Corona-Impfung: Wer haftet bei unerwünschten Folgen?

15.12.2020, 05:52 Uhr
Corona-Impfung: Wer haftet bei unerwünschten Folgen?

© Laci Perenyi/www.imago-images.de

Die EU-Kommission habe Haftungsklauseln zur Corona-Impfung in die Verträge mit AstraZeneca und Sanofi eingebaut und verhandle darüber auch mit anderen Herstellern. "Die Kommission oder die Mitgliedsstaaten würden die Unternehmen im Wesentlichen für Kosten entschädigen, die von rechtlichen Schritten aufgrund solcher Fälle entstehen", so zitiert die internationale Nachrichtenagentur Reuters Sue Middleton. Sue Middleton ist die Vorsitzende des Verbandes Europäischer Impfstoffhersteller, Vaccines Europe.


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Hat die Pharmaindustrie in den vergangenen Monaten also erhebliche Lobbyarbeit geleistet, erst staatliche Zuschüsse kassiert, wird bald ordentlich verdienen, und gibt nun das Risiko für mögliche Schäden an den Steuerzahler ab? "Man kann die EU tatsächlich", sagt Rechtsanwältin Isabella Beer, "hier als eine Art Haftpflichtversicherer im Hintergrund begreifen." Sie ist in der Schwabacher Kanzlei Förster und Blob als Fachanwältin für Medizinrecht und für Versicherungsrecht tätig.

Warum haftet der Staat nicht für die Corona-Impfung?

Vaccines Europe erinnert an das Tempo bei der Entwicklung des Impfstoffs: De Herstellern fehlt die Zeit für die üblichen umfangreichen klinischen Studien, deshalb wollen die sie die Haftung für das nicht kalkulierbare Risiko von Folgeschäden des Impfstoffs nicht tragen. Es ist üblich, dass sich Pharmahersteller bei Versicherungsagenturen gegen Schäden versichern – doch "im Normalfall handelt es sich auch um Arzneimittel, die jahrelang erforscht wurden, so dass Risiken besser abgeschätzt werden können", bestätigt Beer.

Corona-Impfung: Wer haftet bei unerwünschten Folgen?

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Doch hier ist offen, ob und zu welchen Konditionen sich überhaupt eine Versicherungsagentur finden würde. Der EU-Bürger als Steuerzahler ist daher nur die eine Seite der Medaille, auf der anderen Seite ist der einzelne EU-Bürger zu sehen, der darauf angewiesen sein kann, dass die Gelder für mögliche Schäden vorhanden sind – bei insolventen Pharmafirmen wären sie nicht zu holen.


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Doch wenn der Staat will, dass sich seine Bürger impfen lassen – haftet er dann nicht ohnehin zwangsläufig? Das Infektionsschutzgesetz (§ 20 und § 60) sieht für jeden, der durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung eine Schädigung erleidet, einen Ausgleich für gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen vor.

Welche Impfungen empfohlen werden, entscheiden die obersten Landesgesundheitsbehörden der Bundesländer. In Bayern listet das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit unter anderem Impfungen gegen Tollwut, Masern, Frühsommer-Meningo-Enzephalitis ("Zeckenbiss"-Impfung) und Influenza, also die Grippe-Schutz-Impfung, auf.

Wann liegt ein Impfschaden vor?

Sie selbst, so Anwältin Beer, wolle auf keine Fall als Impfgegnerin missverstanden werden – doch in sehr seltenen Fällen komme es eben vor, dass nach dem Piks einer Schutzimpfung langfristig Nebenwirkungen auftreten. Sie selbst vertrat bereits mehrere Patienten nach unerwünschten Folgen von Impfungen, einer entwickelte beispielsweise eine Nervenkrankheit – und leidet unter Missempfindungen wie Kribbeln, Stechen, Brennen und Taubheit an den Füßen.

Ein Impfschaden im Sinn des Infektionsschutzgesetz, § 2, Nr. 11, liegt vor, "wenn die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion" hinausgeht." Und: "Wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde."

Wie mit einem vermuteten Impfschaden umgehen? Die Anwältin empfiehlt, alle Arztbesuche und alle Beschwerden zu notieren und zu dokumentieren. Wer vermutet, unter Folgeschäden nach einer falsch durchgeführten Operation zu leiden oder glaubt, von einem Arzt nicht fachgerecht behandelt worden zu sein, strengt eine Zivilklage gegen das Krankenhaus und den Mediziner an.

Anerkennung eines Impfschadens: "Es braucht drei Punkte"

Doch für einen möglichen Impfschaden ist in Bayern das Zentrum Familie und Soziales zuständig, dort kann ein Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt werden. Die Behörde muss von Amts wegen ermitteln, und sämtliche in Betracht kommenden medizinischen Unterlagen beiziehen. Nach Abschluss der Ermittlungen werden die Akten dem Ärztlichen Dienst zur Begutachtung übergeben.

"Für die Anerkennung eines Impfschadens braucht es drei Punkte", so Isabelle Beer: Es muss eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung vorliegen. Es muss bewiesen werden, dass die Impfung zu einer Impfkomplikation geführt hat. Und es muss eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung aufgrund der Impfkomplikation, nachgewiesen werden.

Im Fall eines Schadens muss der Staat für alle gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden aufkommen. Damit kein Missverständnis entsteht: Die Vorteile eines Covid-19-Impfstoffs müssen nach EU-Arzneimittelgesetzgebung weitaus größer sein als alle Nebenwirkungen oder potenziellen Risiken. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) mit Sitz in Amsterdam ist dabei als zentrale Prüfstelle zuständig. Mitglieder von Patienten-Verbänden, die in den Vorstand der EMA gewählt sind, zeigen sich besorgt über die in großer Eile verhandelten Verträge mit der EU, kritisieren, die EU sei viel zu freundlich zur Pharmaindustrie. Auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, fordert "höchste Transparenz für alle Zulassungs- und Haftungsfragen."

Doch aus Sicht der EU-Kommission hebeln die Corona-Verträge die aktuellen EU-Regeln nicht aus, Unternehmen können auch weiterhin rechtlich belangt werden, bestätigt Isabella Beer: "Die Haftung für Arzneimittel, darunter fallen auch Impfstoffe, ist im Arzneimittelgesetz geregelt. Demnach haften pharmazeutische Unternehmen, wenn durch ein Arzneimittel ein Mensch getötet oder seine Gesundheit verletzt wird. Um die Haftung eines Pharmaunternehmens auszuschließen, müsste also erst das Arzneimittelgesetz geändert werden. Eine solche Gesetzesänderung ist nicht vorgesehen."

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