Beispielloses Waldsterben in Franken und der Oberpfalz

26.7.2019, 05:41 Uhr
Am Waldrand bei Baudenbach (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) sieht man gut, wie sehr viele Kiefern unter Trockenheit und Schädlingen leiden und absterben. Stellen wie diese gibt es mitterweile viele in den Wäldern Frankens und der Oberpfalz.

© Ludwig Albrecht/AELF UFFENHEIM Am Waldrand bei Baudenbach (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) sieht man gut, wie sehr viele Kiefern unter Trockenheit und Schädlingen leiden und absterben. Stellen wie diese gibt es mitterweile viele in den Wäldern Frankens und der Oberpfalz.

"Meine Forst-Kollegen in anderen Bundesländern sagen mir: 'Wir geben ganze Täler auf.' Wir müssen deshalb alles dafür tun, damit wir das hier nicht auch bald sagen müssen. Aufgeben ist das Schlimmste, was wir tun können. In Bayern geben wir keine Täler auf, verdammt noch mal", appelliert Robert Morigl vor Mittelfrankens versammelter Forstkompetenz.

In Frankfurt, einem Ortsteil von Markt Taschendorf (Kreis Neustadt/
Aisch-Bad Windsheim), debattiert die Forstwirtschaftliche Vereinigung Mittelfranken, die 18.000 Waldbesitzer vertritt, über ein "Waldsterben 2.0", das die Region heimsucht.

Auch Robert Morigl, Leiter des Referats Holzwirtschaft, Forstvermögen, Forsttechnik im bayerischen Forstministerium, spart nicht mit deutlichen Worten. "Ich bin das erste Mal in einer Situation, in der ich holzmarktpolitisch keine Lösung weiß", gesteht der Fachmann , der viel Erfahrung als Verkaufsleiter der Staatsforsten und der Forstverwaltung hat.

Markt wird mit Holz überschwemmt

"Die Situation des Waldes in Mitteleuropa ist verheerend", konstatiert er. Die Folge: Der Markt wird mit Holz aus anderen Bundesländern, aber etwa auch aus Tschechien überschwemmt. Trockenheit, Stürme und Schädlinge wie der Borkenkäfer, der Kiefernprachtkäfer oder der Schwammspinner haben den Wäldern mächtig zugesetzt.

"Der Holzmarkt läuft völlig aus dem Ruder. Wären wir als Bayern allein auf der Welt, könnten wir mit der Situation noch zurechtkommen, aber so nicht", meint Morigl. "Jetzt Frischholz einzuschlagen, ist Schwachsinn", betont er. Schließlich ist mehr als genug Schadholz auf dem Markt.

"Seit zwei Jahren können wir im Wald nicht mehr agieren. Wir reagieren nur noch und hecheln den Schadflächen hinterher", sagt Christian Göttfert, Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Neustadt/Aisch-Uffenheim, und stellt eine Rechnung auf.

50.000 Festmeter Schadholz hat die FBG 2018 vermarkten müssen, und zwar 20 Euro pro Festmeter günstiger als üblich, so überschwemmt war schon damals der Markt. In diesem Jahr gibt es sogar 40 Euro pro Festmeter weniger. Die Mengen sind dabei gewaltig angestiegen: Ging die FBG im April noch von 70.000 Festmetern Schadholz in diesem Jahr aus, prognostiziert man nun 80 000 bis 100.000 Festmeter. Vier Millionen Euro weniger verdienen die Waldbesitzer im Bereich der FBG in diesen beiden Jahren dadurch. Hochgerechnet auf ganz Franken seien das etwa 100 Millionen Euro.

"100 Millionen sind ratzfatz weg"

"Diese Rechnung ist noch zu niedrig. 100 Millionen Euro sind ratzfatz weg, wenn die Holzmärkte sich bewegen", verdeutlicht Robert Morigl vom Forstministerium.

Im Reichswald hat der Forstbetrieb Nürnberg der Staatsforsten im Ende Juni zu Ende gegangenen Geschäftsjahr 110.000 Festmeter Schadholz aus dem Forst holen müssen, davon etwa 70.000 Festmeter Kiefer. In normalen Jahren waren es bislang 20.000 Festmeter Schadholz.

Großflächige Kiefernschäden gab es vor allem bei Behringersdorf und Kalchreuth, am Flughafen und im Siedlerwald. "Fast alle Bäume im Reichswald sind vorgeschädigt. Das Wetter in den kommenden Monaten entscheidet, wie es jetzt weitergeht", sagt Heiko Stölzner, stellvertretender Leiter des Forstbetriebs.

Der FBG-Vorsitzende Christian Göttfert legt angesichts der Zustände eine lange Liste von Forderungen auf den Tisch. So fordert er ein ähnliches Programm wie beim Sturm Kolle im August 2017. Damals unterstützte der Freistaat die Waldbesitzer mit 100 Millionen Euro. Außerdem sollten Waldumbauprojekte ausgesetzt und Feuchtbiotope im Wald, die den Niederschlag länger im Forst lassen, gefördert werden.

Aufgeben sollte man angesichts der Situation keinesfalls, betont Robert Morigl vom Forstministerium erneut. "Es geht um die Existenz des Waldes in Franken und der Oberpfalz. Zehn Jahre wird es locker dauern, bis wir da durch sind."

Anregungen aus Südfrankreich

Dass man nicht ahnungslos ist, wie man einen zukunftsfähigen Wald aufbauen kann, verdeutlicht Christian Kölling, der mehr als 25 Jahre an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft geforscht hat und mittlerweile Bereichsleiter Forsten des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Roth ist.

"In Gegenden, in denen jetzt schon ein Klima herrscht, wie wir es künftig bei uns haben werden, gibt es auch funktionierende Wälder. Da können wir uns viele Anregungen holen, zum Beispiel in der Mitte und im Süden Frankreichs."

Zuallererst würden sich heimische Baumarten verschieben, also an anderen Standorten wachsen. Dann müsse man heimische Baumarten mit anderen, südlicheren Herkünften einsetzen. Außerdem könne man auf Baumarten setzen, die hierzulande bislang noch selten sind, etwa die Elsbeere oder den Speierling. 

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