"Bavaria One": Söders Weltraumrakete hebt gemächlich ab

10.10.2019, 05:18 Uhr

© Fabian Vogl / TUM

Was haben sie ihn verspottet für seine im wahrsten Sinn hochschießenden Träume. Bavaria One hatte Markus Söder seine Pläne für den Luft- und Raumfahrtbereich genannt. Hubert Aiwanger, damals noch Fraktionschef der oppositionellen Freien Wähler im Landtag, verkündete postwendend, er wolle am liebsten mit der Bavaria One Söder auf den Mond schießen.

Heute sagt Aiwanger das nicht mehr. Klänge auch seltsam, schließlich sitzt er mit Söder inzwischen am Kabinettstisch und findet seitdem praktisch alles gut, was der CSU-Politiker so angeht. Der hat Aiwanger auf seine Weise mundtot gemacht – und ihn beim Raumfahrtprogramm kurzerhand mit ins Boot genommen, als "Raumfahrtkoordinator".

Stiller Protest

Seitdem hält Aiwanger sich zurück, protestiert allenfalls leise. Unlängst zum Beispiel, als Söder in Garching die neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie der Technischen Universität München vorstellte, fehlte Aiwanger. Andere Termine, murmelte der Niederbayer.

Am Donnerstag wird er begeistert applaudieren, wenn Markus Söder seine Regierungserklärung hält, die fünfte bereits seit seinem Amtsantritt im März vergangenen Jahres. Nicht überall stößt das auf Begeisterung. "Dieses dauernde Ankündigen", lästert etwa der FDP-Landtagsabgeordnete Wolfgang Heubisch, "das muss mal ein Ende haben. Jetzt müssen die endlich mit der Umsetzung beginnen."

 

 

Heubisch meint das ganz allgemein. Und ganz speziell, wenn er sich zu Söders Weltall-Strategie positionieren soll. Die hatte er mit seinem Faible für knackige Begriffe mit dem Titel Bavaria One etikettiert. Und sich den Spott quer durchs Land gesichert. "Söderchens Mondfahrt" nannten es die Liberalen. "Ziemlich lächerlich" findet es bis heute die Nürnberger Grünen-Politikerin Verena Osgyan, nicht nur des Titels wegen. 700 Millionen Euro hatte Söder für Bavaria One gleich in seiner ersten Regierungserklärung versprochen. Doch passiert ist zunächst wenig. Und im Doppelhaushalt 2019/2020 fanden sich nur mäßige 30 Millionen wieder.

"Keine Endlosplanung" 

Inzwischen hat Söder die Mittel aufgestockt, und heute in seiner fünften Regierungserklärung wird er es noch einmal tun. Summen nennt der Nürnberger zwar noch nicht, er wolle aber dafür sorgen, dass "das keine Endlosplanung wird, sondern zügig vorangeht." Schließlich ist das selbsgesteckte Ziel gewaltig: Die Fakultät an der TU München soll die größte ihrer Art in Deutschland werden. Mit 55 Professoren könnte sie dann die Hälfte der bundesweiten Forschung auf diesem Gebiet abdecken.

Kritikern bescheinigt Söder, dass sie nicht verstanden hätten, um was es ihm gehe. Nicht um Flüge zum Mond. Sondern darum, wie Bayern sich für die Zukunft wappnet. Die Raumfahrt verändere sich gerade fundamental, sagt Söder, "weg vom rein staatlich organisierten zum privatwirtschaftlichen Bereich." Bayern müsse dabei sein, vorne, versteht sich. "Das ist keine Marotte. Das ist reale Standortpolitik für Bayern."

Söder zementriert wissenschaftliches Dreieck

Die freilich wird sich auf den oberbayerischen und den Augsburger Raum beschränken. Seit Franz Josef Strauß den Anstoß gegeben hat, konzentrieren sich hier die Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt. In Franken sind sie nicht. Dort setzt Söder auf Medizintechnik und auf Künstliche Intelligenz.

Mit der neuen Fakultät in Garching, mit Airbus in Ottobrunn und dem Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen zementiert Söder ein wissenschaftliches Dreieck, dessen Innovationskraft er gar nicht hoch genug ansiedeln kann. Dabei strebt Söder nicht zum Mond, sondern in die Erdumlaufbahn, jedenfalls mit seinen bayerischen Satelliten. Die sollen die Erdoberfläche genau vermessen, später beispielsweise der Landwirtschaft wichtige Daten liefern, etwa für einen präzisen Einsatz von Düngemitteln. Vor allem junge Menschen seien begeistert, sagt der Ministerpräsident und CSU-Politiker, weil sich hier "ein Zugang bietet auch für jene, die nicht nur über das Klima reden."

Nur ein Feigenblatt

Für Menschen wie Verena Osgyan sind Argumente wie der Klimaschutz vorgeschoben, das sei "Green-Washing". Die Grünen-Politikerin verurteilt Söders Pläne nicht pauschal; sie verübelt ihm nur das Öko-Etikett. "Hier geht es um Wirtschaftsförderung", sagt sie, "und nicht um hehre ökologische Ziele." Söder, findet Osgyan, müsse das so benennen, dann könnte sie damit leben.

Dass die Staatsregierung sich dafür feiert, sie mache Bayern attraktiv für international renommierte Wissenschaftler, findet Osgyan zynisch. "Die Spitzenforscher winken ab, wenn sie unsere maroden Unis sehen." Söder sieht das auch, will dort ebenfalls investieren, vor allem aber nach vorne blicken. Von Bavaria One hat er sich verabschiedet, zumindest vom Namen. Bavaria One heißt jetzt Geodäsie. Klingt so unsexy, dass darüber niemand mehr lacht. Und das gefällt Söder.

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