Fall 16 von "Freude für alle"

"Bin verflucht", sagt Nürnberger: Als Obdachloser attackiert, dann Behinderung, nun Scooter kaputt

Max Söllner

Redaktion Neumarkt

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29.11.2023, 10:00 Uhr
Peter S. (Name geändert) auf dem vierrädrigen Scooter, den er von seiner Krankenkasse bekommen hat.Mit seinem anderen hatte er im Sommer einen Unfall.

© Max Söllner, NN Peter S. (Name geändert) auf dem vierrädrigen Scooter, den er von seiner Krankenkasse bekommen hat.Mit seinem anderen hatte er im Sommer einen Unfall.

Eine Gruppe Jugendlicher auf E-Rollern, teils zu zweit auf einem Gefährt, düsen durch Nürnberg. Sie treffen auf Peter S. (Name geändert), der schwerbehindert ist und auf seinem vierrädrigen Scooter daher kommt. Drei der E-Roller umkurven ihn vorne, ein vierter versucht es hintenrum - und knallt gegen den Scooter. Die Jugendlichen haut es auf den Boden und sie hauen auch ab, Peter S. bleibt unverletzt zurück. Aber sein Scooter, der ihm wenigstens ein bisschen Mobilität ermöglicht hat, ist kaputt. "Das war der Tag, an dem ich dachte, ich bin verflucht", sagt der 43-Jährige.

Es fing vor einigen Jahren an, mit einem Angriff, wie Peter S. erzählt. Er war damals obdachlos, unter einer Brücke in Nürnberg schlief er nachts und bat tagsüber um Geld. Vor sich hatte er einen Becher, an dem sich ein Radfahrer schon länger störte. Regelmäßig fuhr er das Gefäß um, bis er einmal auch den Fuß von S. erwischte und im Fahrrad einklemmte.

Der Radler machte sich ebenfalls auf und davon. Er kam Wochen später zwar nochmal vorbei, doch da habe die Polizei keinen Streifenwagen freigehabt, erzählt S.

Jeder Schritt eine Denkaufgabe

Der damals Wohnungslose dachte, wird schon so schlimm nicht sein. Er ging erst ins Krankenhaus, als er nicht mehr auftreten konnte. Dort diagnostizierte man einen geschädigten Ischiasnerv am linken Bein, seither hat er Taubheitsgefühle und Gleichgewichtsstörungen. Der Grad seiner Behinderung wird mit 100 Prozent angegeben.

Er beschreibt es so: Bei jedem Schritt müsse er sich wahnsinnig konzentrieren und überprüfen, ob er richtig aufgetreten ist, da er nichts mehr spürt. Zuhause - er lebt inzwischen in einer barrierefreien städtischen Wohnung - sei das machbar. Auf der Straße aber wäre er ein Verkehrsrisiko. Deshalb der vierrädrige Scooter.

Oder besser gesagt: seine beiden. Einen Scooter hat S. von der Krankenkasse bekommen, doch der entspricht nicht seinen Bedürfnissen. Er ist zu langsam, um die komplette Strecke ins Stadtzentrum zu fahren und 20 Zentimeter zu lang, um in der U-Bahn mitgenommen zu werden. Mehrfach sei er deshalb schon aus Zügen geworfen worden. Außerdem habe der Krankenkassen-Scooter zu wenig Bodenfreiheit, an der Unterseite gingen deshalb bereits Kabel kaputt. "Nürnberg ist leider nicht so barrierefrei, wie es dargestellt wird", sagt S. über die Wege, die er benutzen muss.

"Würdest du nur zuhause sitzen, würde unser Scooter doch reichen"

Der Scooter der Krankenkasse sei etwas für ältere Menschen, die höchstens einmal um den Block oder zum nächsten Supermarkt fahren - jedoch nichts für jemanden in seinen 40er-Jahren. S. ist Diabetiker und muss auch infolge einer Lungenentzündung sowie eines Herzinfarkts im vergangenen Jahr nahezu wöchentlich zum Arzt. Außerdem engagiert er sich sozial.

Aber der Tenor der Krankenkasse habe gelautet: "Würdest du nur zuhause sitzen, würde unser Scooter doch reichen." Also kaufte er sich auf eigene Kosten mit Hilfe seiner Ex-Partnerin ein besseres Modell, das in die U-Bahn mitdarf und schneller fährt.

Peter S. erzählt von weiteren Unfällen. Einmal habe ihn ein Radler mit seinem Licht derart geblendet, dass er gegen einen Poller knallte. Ein anderes Mal geriet er auf einem schlecht geräumten Weg ins Rutschen und prallte gegen eine Mauer.

Fehlende Informationen

Und zuletzt eben die Jugendlichen auf ihren E-Rollern. Die nun nötige Reparatur ist mit knapp 1.300 Euro veranschlagt. Die Krankenkasse will nichts beisteuern, da es sich um einen eigenfinanzierten Scooter handelt.

"Normalerweise beantrage ich keine Spenden, es ist einem peinlich", sagt S., "man versucht es sich schönzureden, aber irgendwann geht es halt nicht mehr." Er lebt vom Bürgergeld, neben der Reparatur machen ihm aktuell erhöhte Stromkosten sowie offene Bußgelder zu schaffen. Als er sich zum ersten Mal auf den Scooter setzte, hatte er unwissentlich keine Versicherung. "Wenn du eine Behinderung bekommst, wirst du am Anfang von keinem informiert", beklagt der 43-Jährige.

Um die finanzielle Not von Peter S. und vergleichbaren Fällen zu lindern, bittet die Weihnachtsaktion "Freude für alle" um Zuwendungen.

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