92-jähriger Star-Pianist kommt nach Erlangen
12.10.2016, 15:00 UhrAusgemacht ist, mit Rücksicht auf das Alter des Künstlers, ein Gesprächstermin von einer halben Stunde. Daraus werden fast anderthalb Stunden. Es bleibt ein unvergessliches Erlebnis, ein Privileg, mit einem Künstler und Menschen wie Menahem Pressler, einer lebenden „Legende“, diese Zeit verbringen zu dürfen.
Langsam, zielbewusst auf die beiden Flügel zusteuernd, auf den Rollator gestützt, im Mantel, klein und gebeugt, kommt Menahem Pressler pünktlich um elf Uhr in die Konzerthalle der „Bamberger Symphoniker“. Er legt ab, grüßt freundlich, aufmerksam. Im Gefolge ist sein „guter Geist“ Lady Annabelle Weidenfeld, die ihm als Freundin und Managerin bis in die kleinsten Details zur Seite steht. Menahem Pressler wird nachher im Gespräch nicht müde, seine 70-jährige Freundin überschwänglich zu loben: „Ohne sie wären diese Reisen und Auftritte gar nicht möglich.“
Auswahl des Flügels
Doch zunächst geht es um die Flügelauswahl für das Konzert in Bamberg: Zwei wunderschöne B-Steinways, die in sorgfältiger Obhut des Klavierstimmers Erich Friedrich stehen, sind zur Verfügung. Pressler probiert sie wechselweise, spielt Ausschnitte aus dem Mozart-Konzert, das er mit den „Bambergern“ spielt, aber auch andere Mozart-Werke. Er schwelgt in Schumann, berät sich, fragt nach dem Klangeindruck und Unterschied der beiden Instrumente, aber auch der Charakteristik des Erlanger Flügels. Vieles gilt es zu bedenken.
Lady Weidenfeld schwärmt von dem vorderen, dem älteren Instrument, das runder, weicher klingt als der brillante, dynamisch auftrumpfende andere Flügel. Unglaublich berührend und kaum zu übertreffen ist es, als Menahem Pressler den langsamen Mittelsatz des Mozart-Konzerts anspielt: Dieser Künstler hat alle Zeit, spielt mit einer Innerlichkeit und Weisheit Mozarts letztes Klavierwerk, wie es wohl nur durch die die innere Ruhe des Alters möglich ist.
Menahem Pressler ist, was das Instrument angeht, unschlüssig, will seine Entscheidung von der Probe mit dem Orchester, der Meinung des Dirigenten abhängig machen. Denn Lahav Shani schätzt er als „hervorragenden Pianisten“ und Musiker.
In der Künstlergarderobe führen wir unser Gespräch. Menahem Pressler wirkt rosig, warmherzig, offen, wach, geistig präsent, achtsam. Er formuliert sorgfältig, fragt bei Namen nach. Er nimmt die Strapazen von Reisen und Konzerten gern auf sich: „Ich hatte immer eine Art von Hunger und Lust zum Spielen. Es ist ein Finden in sich selbst, ein Glückszustand, Freude an allem durch die Musik und diese Freude zu teilen.“
Nach den Auftritten in Erlangen und Bamberg hält der Pianist Kurse in Spanien, Frankreich. Zu seinem 93. Geburtstag, der mit Beethovens Geburtstag, dem 16. Dezember, übereinstimmt, konzertiert er in Magdeburg. Freunde hat der Musiker viele in Deutschland. Er schätzt das deutsche Publikum, das er als aufmerksam und interessiert erlebt. Deutschland steht für ihn für „Werte“. Von „Aussöhnung“ mag er, der den Holocaust auch in seiner Familie erlebte, nicht sprechen: „Ich liebe deutsche Kultur, deutsche Literatur, deutsches Essen.“ Menahem Pressler und Lady Weidenfeld schwärmen von Bamberg, ihrer Unterkunft, dem „Residenzschloss“.
„Mozart tanzt in den Himmel“
Auch nach der Emigration nach Israel (1939), in die USA (1955) hat Menahem Pressler innerhalb seiner Familie immer Deutsch gesprochen. Er liebt Mozart, seine „Mühelosigkeit und die einmalige Schönheit. Beim Rondo-Schlusssatz tanzt Mozart in den Himmel“. Menahem Pressler tanzt mit.
Das vergangene Jahr, 2015, war ein Schicksalsjahr für den Künstler: Plötzlich war er im Januar mit der Diagnose und der Therapie eines Aneurysmas bedroht, im gleichen Jahr starb seine Ehefrau. Danach fiel es ihm schwer wieder anzufangen, doch der Sänger Matthias Goerne spornte den Pianisten an.
Menahem Pressler lacht, strahlt voller Lebensfreude. Mit 91 Jahren hat er Schumanns „Dichterliebe“, aber auch die „Geistervariationen“ neu einstudiert, hat mit Goerne zusammen konzertiert. Menahem Pressler, der 92-Jährige, ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass das Lernen nie aufhört. Er sagt: „Man kann nie fühlen, dass man es geschafft hat, dass es perfekt ist. Für uns alle – auch für das Publikum – gilt es immer wieder, in der Musik die Schönheit zu entdecken.“
Der Musiker spricht vom „Glück“, von „glücklichen Umständen“. Und er hat nur einen Wunsch: „Dass es so weiter geht.“
Für das Konzert gibt es noch Karten in allen Preiskategorien. Tickets an der Abendkasse und unter Tel. (09131) 862252.
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