerbier hat seit gut zehn Jahren den Norden Deutschlands und die Nachbarländer Italien und Spanien erobert. Beispiel: Die Italiener sind ganz scharf auf fränkisches Bier.

Wegen der Pandemie fallen auch heuer wieder Feste und Aktivitäten aus. Auch wenn nicht groß gefeiert werden kann, stoßen Sie zuhause auf das reine bayerische Bier an?

Raupach: Natürlich stoße ich auch heuer auf das Bier an, allerdings alkoholfrei, weil ich ausgerechnet für den 23. April meinen Covid-Imptermin bekommen habe. Insofern ist es ein ganz besonderer Tag für mich.

Tag des Bieres: Auch nach 505 Jahren - ein Prosit!

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