Corona-Verdachtsfälle: Irritationen bleiben nicht aus

26.3.2020, 15:59 Uhr
Das Robert-Koch-Institut hat nun Regeln festgelegt, ab wann Erkrankte wieder am öffentlichen Leben teilhaben dürfen.

© Dmitri Lovetsky, dpa Das Robert-Koch-Institut hat nun Regeln festgelegt, ab wann Erkrankte wieder am öffentlichen Leben teilhaben dürfen.

Zur Frage, wann jemand von Covid-19 genesen ist und zumindest wieder an dem öffentlichen Leben teilhaben kann, das infolge der Vorschriften zur Bekämpfung der Pandemie übrig geblieben ist, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) Kriterien festgelegt. So müssen seit Beginn der Symptome (Husten, Fieber, Gliederschmerzen, Müdigkeit) mindestens 14 Tage vergangen sein. Zudem dürfen 48 Stunden lange keine Krankheitsanzeichen mehr aufgetreten sein.



Das klingt eindeutig. Ein Fallbeispiel aus der Region zeigt, wie komplex die Lage dennoch sein kann. Die Familie, die anonym bleiben möchte, befand sich komplett in Quarantäne: Kinder, Eltern und Großeltern. Der Vater hatte sich Anfang März mutmaßlich in Österreich infiziert. Er und seine Frau wurden positiv getestet, ebenso die Großeltern. Nun endet die Isolation, alle Beteiligten fühlen sich wieder wohlauf. Täglich hatte sich das zuständige Gesundheitsamt gemeldet und telefonisch den Krankheitsverlauf abgefragt. Das Problem: Die beiden Kinder wurden nicht auf Corona getestet, man nahm aufgrund der Symptome einfach an, dass sie ebenfalls mit dem Virus infiziert wurden. Dürfen sie jetzt wieder zu ihren Großeltern?

Zur Unterscheidung: Mit dem inzwischen bekannten PCR-Test wird im Labor überprüft, ob in Speichelproben Spuren des Erbguts von Sars-Cov-2 vorhanden sind. Falls ja, gilt man offiziell als Corana-Fall. Ein anderes Verfahren, mit dem vom Nachweis schützender Antikörper auf die Lungenerkrankung Covid-19 geschlossen werden könnte, ist dagegen noch nicht zugelassen.

Prof. Dr. Joachim Ficker, Chefarzt der Pneumologie am Klinikum Nord, erläutert, bei mit PCR positiv Getesteten gehe man nach Abklingen der Symptome davon aus, dass sie Antikörper gebildet haben und dadurch für mehrere Jahre vor einer erneuten Infektion gefeit sind.


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Das PCR-Verfahren ist laut Ficker aber nicht geeignet, um in Verdachtsfällen nach Abklingen der Beschwerden hinterher zu überprüfen, ob jemand an Covid19 erkrankt war, nun geheilt und damit immun ist. Reste des Virus-Erbguts könnten zum Beispiel noch im Rachenabstrich oder im Stuhl nachweisbar sein, ohne dass noch ansteckungsfähige intakte Viren ausgeschieden werden. Für Gewissheit könnte hier nur ein Antikörper-Test sorgen, ein solches Verfahren ist aber noch nicht zugelassen und somit nicht für die Routineanwendung verfügbar.

Insofern dürften Vater und Mutter der betroffenen Familie aus der Region jetzt wieder Umgang mit den Großeltern haben, denn diese vier Familienmitglieder hatten ja bereits Covid-19 und sind nun zunächst immun, erklärt Prof. Ficker. Die Enkel dagegen waren nicht sicher infiziert und sind damit auch nicht sicher immun. Für sie gelten die üblichen Verhaltensregeln, die zur Zeit allen Bürgern empfohlen werden, auch wenn man annehmen darf, dass sie bereits immun sein könnten, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Quarantäne eine Infektion durchgemacht haben.

In der Praxis entscheiden die Gesundheitsämter in Absprache mit den behandeln Ärzten derzeit auf Basis der beobachteten Symptome, ob eine Quarantäne aufgehoben wird oder nicht.

Wie die genannte Familie werden die meisten Patienten ambulant betreut. Bekanntlich sind die Verläufe in etwa 80 Prozent der Fälle harmlos. Beim Rest gibt es fließende Übergänge von heftigen Grippe-Symptomen wie Fieber, Husten und Gliederschmerzen bis hin zu mehr oder weniger gravierenden Problemen mit der Atmung. Einige Patienten mussten auch am Klinikum Nürnberg bereits wegen Covid-19 beatmet werden. Schlimmstenfalls muss die Lungenfunktion nicht nur durch Beatmung künstlich unterstützt, sondern komplett von einer Maschine übernommen werden. Ein solchen Corona-Fall gab es aber laut Ficker in Nürnberg bisher noch nicht.


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Der Mediziner und bekannte Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) hatte unlängst in der ZDF-Talkshow „Lanz“ sinngemäß geäußert, viele Bürger dächten fälschlicherweise, nach einer erfolgreichen künstlichen Beatmung gehe das Leben ganz normal weiter. Es müssten also nur genügend Intensivbetten vorgehalten werden, dann werde alles halb so wild. Dabei, so Lauterbach, träten als Folge einer solchen Behandlung häufig erhebliche Gesundheitsschäden auf — auch bei jungen Menschen. Letzteres bestätigt Prof. Dr. Ficker. Wer über einen längeren Zeitraum künstlich beatmet werden musste, laufe Gefahr, dass die Lunge hinterher nicht oder nur allmählich zur alten Leistungsstärke zurückfinde.

Das Klinikum Nürnberg ist die Einrichtung mit den meisten Intensivbetten in Nordbayern. Noch herrscht dort laut Ficker „die Ruhe vor dem Sturm“, jeder Patient könne bislang ohne jeden Kompromiss bestens versorgt werden. Auch an Schutzmasken und -anzügen bestehe aktuell noch kein Mangel.

Auf die Frage, wie lange uns das Corona-Virus noch im Griff haben werde, mag auch Ficker nur eine grobe Schätzung abgegeben: „Mindestens bis in den Herbst hinein“. SPD-Mann Lauterbach hatte bei „Lanz“ von „Jahren“ gesprochen. So oder so, Joachim Ficker empfiehlt, sich die wegen Corona notwendig gewordenen Verhaltensweisen wie regelmäßiges Händewaschen, in die Armbeuge niesen und bei grippalen Infekten Abstand halten am besten gleich „für den Rest des Lebens anzugewöhnen“.

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