Sonderwünsche bei Impfungen

"Des Glump wollmer ned": Viele Ältere weisen Astrazeneca zurück

11.5.2021, 08:03 Uhr
Wer sich jetzt für eine Impfung mit Astrazeneca entscheidet, muss in der Regel nicht lange auf einen Termin warten. Doch viele lehnen den Impfstoff ab und möchten lieber einen anderen - gerade auch viele Ältere.

© Ronny Hartmann/dpa Wer sich jetzt für eine Impfung mit Astrazeneca entscheidet, muss in der Regel nicht lange auf einen Termin warten. Doch viele lehnen den Impfstoff ab und möchten lieber einen anderen - gerade auch viele Ältere.

Ein mächtig dickes Fell mussten sich die Mitarbeiterinnen von Marc Metzmacher, Hausarzt in Gunzenhausen, in den vergangenen Wochen zulegen. "Des Glump wollmer ned. Wir wollen lieber Biontech", hatte so mancher über 60-Jährige die Damen am Telefon angeherrscht, als diese eigentlich die freudige Botschaft eines unmittelbar bevorstehenden Impftermins überbringen wollten.

Das Problem an dem Impftermin: In der Spritze sollte der Impfstoff von Astrazeneca stecken. Und den wollen viele nicht mehr. "Es sollte zum gesellschaftspolitisch guten Ton gehören, dass man das nimmt, was man angeboten bekommt. Und vor allem sollte man den Frust darüber nicht an den Mitarbeiterinnen auslassen", meint Metzmacher.

Zweitimpfungen bei Älteren ausschließlich mit Astrazeneca

Er führt Zweitimpfungen bei zuvor mit schon Astrazeneca geimpften über 60-Jährigen deshalb ausschließlich mit Astrazeneca durch. Und auch den meisten Jüngeren empfiehlt er, bei dem Impfstoff zu bleiben.

"Das Risiko von Thrombosen ist extrem gering. Bei der Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln zum Beispiel ist es größer als bei Astrazeneca - und das ist eine Pflichtimpfung für Kinder. Da spricht keiner über das Risiko - und es ist ja auch bei diesem Impfstoff noch extrem gering", verdeutlicht Petra Reis-Berkowicz, Hausärztin in Gefrees (Landkreis Bayreuth) und Vorsitzende des Hausärzteverbandes in Oberfranken.

"Wenn man in der Vergangenheit nicht auf Heparin oder ähnliche Impfstoffe reagiert hat und auch in der Familie keine schweren Fälle von Nebenwirkungen bekannt sind, können auch Junge ohne Bedenken Astrazeneca nehmen", betont sie. Vielen könne sie im persönlichen Gespräch die Ängste nehmen. "Manche hatten da ja fast das Gefühl, sie würden zum Henker gehen. Das ist völlig unbegründet", meint sie.


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"Dieses Anspruchsdenken vieler Älterer, dass sie lieber Biontech als Astrazeneca möchten, ärgert mich sehr. Sie kommen bei mir auf eine Extra-Warteliste. Wenn man ein Impfangebot nicht annehmen will, muss man sich eben hinten anstellen", sagt Markus Beier, Hausarzt in Erlangen und Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes.

Hausarzt-Vorsitzender: Jungen soll man nicht den Impfstoff wegnehmen

Manche könne man im Gespräch zwar noch überzeugen. "Aber diese Gespräche kosten uns sehr viel Energie und enden zunehmend frustrierend", erzählt Beier. Man habe den jungen Menschen schon sehr viel zugemutet in dieser Pandemie, nun solle man ihnen nicht auch noch ohne Not den Impfstoff wegnehmen.

An den Impfzentren in Bayern wird schon seit dem 19. April kein Astrazeneca mehr bei Erstimpfungen verimpft. Noch stehen aber sehr viele Zweitimpfungen an. "Etwa 40 Prozent lehnen dabei Astrazeneca ab und wollen lieber einen anderen Impfstoff. Die Quote ist bei Jungen und Alten ungefähr gleich", sagt Ulrike Goeken-Haidl, Sprecherin der Koordinierungsstelle Impfzentrum der Stadt Nürnberg. Wer ablehnt, wird dann zum selben Zeitpunkt wie ursprünglich geplant mit Biontech oder Moderna geimpft.

Allerdings erreichen das Impfzentrum seit ein bis zwei Wochen vermehrt Wünsche, einen Impftermin vorzuverlegen (in wenigen Fällen auch nach hinten zu verlegen), weil Familienbesuche oder Urlaube geplant sind. Verschiebungen seien aber nur in dringenden persönlichen Ausnahmefällen möglich, betont Goeken-Haidl, etwa bei einer akuten Erkrankung, die eine Impfung unmöglich macht, oder bei einem Todesfall in der engsten Familie.


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"Wir befinden uns trotz fallender Infektionszahlen immer noch in einer Pandemie-Situation und wollen mit den Impfungen so rasch wie möglich vorankommen. Die individuellen Termin-Wünsche können wir deshalb nur aus den genannten Gründen berücksichtigen", sagt Goeken-Haidl. Am Impfzentrum ist man inzwischen in der Prioritätsgruppe 3 bei den 68- und 69-Jährigen angekommen.

Verkürzter Abstand bei Astrazeneca-Impfungen?

Um möglichst viele Erstimpfungen durchführen zu können, wurde der Abstand der beiden Astrazeneca-Impfungen ursprünglich auf zwölf Wochen festgelegt. Seit einigen Tagen ist die Zweitimpfung nun sogar schon nach vier Wochen zulässig. Empfohlen wird das allerdings von den meisten Experten nicht. "Ich sehe die Verkürzung des Impfintervalls sehr kritisch, da dies nachweislich zu einer Reduktion der Schutzwirkung von 82 Prozent auf 54 Prozent führt", meint Professor Christian Bogdan, Leiter des Instituts für Klinische Mikrobiologie und Immunologie am Uniklinikum Erlangen und Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko).

Die meisten Hausärzte wollen das Impfintervall deshalb auch höchstens auf acht bis zehn Wochen verkürzen. "Die Frage ist eben, ob man sich impft, um einen Aufkleber im Impfpass zu haben oder weil man eine Pandemie bekämpfen möchte", verdeutlicht Marc Metzmacher aus Gunzenhausen.

Auch Hausärztin Petra Reis-Berkowicz hat mittlerweile oft erlebt, dass Patienten ihre Impftermine vorverlegen möchten, weil sie bald verreisen möchten. Einen geringeren Abstand als acht Wochen würde sie aber medizinisch nicht empfehlen. Und solche Patienten weist die Medizinerin aus Gefrees auch explizit darauf hin, dass sie dadurch möglicherweise früher erneut geimpft werden müssen, wenn sie den vollen Schutz behalten möchten.

Impftermin bei Astrazeneca innerhalb kürzester Zeit

Laut Hausärzte-Vorsitzendem Markus Beier habe die Nachfrage nach Astrazeneca in den ersten beiden Wochen nach Aufhebung der Priorisierung enorm zugelegt, ebbe inzwischen aber schon wieder deutlich ab. "Impfstoff ist bei Astrazeneca sehr viel vorhanden. Diese Woche habe ich 100 Dosen bestellt und auch bekommen. Nächste Woche habe ich dann gleich 200 bestellt - und werde wohl auch die bekommen", sagt Marc Metzmacher. Zum Vergleich: Von Biontech bekommt er gerade mal 30 Dosen. Für Astrazeneca-Impfungen bekomme man in der Regel innerhalb von drei Wochen einen Termin, meint Metzmacher. Wenn man denn möchte.

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