Angela Merkels Macht erodiert

Chaos um die Corona-"Osterruhe": Angela Merkels Macht erodiert

27.3.2021, 15:35 Uhr
Typische Gesten der Kanzlerin: Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag.

© Michael Kappeler, dpa Typische Gesten der Kanzlerin: Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag.

"Helge, hast du noch eine Idee?“ – diese Frage stellte Angela Merkel Kanzleramtsminister Helge Braun in jener geschichtsträchtigen Nachtsitzung, deren Ergebnisse dann gut 30 Stunden später mit der ebenfalls historischen Entschuldigung der Kanzlerin plötzlich wieder gekippt wurden.

Was da geschah, das ist so bizarr, dass das Ergebnis kaum grotesker geworden wäre, hätte Merkel einen anderen berühmten Helge gefragt – den Dada-Blödler Helge Schneider. Leider ist alles aber keineswegs zum Lachen. Sondern ein Trauer- und Endspiel um die Macht und deren Rahmen.

Dieser Rahmen hängt schief, das Konstrukt der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hat sich spätestens jetzt als schlechte Krücke erwiesen. Ja, es braucht Kompromisse beim Vorgehen von Bund und Ländern. Was diese Runde aber erarbeitete, das waren halbherzige, ja falsche Kompromisse und dadurch unstimmige Regeln fernab von der Lebenswirklichkeit.

Nie ein wirklich harter Lockdown

Deutschland hatte nie einen wirklich harten Lockdown, wie er in anderen Staaten kurzfristig Erfolge brachte. Den forderten Experten und manche Politiker, ebenso viele Bürger – aber die MPK brachte dazu nicht den Mut auf. Auch das erklärt, warum das Land nun nicht viel weiter zu sein scheint als vor einem Jahr.

Wie schief da die Macht verteilt ist, belegt dies: Immer mehr Länder steigen aus den Beschlüssen aus, die sie doch gemeinsam mit der Kanzlerin gefasst hatten. An die „Notbremse“, also die eigentlich zwingende Rückkehr zu strengeren Regeln bei steigenden Zahlen, hält sich kaum noch jemand.

Selbstdemontage am Ende einer zu langen Kanzlerschaft

Da erodiert ganz offensichtlich Macht. Merkels Macht. Und: Geschichte wiederholt sich – wieder endet eine zu lange Kanzlerschaft mit einer Selbstdemontage. Das war bei Adenauer so und bei Kohl, die beide nicht lassen konnten von der Macht. Und auch Merkel stünde anders da, wäre sie 2017 nicht mehr angetreten. Danach kamen von ihr, die Politik stets eher erduldete als gestaltete, noch weniger Impulse.

Und jetzt ist für alle sichtbar, dass Merkels Union selbst da gewaltig wankt, wo viele ihre Stärke sahen: im Krisenmanagement. Pannen und Fehler häufen sich. Zusammen mit den Raffke-Skandalen entsteht so das verheerende Bild einer überforderten, abgehobenen Politik, das leider nicht nur ein überzogenes Zerrbild ist.

Vertrauen zurückgewinnen als Aufgabe Nr.1

Vertrauen zurückgewinnen ist da Aufgabe Nr. 1 – für CDU und CSU kann das sogar überlebenswichtig sein. Das spürt Merkel, das spürt auch Söder – ob es Laschet spürt, ist nicht so richtig erkennbar. Der Union spült es aktuell den Boden unter den Füßen weg; der scheinbar garantierte Machterhalt gerät zusehends ins Wanken.

Merkels Entschuldigung mag da ein Akt der Größe gewesen sein, ja. Was aber, wenn zu viele Wählerinnen und Wähler diese Entschuldigung nicht annehmen und schlechtes Regieren einfach nicht verzeihen wollen?

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